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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Lin Reichsmonoxol auf Getreide-Einfuhr.

messen hat. Ist der Zoll hoch genug bemessen, so wird der deutsche Landwirt
in der Lage sein, seine Produkte mit Nutzen abzusetzen, ehe die Preise eine
Höhe erreicht haben, bei welcher sich das ausländische Getreide auf den Markt
wagen darf. Hält er aus falscher Berechnung zu lange zurück und wartet,
bis ihm die Konkurrenz auf den Hals kommt, so ist das seine Sache; er wird
die Schuld an etwaigem Schaden sich selbst zuzuschreiben haben.

Soweit also könnte eine Zollerhöhung von wesentlichem Vorteil sein. Nun
ist aber nur zu befürchten, daß die Importeure, wenn sie ihre Zeit gekommen
glauben, sich über Bedarf mit Vorräten versehen werden, und daß sie häufig
große Bestände, sür die kein Absatz zu finden ist, in das folgende Jahr mit
hinübernehmen werden, zu ihrem eignen Nachteil zwar, aber auch zum Nachteil
der inländischen Produzenten. Nicht minder ist es möglich, daß das Ausland,
wenn es großen Überfluß besitzt, billigere Preise stellen wird, um sich den
deutscheu Markt zu erhalten, wodurch dann die Wirkungen des Zolls wenigstens
teilweise aufgehoben werdeu würden. Endlich ist es wohl denkbar, daß der in¬
ländische Konsument, in Erwartung des Eintritts derartiger Verhältnisse, seine
Einkäufe so lange als möglich verschieben wird, was die Wirkung haben könnte,
daß es bis tief in den Winter hinein dauert, ehe Leben in das Getreidegeschäft
hineinkommt.*)

Es sind dies Schattenseiten des Getreidezolles, welchen nur dann wirksam
begegnet werden könnte, wenn der Zoll in solcher Höhe festgesetzt würde, daß
er einem Einfuhrverbot gleichkäme. Ein solches Radikalmittel wird aber niemand
befürworten wollen, einfach schon deshalb nicht, weil die inländische Produktion
zur Zeit nicht hinreicht, den Bedarf zu decken. Aber selbst dann würde das
Mittel als verwerflich zu betrachten sein, wenn die inländische Produktion sich
rasch so weit heben würde, daß diese Rücksicht wegfiele. Denn man muß ja
immer auf Mißernten gefaßt sein, die eine mehr oder minder große Einfuhr
selbst da nötig machen könnten, wo in normalen Jahren die Produktion die
Konsumtion weit überragt.

Viel besser könnte die Hebung der heimischen Getreidcproduktion und mög¬
licherweise die Forderung derselben bis zur Fähigkeit der Lieferung des gesamten
Bedarfs bewerkstelligt werden durch ein andres Schutzmittel, das je nach den
augenblicklichen Verhältnissen mehr oder minder stark eingreifend, seine Wir¬
kungen bald zu Gunsten der Produzenten, bald zu Gunsten der Konsumenten
äußern könnte. Dies Mittel wäre ein Reichsmonopol auf die Getreide¬
einfuhr.

Vielleicht wird es gut sein, hier nochmals zu wiederholen, was wir schon
eingangs sagten: daß die Nachteile, die dem Jmporthcmdel aus den Maßregeln



*) Dieser letztere Umstand fällt namentlich für die südwestdeutschen kleinbäuerlichen Ver¬
hältnisse schwer ius Gewicht, da der Kleinbauer tausend Gründe hat, vor Eintritt des Winters
sich Geld ins Haus zu wünschen.
Lin Reichsmonoxol auf Getreide-Einfuhr.

messen hat. Ist der Zoll hoch genug bemessen, so wird der deutsche Landwirt
in der Lage sein, seine Produkte mit Nutzen abzusetzen, ehe die Preise eine
Höhe erreicht haben, bei welcher sich das ausländische Getreide auf den Markt
wagen darf. Hält er aus falscher Berechnung zu lange zurück und wartet,
bis ihm die Konkurrenz auf den Hals kommt, so ist das seine Sache; er wird
die Schuld an etwaigem Schaden sich selbst zuzuschreiben haben.

Soweit also könnte eine Zollerhöhung von wesentlichem Vorteil sein. Nun
ist aber nur zu befürchten, daß die Importeure, wenn sie ihre Zeit gekommen
glauben, sich über Bedarf mit Vorräten versehen werden, und daß sie häufig
große Bestände, sür die kein Absatz zu finden ist, in das folgende Jahr mit
hinübernehmen werden, zu ihrem eignen Nachteil zwar, aber auch zum Nachteil
der inländischen Produzenten. Nicht minder ist es möglich, daß das Ausland,
wenn es großen Überfluß besitzt, billigere Preise stellen wird, um sich den
deutscheu Markt zu erhalten, wodurch dann die Wirkungen des Zolls wenigstens
teilweise aufgehoben werdeu würden. Endlich ist es wohl denkbar, daß der in¬
ländische Konsument, in Erwartung des Eintritts derartiger Verhältnisse, seine
Einkäufe so lange als möglich verschieben wird, was die Wirkung haben könnte,
daß es bis tief in den Winter hinein dauert, ehe Leben in das Getreidegeschäft
hineinkommt.*)

Es sind dies Schattenseiten des Getreidezolles, welchen nur dann wirksam
begegnet werden könnte, wenn der Zoll in solcher Höhe festgesetzt würde, daß
er einem Einfuhrverbot gleichkäme. Ein solches Radikalmittel wird aber niemand
befürworten wollen, einfach schon deshalb nicht, weil die inländische Produktion
zur Zeit nicht hinreicht, den Bedarf zu decken. Aber selbst dann würde das
Mittel als verwerflich zu betrachten sein, wenn die inländische Produktion sich
rasch so weit heben würde, daß diese Rücksicht wegfiele. Denn man muß ja
immer auf Mißernten gefaßt sein, die eine mehr oder minder große Einfuhr
selbst da nötig machen könnten, wo in normalen Jahren die Produktion die
Konsumtion weit überragt.

Viel besser könnte die Hebung der heimischen Getreidcproduktion und mög¬
licherweise die Forderung derselben bis zur Fähigkeit der Lieferung des gesamten
Bedarfs bewerkstelligt werden durch ein andres Schutzmittel, das je nach den
augenblicklichen Verhältnissen mehr oder minder stark eingreifend, seine Wir¬
kungen bald zu Gunsten der Produzenten, bald zu Gunsten der Konsumenten
äußern könnte. Dies Mittel wäre ein Reichsmonopol auf die Getreide¬
einfuhr.

Vielleicht wird es gut sein, hier nochmals zu wiederholen, was wir schon
eingangs sagten: daß die Nachteile, die dem Jmporthcmdel aus den Maßregeln



*) Dieser letztere Umstand fällt namentlich für die südwestdeutschen kleinbäuerlichen Ver¬
hältnisse schwer ius Gewicht, da der Kleinbauer tausend Gründe hat, vor Eintritt des Winters
sich Geld ins Haus zu wünschen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/240>, abgerufen am 01.09.2024.