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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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genannten Werke die znerst eintreffenden aktiven Truppenteile zu verwenden,
statt sie den Aufmarsch decken zu lassen, und das sei eine strategische Ungeheuer¬
lichkeit.

"Aber unsre Festungen und Forts werden ihnen die Straßen sperren,"
sagt mau französischcrseits, "und ihnen den Einbruch verwehren." In der That
schauen auf alle Straßen und Eisenbahnen im Osten Frankreichs von Geschütz¬
bänken Fenerschlttnde herab. Dreifache, ungefähr parallele Festungslinien ziehen
sich an den Eisenbahnen hin, jede bedeutende Straße, die ans den gleichstanden
nach Frankreich führt, ist unweit der Grenze durch Befestigungsanlagen gesperrt,
die mit allen Widerstnndsmitteln, welche die moderne Technik bietet, ausgestattet
und schon im Frieden armirt sind. Abgesehen von der erwähnten großen Bresche
zwischen Epinal und Pont Se. Vincent liegen die Sperrforts höchstens zwei
Meilen auseinander; schwächere Kräfte können also durchstoßen, größere Massen
schon des Terrains wegen nicht. "Die Werke hindern also den Einmarsch des
Gegners," fährt unsre Schrift fort, "haben aber auch das Resultat, daß der Ver¬
teidiger seine Kräfte zersplittert und leicht in Versuchung kommt, sich in seinen
Bewegungen und Maßnahmen durch dieselben binden zu lassen. Ferner sind die
Forts nicht uneinnehmbar, sie sind nicht wie die oetachirten Forts einer Festung
zu betrachten, da gegenseitige Unterstützung ausgeschlossen ist. Gewaltsamer
Angriff oder völlige Umfassung und Beschießung aus schon im Frieden bereit
zu stellenden schweren Kalibern dürften sie zu Falle bringen. Die vorgeschobenen
Posten Etat", Frouard und Marainvillier würden wahrscheinlich schon vor Be¬
ginn der Offensive der Hanptkräftc genommen sein." Auch ein Durchstoßen
durch die oben bezeichnete große Bresche hält der Verfasser für möglich. "Einer
auf Straßburg und Metz basirten Offensive in dieser Richtung würden zwei
große Straßeuzüge und eine genügende Anzahl von Parallelwegen zu Gebote
stehen, Mosel und Mabon als einzige Flnßhindernisse von Bedeutung entgegen¬
treten. Jene denken die Franzosen allerdings leicht zu sperren, wenn man aber
die Zersplitterung der Kräfte, von der wir oben sprachen, betrachtet, so dürfte
die Erzwingung der Moselpassage, zumal da die Flußlinie nicht schwer zu über¬
winden ist, nicht zu den Unmöglichkeiten gerechnet werden.

Die Zahl allein entscheidet für die Kriegsbereitschaft nicht. Andre Faktoren
wirken als mächtige Hebel zum Erfolge mit. Zunächst die Führung. Das fran¬
zösische Heer hat keine Spitze, zu der jeder Mann desselben begeistert aufblickt. Der
Präsident, von einer bloßen Majorität erhoben und nichts weniger als Soldat,
kann nicht als Kriegsherr betrachtet werden. Der Kriegsminister auch nicht;
bewies doch Thibaudins Erlaß die Berücksichtigung der Befürwortungen von
Deputirten für Mannschaften ihres Wahlbezirkes betreffend, daß er politischen
Parteien die Einmischung in Armeeangelegcnhcitcn nicht zu verwehren wagte,
und mit seinen Vorgängern stand es ähnlich. Und die Obergenerale? Wer
nicht gerade zum Feldherrn geboren ist, kann sich immerhin durch lange Praxis


genannten Werke die znerst eintreffenden aktiven Truppenteile zu verwenden,
statt sie den Aufmarsch decken zu lassen, und das sei eine strategische Ungeheuer¬
lichkeit.

„Aber unsre Festungen und Forts werden ihnen die Straßen sperren,"
sagt mau französischcrseits, „und ihnen den Einbruch verwehren." In der That
schauen auf alle Straßen und Eisenbahnen im Osten Frankreichs von Geschütz¬
bänken Fenerschlttnde herab. Dreifache, ungefähr parallele Festungslinien ziehen
sich an den Eisenbahnen hin, jede bedeutende Straße, die ans den gleichstanden
nach Frankreich führt, ist unweit der Grenze durch Befestigungsanlagen gesperrt,
die mit allen Widerstnndsmitteln, welche die moderne Technik bietet, ausgestattet
und schon im Frieden armirt sind. Abgesehen von der erwähnten großen Bresche
zwischen Epinal und Pont Se. Vincent liegen die Sperrforts höchstens zwei
Meilen auseinander; schwächere Kräfte können also durchstoßen, größere Massen
schon des Terrains wegen nicht. „Die Werke hindern also den Einmarsch des
Gegners," fährt unsre Schrift fort, „haben aber auch das Resultat, daß der Ver¬
teidiger seine Kräfte zersplittert und leicht in Versuchung kommt, sich in seinen
Bewegungen und Maßnahmen durch dieselben binden zu lassen. Ferner sind die
Forts nicht uneinnehmbar, sie sind nicht wie die oetachirten Forts einer Festung
zu betrachten, da gegenseitige Unterstützung ausgeschlossen ist. Gewaltsamer
Angriff oder völlige Umfassung und Beschießung aus schon im Frieden bereit
zu stellenden schweren Kalibern dürften sie zu Falle bringen. Die vorgeschobenen
Posten Etat», Frouard und Marainvillier würden wahrscheinlich schon vor Be¬
ginn der Offensive der Hanptkräftc genommen sein." Auch ein Durchstoßen
durch die oben bezeichnete große Bresche hält der Verfasser für möglich. „Einer
auf Straßburg und Metz basirten Offensive in dieser Richtung würden zwei
große Straßeuzüge und eine genügende Anzahl von Parallelwegen zu Gebote
stehen, Mosel und Mabon als einzige Flnßhindernisse von Bedeutung entgegen¬
treten. Jene denken die Franzosen allerdings leicht zu sperren, wenn man aber
die Zersplitterung der Kräfte, von der wir oben sprachen, betrachtet, so dürfte
die Erzwingung der Moselpassage, zumal da die Flußlinie nicht schwer zu über¬
winden ist, nicht zu den Unmöglichkeiten gerechnet werden.

Die Zahl allein entscheidet für die Kriegsbereitschaft nicht. Andre Faktoren
wirken als mächtige Hebel zum Erfolge mit. Zunächst die Führung. Das fran¬
zösische Heer hat keine Spitze, zu der jeder Mann desselben begeistert aufblickt. Der
Präsident, von einer bloßen Majorität erhoben und nichts weniger als Soldat,
kann nicht als Kriegsherr betrachtet werden. Der Kriegsminister auch nicht;
bewies doch Thibaudins Erlaß die Berücksichtigung der Befürwortungen von
Deputirten für Mannschaften ihres Wahlbezirkes betreffend, daß er politischen
Parteien die Einmischung in Armeeangelegcnhcitcn nicht zu verwehren wagte,
und mit seinen Vorgängern stand es ähnlich. Und die Obergenerale? Wer
nicht gerade zum Feldherrn geboren ist, kann sich immerhin durch lange Praxis


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/391>, abgerufen am 27.07.2024.