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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Lranccsca von Rimini.

und bunte Uniformen, Nun schillert zwar mein Malkittel in den verschiedensten
Farben, sie waren jedoch nicht nach ihrem Geschmack, denn sie zog dem Kittel
eine Husarenattila vor. Fürchten Sie aber nicht, miU'vuöW illustnWlm",, daß
Sie mich trösten müssen, ich habe meinen Schmerz bereits in Farben ausgehaucht
und befinde mich seither wieder wohl.

Euer wohlaffektionirter

Araldo Stolmontagno."

Wie wenig nun auch Francesca in der Stimmung war, die der Schreiber
dieses Briefes voraussetzte, so begrüßte sie doch die Gelegenheit mit Freuden,
die sich ihr bot, durch Stolberg nach ihrem Manne zu forschen und ihn viel¬
leicht wieder zu seiner Pflicht zurückzuführen. Mit wenigen Worten unter¬
richtete sie Stolberg von der Situation, und ihre Nachricht erschütterte den
Maler in so hohem Grade, daß er sofort nach Empfang des Briefes nach
Rimini eilte.

Noch ergriffener aber war er, als er Francesca sprach und aus ihrem
Munde ihre ganze Leidensgeschichte vernahm. Die Schönheit Francescas, die
Ergebenheit, mit der sie ihr schweres Geschick trug, der vornehme Heldenmut,
mit welchem sie ihr Leid selbst dem nächsten Angehörigen verbarg, verfehlten
nicht, auch auf den skeptischen Mann einen tiefen Eindruck zu machen. Er ver¬
sprach ihr, sein Möglichstes aufzubieten, um Oswald aus deu Schlinge" seiner
Circe zu befreien und sein Leben daranzusetzen, um den Treulosen wieder zur
Vernunft zu bringen. Aber freilich, die Versprechungen waren leichter als die
Ausführungen; Stolberg konnte sich aus Italien nicht entfernen; die Akademie
hatte ihm die Verpflichtung auferlegt, ein ganzes Jahr dort zu bleiben und alle
Vierteljahre einen Studieubcricht mit je einer Skizze einzusenden. So blieb
also zunächst nur der Weg schriftlicher Nachforschungen, und auch hier war die
höchste Vorsicht geboten, um nicht in der Heimat vor den Behörden und Kunst¬
genossen den Ruf Oswalds zu schädigen. Harold schrieb also zunächst an den
gemeinschaftlichen Freund Alhöver nach München und wollte noch dessen Antwort
in Rimini erwarten; durch diesen ließ er auch Ermittlungen in Berlin anstellen.
Nach einer Woche kam die Antwort, daß alle Bemühungen fruchtlos gewesen
seien, Francesca schien durch dieses Ergebnis gebrochen, und es bedürfte aller
ihrer Energie, um ihre Rolle dem Marchese gegenüber aufrecht zu erhalten.
Auch Stolberg bemühte sich, ihr so viele Zuversicht zu zeigen, daß Francesca
wieder Hoffnung schöpfte und den neuen Freund getrösteter nach Rom ziehen
ließ, wo er zunächst seinen Sitz aufschlagen wollte.

In der ersten Zeit war der Briefwechsel zwischen ihr und Stolberg ein
sehr lebhafter; der Maler versäumte nicht, von jedem Schritt, den er unter¬
nommen, Francesca Kenntnis zu geben, und diese wiederum setzte in jeden neuen
Plan des erfindungsreichen Freundes neue Hoffnungen, Aber jede derselben


Lranccsca von Rimini.

und bunte Uniformen, Nun schillert zwar mein Malkittel in den verschiedensten
Farben, sie waren jedoch nicht nach ihrem Geschmack, denn sie zog dem Kittel
eine Husarenattila vor. Fürchten Sie aber nicht, miU'vuöW illustnWlm»,, daß
Sie mich trösten müssen, ich habe meinen Schmerz bereits in Farben ausgehaucht
und befinde mich seither wieder wohl.

Euer wohlaffektionirter

Araldo Stolmontagno."

Wie wenig nun auch Francesca in der Stimmung war, die der Schreiber
dieses Briefes voraussetzte, so begrüßte sie doch die Gelegenheit mit Freuden,
die sich ihr bot, durch Stolberg nach ihrem Manne zu forschen und ihn viel¬
leicht wieder zu seiner Pflicht zurückzuführen. Mit wenigen Worten unter¬
richtete sie Stolberg von der Situation, und ihre Nachricht erschütterte den
Maler in so hohem Grade, daß er sofort nach Empfang des Briefes nach
Rimini eilte.

