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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Die Publikationen der Berliner Museen,

studirt und genossen werden können. Wer die kahlen, frostigen Louvresäle und
die ungemütlichen Räume der Münchener Pinakothek kennt, wird die in jeder
Beziehung anheimelnde Einrichtung der Berliner Galerie zu würdigen wissen.

Mit Spezialkatalogen ist aber mehr den Männern der Wissenschaft, den
Liebhabern und denjenigen, die Spezialstudien treibe", gedient, als den Bedürf¬
nissen des großen Publikums, und für diese letzteren mußte durch die Veröffent¬
lichung eines allgemeinverständlichen Führers durch sämtliche Abteilungen der
königlichen Museen gesorgt werden. Das war eine der Hauptsorgen des neuen
Generaldirektors. Bisher war auf dem Platze vor den Museen der Verkauf
von solchen populären Katalogen der Privatspekulation überlassen gewesen, und
daraus hatten sich Unzuträglichkeiten ergeben, deren Beseitigung dringend not¬
wendig war. Der neue offizielle Führer wurde in den einzelnen Abteilungen
so rüstig gefördert, daß dem erlauchten Protektor der Museen, dem Kronprinzen,
das erste Exemplar desselben bereits am Tage des funfzigjährigen Jubiläums
der Anstalt, am 3. August 1880, nebst der eigentliche" Jubiläumsschrift, einer
ausführlichen Geschichte der Museen, überreicht werden konnte. Seitdem hat
dieser von der Generalverwaltung herausgegebene Führer, welcher alle sieben
Abteilungen des Museums umfaßt, bereits die vierte Auflage erlebt. Diese
sieben Abteilungen bestehen aus der Sammlung der Skulpturen und Gipsab¬
güsse, dem Münzkabinet, der Gemäldegalerie, der ägyptischen Sammlung, der
ethnologischen und der Sammlung heimischer und nordischer Altertümer, dein Anti-
quarium und dem Kupferstichkabinet. Die sogenannte Kunstkammer, welche teils
Objekte der Kunstindustrie, teils historische Denkmäler für die Geschichte des
Hauses Hohenzollern enthielt, war schon vor der Reorganisation der Museen
von diesen abgetrennt worden. Die kunstindustriellen Gegenstände waren in das
neue Kunstgewerbemuseum, die historischen in das Hohenzollernmuseum über¬
gegangen. Noch jetzt verbleibt den Museen in der ethnologischen Sammlung
und der Abteilung nordischer und heimischer Altertümer ein heterogener Be¬
standteil. Aber auch dieser wird demnächst ausgeschieden werden, da die Über¬
führung desselben in den Neubau des ethnologischen Museums bevorsteht. Da
inzwischen auch bie Beseitigung des Packhofes von der Museumsinsel durch¬
gesetzt worden ist und die Vorarbeiten zu einer vollständigen Bebauung derselben
für Knnstzwecke bereits begonnen haben, so ist das Projekt Friedrich Wilhelms IV.,
welcher die Museumsinsel gewissermaßen als ein der Kunst geheiligtes Asyl
betrachtet sehen wollte, der Verwirklichung nicht mehr fern.

Den letzten und entscheidenden Anstoß zu diesem Vorgehen gab die Auf¬
findung und Erwerbung der pergamenischen Skulpturen und die außerordentliche
Erweiterung der Sammlung der Gipsabgüsse. Die Abteilung der antiken Skulp¬
turen war, abgesehen von einer ziemlich reichhaltigen Sammlung von römischen
Kaiserbüsten, bisher nur von geringer Bedeutung gewesen, und da die Aussicht
auf eine Hebung derselben nicht groß war, so ließ sich Friedrich Wilhelm IV.


Die Publikationen der Berliner Museen,

studirt und genossen werden können. Wer die kahlen, frostigen Louvresäle und
die ungemütlichen Räume der Münchener Pinakothek kennt, wird die in jeder
Beziehung anheimelnde Einrichtung der Berliner Galerie zu würdigen wissen.

Mit Spezialkatalogen ist aber mehr den Männern der Wissenschaft, den
Liebhabern und denjenigen, die Spezialstudien treibe», gedient, als den Bedürf¬
nissen des großen Publikums, und für diese letzteren mußte durch die Veröffent¬
lichung eines allgemeinverständlichen Führers durch sämtliche Abteilungen der
königlichen Museen gesorgt werden. Das war eine der Hauptsorgen des neuen
Generaldirektors. Bisher war auf dem Platze vor den Museen der Verkauf
von solchen populären Katalogen der Privatspekulation überlassen gewesen, und
daraus hatten sich Unzuträglichkeiten ergeben, deren Beseitigung dringend not¬
wendig war. Der neue offizielle Führer wurde in den einzelnen Abteilungen
so rüstig gefördert, daß dem erlauchten Protektor der Museen, dem Kronprinzen,
das erste Exemplar desselben bereits am Tage des funfzigjährigen Jubiläums
der Anstalt, am 3. August 1880, nebst der eigentliche» Jubiläumsschrift, einer
ausführlichen Geschichte der Museen, überreicht werden konnte. Seitdem hat
dieser von der Generalverwaltung herausgegebene Führer, welcher alle sieben
Abteilungen des Museums umfaßt, bereits die vierte Auflage erlebt. Diese
sieben Abteilungen bestehen aus der Sammlung der Skulpturen und Gipsab¬
güsse, dem Münzkabinet, der Gemäldegalerie, der ägyptischen Sammlung, der
ethnologischen und der Sammlung heimischer und nordischer Altertümer, dein Anti-
quarium und dem Kupferstichkabinet. Die sogenannte Kunstkammer, welche teils
Objekte der Kunstindustrie, teils historische Denkmäler für die Geschichte des
Hauses Hohenzollern enthielt, war schon vor der Reorganisation der Museen
von diesen abgetrennt worden. Die kunstindustriellen Gegenstände waren in das
neue Kunstgewerbemuseum, die historischen in das Hohenzollernmuseum über¬
gegangen. Noch jetzt verbleibt den Museen in der ethnologischen Sammlung
und der Abteilung nordischer und heimischer Altertümer ein heterogener Be¬
standteil. Aber auch dieser wird demnächst ausgeschieden werden, da die Über¬
führung desselben in den Neubau des ethnologischen Museums bevorsteht. Da
inzwischen auch bie Beseitigung des Packhofes von der Museumsinsel durch¬
gesetzt worden ist und die Vorarbeiten zu einer vollständigen Bebauung derselben
für Knnstzwecke bereits begonnen haben, so ist das Projekt Friedrich Wilhelms IV.,
welcher die Museumsinsel gewissermaßen als ein der Kunst geheiligtes Asyl
betrachtet sehen wollte, der Verwirklichung nicht mehr fern.

