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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Politische Wetterfahnen.

Wahrzeichen der nun beendigten Revolution verschwinden wird...." Elf Mo¬
nate später läßt er sich folgendermaßen vernehmen: "Soldaten, ihr habt es
vernommen: der Schrei eurer Waffenbrüder ist bis zu euch gedrungen und hat
eure Herzen erbeben gemacht. Der Kaiser befindet sich in seiner Hauptstadt.
Dieser Name, so lauge Zeit die Bürgschaft des Sieges, hat genügt, alle seine
Feinde zu zerstreuen. Einen Augenblick war das Glück ihm untreu. Verleitet
durch die edelste Selbsttäuschung (das Glück des Vaterlandes) hat er geglaubt,
Frankreich das Opfer seines Ruhmes und seiner Krone darbringen zu müssen.
Wir selbst, durch soviel Großherzigkeit irregeführt, schwuren damals, andre
Rechte als die seinigen zu verteidigen. Seine Rechte sind unverjährbar; heute
nimmt er sie in Anspruch; niemals waren sie uns heiliger. Soldaten, während
seiner Abwesenheit suchte" eure Augen vergebens auf euren weißen Fahnen
irgend eine ehrenvolle Erinnerung. Richtet die Blicke auf den Kaiser. Sam¬
meln wir uns unter seinen Adlern. Ja, sie allein führen zur Ehre und zum
Siege. Pflanzen wir denn die Farben der Nation auf." Bekanntlich wurde
Augereau von Ludwig XVIII. noch einmal zu Gnade angenommen, hatte aber
wenigstens soviel Anstandsgefühl, sich in dem Kriegsgericht über Ney für in¬
kompetent zu erklären.

Von dem General Beurnonville, welchem das Mißgeschick begegnete, von
Dumouriez, den er im Auftrage des Konvents verhaften wollte, selbst verhaftet
zu werden, verdient wenigstens ein Zug der Vergessenheit entrissen zu werden.
In seinem Rapport über das Gefecht bei Grevcnmachern (1792) erzählt er,
daß der Verlust des Feindes in dem dreistündigen mörderischen Kampfe Tau¬
sende betragen habe, während die Franzosen nur "den kleinen Finger eines
Chasseurs" eingebüßt hätten; übrigens hatte dieser sich die Verwundung beim
Abfeuern seines Gewehres selbst beigebracht. Diese Gaseognade trug dem Ge¬
neral folgendes artige Quatrain ein:


Hiumä ä'snnswis tuss VN oompts plus as imllv,
Nous lie xsi'tous im'im äoiZt, susor 1s xlas polie.
UM! Nousisur as Lournonvills,
I/g xstit äoiZt "'s, xs,s tout an.

Louis Charrier de la Noche, Priester vor der Revolution, konstitutioneller
Bischof von Rouen, nach dem Konkordat Bischof von Versailles, Großalmosenier
des Kaisers, Baron :c., meldete unmittelbar nach Napoleons Absetzung seine
Anerkennung des Königs mit dem Zusätze: "Ju meiner Kirche ist schon das
vomiv.6 SÄlvuiri tao rgAöiv. I,uäoviov.in gesungen worden." 1815 war er wieder
kaiserlicher Großalmosenier.

Benjamin Constant wird mit zwei Zitaten bedacht, welche für die Mit¬
teilung an dieser Stelle leider zu lang sind. In einer 1799 erschienenen Broschüre
vergleicht er den Grafen von Provence (nachmals Ludwig XVIII.) mit Karl II.


Politische Wetterfahnen.

Wahrzeichen der nun beendigten Revolution verschwinden wird...." Elf Mo¬
nate später läßt er sich folgendermaßen vernehmen: „Soldaten, ihr habt es
vernommen: der Schrei eurer Waffenbrüder ist bis zu euch gedrungen und hat
eure Herzen erbeben gemacht. Der Kaiser befindet sich in seiner Hauptstadt.
Dieser Name, so lauge Zeit die Bürgschaft des Sieges, hat genügt, alle seine
Feinde zu zerstreuen. Einen Augenblick war das Glück ihm untreu. Verleitet
durch die edelste Selbsttäuschung (das Glück des Vaterlandes) hat er geglaubt,
Frankreich das Opfer seines Ruhmes und seiner Krone darbringen zu müssen.
Wir selbst, durch soviel Großherzigkeit irregeführt, schwuren damals, andre
Rechte als die seinigen zu verteidigen. Seine Rechte sind unverjährbar; heute
nimmt er sie in Anspruch; niemals waren sie uns heiliger. Soldaten, während
seiner Abwesenheit suchte« eure Augen vergebens auf euren weißen Fahnen
irgend eine ehrenvolle Erinnerung. Richtet die Blicke auf den Kaiser. Sam¬
meln wir uns unter seinen Adlern. Ja, sie allein führen zur Ehre und zum
Siege. Pflanzen wir denn die Farben der Nation auf." Bekanntlich wurde
Augereau von Ludwig XVIII. noch einmal zu Gnade angenommen, hatte aber
wenigstens soviel Anstandsgefühl, sich in dem Kriegsgericht über Ney für in¬
kompetent zu erklären.

Von dem General Beurnonville, welchem das Mißgeschick begegnete, von
Dumouriez, den er im Auftrage des Konvents verhaften wollte, selbst verhaftet
zu werden, verdient wenigstens ein Zug der Vergessenheit entrissen zu werden.
In seinem Rapport über das Gefecht bei Grevcnmachern (1792) erzählt er,
daß der Verlust des Feindes in dem dreistündigen mörderischen Kampfe Tau¬
sende betragen habe, während die Franzosen nur „den kleinen Finger eines
Chasseurs" eingebüßt hätten; übrigens hatte dieser sich die Verwundung beim
Abfeuern seines Gewehres selbst beigebracht. Diese Gaseognade trug dem Ge¬
neral folgendes artige Quatrain ein:


Hiumä ä'snnswis tuss VN oompts plus as imllv,
Nous lie xsi'tous im'im äoiZt, susor 1s xlas polie.
UM! Nousisur as Lournonvills,
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Louis Charrier de la Noche, Priester vor der Revolution, konstitutioneller
Bischof von Rouen, nach dem Konkordat Bischof von Versailles, Großalmosenier
des Kaisers, Baron :c., meldete unmittelbar nach Napoleons Absetzung seine
Anerkennung des Königs mit dem Zusätze: „Ju meiner Kirche ist schon das
vomiv.6 SÄlvuiri tao rgAöiv. I,uäoviov.in gesungen worden." 1815 war er wieder
kaiserlicher Großalmosenier.

Benjamin Constant wird mit zwei Zitaten bedacht, welche für die Mit¬
teilung an dieser Stelle leider zu lang sind. In einer 1799 erschienenen Broschüre
vergleicht er den Grafen von Provence (nachmals Ludwig XVIII.) mit Karl II.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/662>, abgerufen am 28.07.2024.