Noch ergriffener aber war er, als er Francesca sprach und aus ihrem
Munde ihre ganze Leidensgeschichte vernahm. Die Schönheit Francescas, die
Ergebenheit, mit der sie ihr schweres Geschick trug, der vornehme Heldenmut,
mit welchem sie ihr Leid selbst dem nächsten Angehörigen verbarg, verfehlten
nicht, auch auf den skeptischen Mann einen tiefen Eindruck zu machen. Er ver¬
sprach ihr, sein Möglichstes aufzubieten, um Oswald aus deu Schlinge» seiner
Circe zu befreien und sein Leben daranzusetzen, um den Treulosen wieder zur
Vernunft zu bringen. Aber freilich, die Versprechungen waren leichter als die
Ausführungen; Stolberg konnte sich aus Italien nicht entfernen; die Akademie
hatte ihm die Verpflichtung auferlegt, ein ganzes Jahr dort zu bleiben und alle
Vierteljahre einen Studieubcricht mit je einer Skizze einzusenden. So blieb
also zunächst nur der Weg schriftlicher Nachforschungen, und auch hier war die
höchste Vorsicht geboten, um nicht in der Heimat vor den Behörden und Kunst¬
genossen den Ruf Oswalds zu schädigen. Harold schrieb also zunächst an den
gemeinschaftlichen Freund Alhöver nach München und wollte noch dessen Antwort
in Rimini erwarten; durch diesen ließ er auch Ermittlungen in Berlin anstellen.
Nach einer Woche kam die Antwort, daß alle Bemühungen fruchtlos gewesen
seien, Francesca schien durch dieses Ergebnis gebrochen, und es bedürfte aller
ihrer Energie, um ihre Rolle dem Marchese gegenüber aufrecht zu erhalten.
Auch Stolberg bemühte sich, ihr so viele Zuversicht zu zeigen, daß Francesca
wieder Hoffnung schöpfte und den neuen Freund getrösteter nach Rom ziehen
ließ, wo er zunächst seinen Sitz aufschlagen wollte.

In der ersten Zeit war der Briefwechsel zwischen ihr und Stolberg ein
sehr lebhafter; der Maler versäumte nicht, von jedem Schritt, den er unter¬
nommen, Francesca Kenntnis zu geben, und diese wiederum setzte in jeden neuen
Plan des erfindungsreichen Freundes neue Hoffnungen, Aber jede derselben


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[0528] Lranccsca von Rimini. und bunte Uniformen, Nun schillert zwar mein Malkittel in den verschiedensten Farben, sie waren jedoch nicht nach ihrem Geschmack, denn sie zog dem Kittel eine Husarenattila vor. Fürchten Sie aber nicht, miU'vuöW illustnWlm»,, daß Sie mich trösten müssen, ich habe meinen Schmerz bereits in Farben ausgehaucht und befinde mich seither wieder wohl. Euer wohlaffektionirter Araldo Stolmontagno." Wie wenig nun auch Francesca in der Stimmung war, die der Schreiber dieses Briefes voraussetzte, so begrüßte sie doch die Gelegenheit mit Freuden, die sich ihr bot, durch Stolberg nach ihrem Manne zu forschen und ihn viel¬ leicht wieder zu seiner Pflicht zurückzuführen. Mit wenigen Worten unter¬ richtete sie Stolberg von der Situation, und ihre Nachricht erschütterte den Maler in so hohem Grade, daß er sofort nach Empfang des Briefes nach Rimini eilte. Noch ergriffener aber war er, als er Francesca sprach und aus ihrem Munde ihre ganze Leidensgeschichte vernahm. Die Schönheit Francescas, die Ergebenheit, mit der sie ihr schweres Geschick trug, der vornehme Heldenmut, mit welchem sie ihr Leid selbst dem nächsten Angehörigen verbarg, verfehlten nicht, auch auf den skeptischen Mann einen tiefen Eindruck zu machen. Er ver¬ sprach ihr, sein Möglichstes aufzubieten, um Oswald aus deu Schlinge» seiner Circe zu befreien und sein Leben daranzusetzen, um den Treulosen wieder zur Vernunft zu bringen. Aber freilich, die Versprechungen waren leichter als die Ausführungen; Stolberg konnte sich aus Italien nicht entfernen; die Akademie hatte ihm die Verpflichtung auferlegt, ein ganzes Jahr dort zu bleiben und alle Vierteljahre einen Studieubcricht mit je einer Skizze einzusenden. So blieb also zunächst nur der Weg schriftlicher Nachforschungen, und auch hier war die höchste Vorsicht geboten, um nicht in der Heimat vor den Behörden und Kunst¬ genossen den Ruf Oswalds zu schädigen. Harold schrieb also zunächst an den gemeinschaftlichen Freund Alhöver nach München und wollte noch dessen Antwort in Rimini erwarten; durch diesen ließ er auch Ermittlungen in Berlin anstellen. Nach einer Woche kam die Antwort, daß alle Bemühungen fruchtlos gewesen seien, Francesca schien durch dieses Ergebnis gebrochen, und es bedürfte aller ihrer Energie, um ihre Rolle dem Marchese gegenüber aufrecht zu erhalten. Auch Stolberg bemühte sich, ihr so viele Zuversicht zu zeigen, daß Francesca wieder Hoffnung schöpfte und den neuen Freund getrösteter nach Rom ziehen ließ, wo er zunächst seinen Sitz aufschlagen wollte. In der ersten Zeit war der Briefwechsel zwischen ihr und Stolberg ein sehr lebhafter; der Maler versäumte nicht, von jedem Schritt, den er unter¬ nommen, Francesca Kenntnis zu geben, und diese wiederum setzte in jeden neuen Plan des erfindungsreichen Freundes neue Hoffnungen, Aber jede derselben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/528>, abgerufen am 27.07.2024.