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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Francesca von Rimini.

Nachrichten von Don Baldassare, der mir dies in einer schweren Stunde er¬
zählte -- entspann sich bald eine so große Freundschaft, als ob es beide
Schwestern wärm, Donna Felice erreichte nur ein Alter von fünfzehn Jahren;
von Geburt zart, siechte sie an einem Fieberleiden dahin, wie es damals in
hiesiger Gegend nicht selten war, da die Steuern nur dazu bestimmt waren,
um den purpurnen Herren einen guten Tag zu machen. O Herr, das war Euch
ein Hundeleben unter den verfluchten Papalini!

Donna Felice?

Also Donna Felice hatte in den letzten Tagen ihres irdischen Daseins und
im Vorgefühl ihres bevorstehenden Todes ihre Mutter beschworen, auch nach
ihrem Tode Francesca als eignes Kind im Hause zu behalten, und die Mar-
chesa hatte das der Sterbenden gegebene Versprechen getreulich erfüllt. Das
war so etwa ein Jahr, bevor die Söhne das väterliche Haus verließen, und
damals hatte mau noch nicht daran gedacht, daß nach kaum zweier Jahre Frist
ein blutiger Tanz auf dieser unglücklichen Halbinsel losbrechen sollte. Doch ich
erzähle Euch davou ein andermal.

Gewiß, Signor Rcbecchini, jetzt wolltet Ihr von Francesca sprechen.

Ja, diese hatte ans Don Baldassare einen tiefen Eindruck gemacht. Trotz
ihres noch kindlichen Alters war das Mädchen zur vollen Jungfrau hercm-
gcblüht, welche für die zärtlichen Gefühle des ritterlichen Maraschino Verständnis
und Empfindung hatte. Ihr hatte er seine glühende Vaterlandsliebe und seinen
Entschluß, zur Befreiung vom Joch der Knechtschaft in Piemont Dienste zu
"ebenen, anvertraut, gleichzeitig aber auch das Geständnis seiner Liebe gemacht
und ihr das Versprechen abgenommen, seine Rückkehr nach Rimini abzuwarten,
wo er sie alsdann von seinen Eltern zu seiner Gemahlin fordern wollte.

Don Baldassare war, um seinen Vater nicht der päpstlichen Negierung
gegenüber bloßzustellen, unter fremdem Namen in das Heer Karl Alberts ein¬
getreten. Aber man hatte doch Verdacht geschöpft, und alle Briefe, die an den
Marchese kamen oder die dieser schrieb, wanderten zuerst in das Kabinet der
Eminenz, die sich nicht einmal Mühe gab, den Bruch der Briefe zu verheim¬
lichen. Ja Herr, es war eine verfluchte Zeit, und Ihr, der Ihr schon seit
Jahrhunderten unter Gesetz und Recht lebt, könnt Euch keine Vorstellung machen,
wie tief es erbittert, wenn selbst die größte Gewaltthätigkeit schamlos in die
Öffentlichkeit tritt. Und was bloß die schwarzen Röcke mit den Töchtern und
Frauen --

Aber Don Baldassare, wie war es mit diesem?

Nun, die Eltern hatten das Ende des unglücklichen Feldzugs nicht mehr
erlebt, und das war gut für sie. Die Marchesa hatte sich seit dem Tode ihrer
Tochter nicht mehr erholt und starb zu Anfang des Jahres 1848, und ihr
Gatte war ihr kurze Zeit darauf nachgefolgt. Von einem Testament hat man
nichts erfahren, und es wird vermutet, daß dabei wohl auch der lange Arm


Francesca von Rimini.

Nachrichten von Don Baldassare, der mir dies in einer schweren Stunde er¬
zählte — entspann sich bald eine so große Freundschaft, als ob es beide
Schwestern wärm, Donna Felice erreichte nur ein Alter von fünfzehn Jahren;
von Geburt zart, siechte sie an einem Fieberleiden dahin, wie es damals in
hiesiger Gegend nicht selten war, da die Steuern nur dazu bestimmt waren,
um den purpurnen Herren einen guten Tag zu machen. O Herr, das war Euch
ein Hundeleben unter den verfluchten Papalini!

Donna Felice?

Also Donna Felice hatte in den letzten Tagen ihres irdischen Daseins und
im Vorgefühl ihres bevorstehenden Todes ihre Mutter beschworen, auch nach
ihrem Tode Francesca als eignes Kind im Hause zu behalten, und die Mar-
chesa hatte das der Sterbenden gegebene Versprechen getreulich erfüllt. Das
war so etwa ein Jahr, bevor die Söhne das väterliche Haus verließen, und
damals hatte mau noch nicht daran gedacht, daß nach kaum zweier Jahre Frist
ein blutiger Tanz auf dieser unglücklichen Halbinsel losbrechen sollte. Doch ich
erzähle Euch davou ein andermal.

Gewiß, Signor Rcbecchini, jetzt wolltet Ihr von Francesca sprechen.

