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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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politische Wetterfahnen,

"VN England, Letzterer sei doch wenigstens von einem englischen, wenn auch
noch so erbärmlichen Parlament auf den Thron berufen worden. Dagegen:
"Ein Prätendent, Sklave der Russen, erwartet die Vernichtung unsrer helden¬
mütigen Scharen, um der Herr des zerrissenen Frankreichs zu werden; er wartet
in Sicherheit, fern von den Kämpfen, die um seinetwillen geliefert werden, bis
die Barbaren, welche er gegen sein Land gehetzt hat, ihm ankündigen werden,
daß Tod, Plünderung und Brand ihm den Weg in diese Gauen, welche ihn
zurückstoße", geebnet haben n, s. w." Im .louriis,! clss Osvats vom 19. März
1815 ruft er mit ebenso energischen Worten zur Verteidigung des würdigen,
mutige", wahrhaften Monarchen auf, welcher "erfüllt ist vou Vertrauen, wie
es eines Königs von Frankreich gegenüber den Franzosen würdig ist:c.," und
schildert das Unheil, welches die Wiederkehr Napoleons heraufbeschwören würde.
"Ich werde nicht," heißt es gegen den Schluß, "als elenden Überläufer mich
von einem Machthaber zum andern schleppen, die Schamlosigkeit mit Sophismen
bemänteln und entweihte Worte stammeln, um mir eine schmachvolle Existenz
zu erkaufen." Im nächsten Monat ließ er sich vom Kaiser zum Staatsrat
machen.

Wie Jacques Louis David, der Maler, Schützling Ludwigs XVI., Schreckens¬
mann, Hofmaler Napoleons wurde, ist allbekannt; weniger seine Entschuldigung,
als er vor dem Konvent angeklagt war, am 8. Thermidor Robespierre umarmt
zu haben: er habe an diesem Tage ein Brechmittel eingenommen gehabt!

Unter dem Schlagwort l^eols us äroit as ?g,iis finden wir, daß am
15. März 1815 fünfhundert Studenten ein Freikorps bildeten und sich dem König
zur Verfügung stellten, am 22. März aber alle Rechtshörer zur Abfassung
einer Adresse an den Kaiser eingeladen wurden. Die Ehre der Schule dürfe
nicht durch "einige Fanatiker, Schwächlinge und Feiglinge" kompromittirt werden.
Nach der Rückkehr des Königs abermals eine Adresse. Die Mediziner hielten
gleichen Schritt mit ihren Kommilitonen von der Jurisprudenz.

General Excelmans, wegen seiner Korrespondenz mit Murat vor ein Kriegs¬
gericht gestellt und freigesprochen, verfügte sich, wie das ^ouriM as8 Dsb^s
vom 28. Januar 1815 meldet, sofort zum Könige, "um dafür zu danken, daß
ihm Gerechtigkeit geworden, und unverbrüchliche Treue zu schwören." Am
23. März bot er Napoleon seine Dienste an.

Fabre de lÄude, Senator und -- wie unsre Quelle sich ausdrückt, weil
er am 4. Juni 1814 vom König, am 4. Juni 1815 von Napoleon zum Pair
ernannt wurde -- ?air roM-iilixöi'ni, hat in einer Ansprache an Lätitia
Bonaparte diese Blasphemie geleistet: "Die Empfängnis, als Sie den großen
Napoleon unter Ihrem Herzen trugen, kann sicherlich nur göttliche Eingebung
gewesen sein."

Nun ein Prachtexemplar! Dem Marquis Fontanes rühmen die Biographen
ein geschmeidiges Naturell nach; diese Geschmeidigkeit lernen wir hier genauer


politische Wetterfahnen,

»VN England, Letzterer sei doch wenigstens von einem englischen, wenn auch
noch so erbärmlichen Parlament auf den Thron berufen worden. Dagegen:
„Ein Prätendent, Sklave der Russen, erwartet die Vernichtung unsrer helden¬
mütigen Scharen, um der Herr des zerrissenen Frankreichs zu werden; er wartet
in Sicherheit, fern von den Kämpfen, die um seinetwillen geliefert werden, bis
die Barbaren, welche er gegen sein Land gehetzt hat, ihm ankündigen werden,
daß Tod, Plünderung und Brand ihm den Weg in diese Gauen, welche ihn
zurückstoße», geebnet haben n, s. w." Im .louriis,! clss Osvats vom 19. März
1815 ruft er mit ebenso energischen Worten zur Verteidigung des würdigen,
mutige», wahrhaften Monarchen auf, welcher „erfüllt ist vou Vertrauen, wie
es eines Königs von Frankreich gegenüber den Franzosen würdig ist:c.," und
schildert das Unheil, welches die Wiederkehr Napoleons heraufbeschwören würde.
„Ich werde nicht," heißt es gegen den Schluß, „als elenden Überläufer mich
von einem Machthaber zum andern schleppen, die Schamlosigkeit mit Sophismen
bemänteln und entweihte Worte stammeln, um mir eine schmachvolle Existenz
zu erkaufen." Im nächsten Monat ließ er sich vom Kaiser zum Staatsrat
machen.

Wie Jacques Louis David, der Maler, Schützling Ludwigs XVI., Schreckens¬
mann, Hofmaler Napoleons wurde, ist allbekannt; weniger seine Entschuldigung,
als er vor dem Konvent angeklagt war, am 8. Thermidor Robespierre umarmt
zu haben: er habe an diesem Tage ein Brechmittel eingenommen gehabt!

Unter dem Schlagwort l^eols us äroit as ?g,iis finden wir, daß am
15. März 1815 fünfhundert Studenten ein Freikorps bildeten und sich dem König
zur Verfügung stellten, am 22. März aber alle Rechtshörer zur Abfassung
einer Adresse an den Kaiser eingeladen wurden. Die Ehre der Schule dürfe
nicht durch „einige Fanatiker, Schwächlinge und Feiglinge" kompromittirt werden.
Nach der Rückkehr des Königs abermals eine Adresse. Die Mediziner hielten
gleichen Schritt mit ihren Kommilitonen von der Jurisprudenz.

General Excelmans, wegen seiner Korrespondenz mit Murat vor ein Kriegs¬
gericht gestellt und freigesprochen, verfügte sich, wie das ^ouriM as8 Dsb^s
vom 28. Januar 1815 meldet, sofort zum Könige, „um dafür zu danken, daß
ihm Gerechtigkeit geworden, und unverbrüchliche Treue zu schwören." Am
23. März bot er Napoleon seine Dienste an.

Fabre de lÄude, Senator und — wie unsre Quelle sich ausdrückt, weil
er am 4. Juni 1814 vom König, am 4. Juni 1815 von Napoleon zum Pair
ernannt wurde — ?air roM-iilixöi'ni, hat in einer Ansprache an Lätitia
Bonaparte diese Blasphemie geleistet: „Die Empfängnis, als Sie den großen
Napoleon unter Ihrem Herzen trugen, kann sicherlich nur göttliche Eingebung
gewesen sein."

Nun ein Prachtexemplar! Dem Marquis Fontanes rühmen die Biographen
ein geschmeidiges Naturell nach; diese Geschmeidigkeit lernen wir hier genauer


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[0663] politische Wetterfahnen, »VN England, Letzterer sei doch wenigstens von einem englischen, wenn auch noch so erbärmlichen Parlament auf den Thron berufen worden. Dagegen: „Ein Prätendent, Sklave der Russen, erwartet die Vernichtung unsrer helden¬ mütigen Scharen, um der Herr des zerrissenen Frankreichs zu werden; er wartet in Sicherheit, fern von den Kämpfen, die um seinetwillen geliefert werden, bis die Barbaren, welche er gegen sein Land gehetzt hat, ihm ankündigen werden, daß Tod, Plünderung und Brand ihm den Weg in diese Gauen, welche ihn zurückstoße», geebnet haben n, s. w." Im .louriis,! clss Osvats vom 19. März 1815 ruft er mit ebenso energischen Worten zur Verteidigung des würdigen, mutige», wahrhaften Monarchen auf, welcher „erfüllt ist vou Vertrauen, wie es eines Königs von Frankreich gegenüber den Franzosen würdig ist:c.," und schildert das Unheil, welches die Wiederkehr Napoleons heraufbeschwören würde. „Ich werde nicht," heißt es gegen den Schluß, „als elenden Überläufer mich von einem Machthaber zum andern schleppen, die Schamlosigkeit mit Sophismen bemänteln und entweihte Worte stammeln, um mir eine schmachvolle Existenz zu erkaufen." Im nächsten Monat ließ er sich vom Kaiser zum Staatsrat machen. Wie Jacques Louis David, der Maler, Schützling Ludwigs XVI., Schreckens¬ mann, Hofmaler Napoleons wurde, ist allbekannt; weniger seine Entschuldigung, als er vor dem Konvent angeklagt war, am 8. Thermidor Robespierre umarmt zu haben: er habe an diesem Tage ein Brechmittel eingenommen gehabt! Unter dem Schlagwort l^eols us äroit as ?g,iis finden wir, daß am 15. März 1815 fünfhundert Studenten ein Freikorps bildeten und sich dem König zur Verfügung stellten, am 22. März aber alle Rechtshörer zur Abfassung einer Adresse an den Kaiser eingeladen wurden. Die Ehre der Schule dürfe nicht durch „einige Fanatiker, Schwächlinge und Feiglinge" kompromittirt werden. Nach der Rückkehr des Königs abermals eine Adresse. Die Mediziner hielten gleichen Schritt mit ihren Kommilitonen von der Jurisprudenz. General Excelmans, wegen seiner Korrespondenz mit Murat vor ein Kriegs¬ gericht gestellt und freigesprochen, verfügte sich, wie das ^ouriM as8 Dsb^s vom 28. Januar 1815 meldet, sofort zum Könige, „um dafür zu danken, daß ihm Gerechtigkeit geworden, und unverbrüchliche Treue zu schwören." Am 23. März bot er Napoleon seine Dienste an. Fabre de lÄude, Senator und — wie unsre Quelle sich ausdrückt, weil er am 4. Juni 1814 vom König, am 4. Juni 1815 von Napoleon zum Pair ernannt wurde — ?air roM-iilixöi'ni, hat in einer Ansprache an Lätitia Bonaparte diese Blasphemie geleistet: „Die Empfängnis, als Sie den großen Napoleon unter Ihrem Herzen trugen, kann sicherlich nur göttliche Eingebung gewesen sein." Nun ein Prachtexemplar! Dem Marquis Fontanes rühmen die Biographen ein geschmeidiges Naturell nach; diese Geschmeidigkeit lernen wir hier genauer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/663>, abgerufen am 28.07.2024.