Ja, diese hatte ans Don Baldassare einen tiefen Eindruck gemacht. Trotz
ihres noch kindlichen Alters war das Mädchen zur vollen Jungfrau hercm-
gcblüht, welche für die zärtlichen Gefühle des ritterlichen Maraschino Verständnis
und Empfindung hatte. Ihr hatte er seine glühende Vaterlandsliebe und seinen
Entschluß, zur Befreiung vom Joch der Knechtschaft in Piemont Dienste zu
»ebenen, anvertraut, gleichzeitig aber auch das Geständnis seiner Liebe gemacht
und ihr das Versprechen abgenommen, seine Rückkehr nach Rimini abzuwarten,
wo er sie alsdann von seinen Eltern zu seiner Gemahlin fordern wollte.

Don Baldassare war, um seinen Vater nicht der päpstlichen Negierung
gegenüber bloßzustellen, unter fremdem Namen in das Heer Karl Alberts ein¬
getreten. Aber man hatte doch Verdacht geschöpft, und alle Briefe, die an den
Marchese kamen oder die dieser schrieb, wanderten zuerst in das Kabinet der
Eminenz, die sich nicht einmal Mühe gab, den Bruch der Briefe zu verheim¬
lichen. Ja Herr, es war eine verfluchte Zeit, und Ihr, der Ihr schon seit
Jahrhunderten unter Gesetz und Recht lebt, könnt Euch keine Vorstellung machen,
wie tief es erbittert, wenn selbst die größte Gewaltthätigkeit schamlos in die
Öffentlichkeit tritt. Und was bloß die schwarzen Röcke mit den Töchtern und
Frauen —

Aber Don Baldassare, wie war es mit diesem?

Nun, die Eltern hatten das Ende des unglücklichen Feldzugs nicht mehr
erlebt, und das war gut für sie. Die Marchesa hatte sich seit dem Tode ihrer
Tochter nicht mehr erholt und starb zu Anfang des Jahres 1848, und ihr
Gatte war ihr kurze Zeit darauf nachgefolgt. Von einem Testament hat man
nichts erfahren, und es wird vermutet, daß dabei wohl auch der lange Arm


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[0383] Francesca von Rimini. Nachrichten von Don Baldassare, der mir dies in einer schweren Stunde er¬ zählte — entspann sich bald eine so große Freundschaft, als ob es beide Schwestern wärm, Donna Felice erreichte nur ein Alter von fünfzehn Jahren; von Geburt zart, siechte sie an einem Fieberleiden dahin, wie es damals in hiesiger Gegend nicht selten war, da die Steuern nur dazu bestimmt waren, um den purpurnen Herren einen guten Tag zu machen. O Herr, das war Euch ein Hundeleben unter den verfluchten Papalini! Donna Felice? Also Donna Felice hatte in den letzten Tagen ihres irdischen Daseins und im Vorgefühl ihres bevorstehenden Todes ihre Mutter beschworen, auch nach ihrem Tode Francesca als eignes Kind im Hause zu behalten, und die Mar- chesa hatte das der Sterbenden gegebene Versprechen getreulich erfüllt. Das war so etwa ein Jahr, bevor die Söhne das väterliche Haus verließen, und damals hatte mau noch nicht daran gedacht, daß nach kaum zweier Jahre Frist ein blutiger Tanz auf dieser unglücklichen Halbinsel losbrechen sollte. Doch ich erzähle Euch davou ein andermal. Gewiß, Signor Rcbecchini, jetzt wolltet Ihr von Francesca sprechen. Ja, diese hatte ans Don Baldassare einen tiefen Eindruck gemacht. Trotz ihres noch kindlichen Alters war das Mädchen zur vollen Jungfrau hercm- gcblüht, welche für die zärtlichen Gefühle des ritterlichen Maraschino Verständnis und Empfindung hatte. Ihr hatte er seine glühende Vaterlandsliebe und seinen Entschluß, zur Befreiung vom Joch der Knechtschaft in Piemont Dienste zu »ebenen, anvertraut, gleichzeitig aber auch das Geständnis seiner Liebe gemacht und ihr das Versprechen abgenommen, seine Rückkehr nach Rimini abzuwarten, wo er sie alsdann von seinen Eltern zu seiner Gemahlin fordern wollte. Don Baldassare war, um seinen Vater nicht der päpstlichen Negierung gegenüber bloßzustellen, unter fremdem Namen in das Heer Karl Alberts ein¬ getreten. Aber man hatte doch Verdacht geschöpft, und alle Briefe, die an den Marchese kamen oder die dieser schrieb, wanderten zuerst in das Kabinet der Eminenz, die sich nicht einmal Mühe gab, den Bruch der Briefe zu verheim¬ lichen. Ja Herr, es war eine verfluchte Zeit, und Ihr, der Ihr schon seit Jahrhunderten unter Gesetz und Recht lebt, könnt Euch keine Vorstellung machen, wie tief es erbittert, wenn selbst die größte Gewaltthätigkeit schamlos in die Öffentlichkeit tritt. Und was bloß die schwarzen Röcke mit den Töchtern und Frauen — Aber Don Baldassare, wie war es mit diesem? Nun, die Eltern hatten das Ende des unglücklichen Feldzugs nicht mehr erlebt, und das war gut für sie. Die Marchesa hatte sich seit dem Tode ihrer Tochter nicht mehr erholt und starb zu Anfang des Jahres 1848, und ihr Gatte war ihr kurze Zeit darauf nachgefolgt. Von einem Testament hat man nichts erfahren, und es wird vermutet, daß dabei wohl auch der lange Arm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/383>, abgerufen am 01.09.2024.