Den letzten und entscheidenden Anstoß zu diesem Vorgehen gab die Auf¬
findung und Erwerbung der pergamenischen Skulpturen und die außerordentliche
Erweiterung der Sammlung der Gipsabgüsse. Die Abteilung der antiken Skulp¬
turen war, abgesehen von einer ziemlich reichhaltigen Sammlung von römischen
Kaiserbüsten, bisher nur von geringer Bedeutung gewesen, und da die Aussicht
auf eine Hebung derselben nicht groß war, so ließ sich Friedrich Wilhelm IV.


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[0210] Die Publikationen der Berliner Museen, studirt und genossen werden können. Wer die kahlen, frostigen Louvresäle und die ungemütlichen Räume der Münchener Pinakothek kennt, wird die in jeder Beziehung anheimelnde Einrichtung der Berliner Galerie zu würdigen wissen. Mit Spezialkatalogen ist aber mehr den Männern der Wissenschaft, den Liebhabern und denjenigen, die Spezialstudien treibe», gedient, als den Bedürf¬ nissen des großen Publikums, und für diese letzteren mußte durch die Veröffent¬ lichung eines allgemeinverständlichen Führers durch sämtliche Abteilungen der königlichen Museen gesorgt werden. Das war eine der Hauptsorgen des neuen Generaldirektors. Bisher war auf dem Platze vor den Museen der Verkauf von solchen populären Katalogen der Privatspekulation überlassen gewesen, und daraus hatten sich Unzuträglichkeiten ergeben, deren Beseitigung dringend not¬ wendig war. Der neue offizielle Führer wurde in den einzelnen Abteilungen so rüstig gefördert, daß dem erlauchten Protektor der Museen, dem Kronprinzen, das erste Exemplar desselben bereits am Tage des funfzigjährigen Jubiläums der Anstalt, am 3. August 1880, nebst der eigentliche» Jubiläumsschrift, einer ausführlichen Geschichte der Museen, überreicht werden konnte. Seitdem hat dieser von der Generalverwaltung herausgegebene Führer, welcher alle sieben Abteilungen des Museums umfaßt, bereits die vierte Auflage erlebt. Diese sieben Abteilungen bestehen aus der Sammlung der Skulpturen und Gipsab¬ güsse, dem Münzkabinet, der Gemäldegalerie, der ägyptischen Sammlung, der ethnologischen und der Sammlung heimischer und nordischer Altertümer, dein Anti- quarium und dem Kupferstichkabinet. Die sogenannte Kunstkammer, welche teils Objekte der Kunstindustrie, teils historische Denkmäler für die Geschichte des Hauses Hohenzollern enthielt, war schon vor der Reorganisation der Museen von diesen abgetrennt worden. Die kunstindustriellen Gegenstände waren in das neue Kunstgewerbemuseum, die historischen in das Hohenzollernmuseum über¬ gegangen. Noch jetzt verbleibt den Museen in der ethnologischen Sammlung und der Abteilung nordischer und heimischer Altertümer ein heterogener Be¬ standteil. Aber auch dieser wird demnächst ausgeschieden werden, da die Über¬ führung desselben in den Neubau des ethnologischen Museums bevorsteht. Da inzwischen auch bie Beseitigung des Packhofes von der Museumsinsel durch¬ gesetzt worden ist und die Vorarbeiten zu einer vollständigen Bebauung derselben für Knnstzwecke bereits begonnen haben, so ist das Projekt Friedrich Wilhelms IV., welcher die Museumsinsel gewissermaßen als ein der Kunst geheiligtes Asyl betrachtet sehen wollte, der Verwirklichung nicht mehr fern. Den letzten und entscheidenden Anstoß zu diesem Vorgehen gab die Auf¬ findung und Erwerbung der pergamenischen Skulpturen und die außerordentliche Erweiterung der Sammlung der Gipsabgüsse. Die Abteilung der antiken Skulp¬ turen war, abgesehen von einer ziemlich reichhaltigen Sammlung von römischen Kaiserbüsten, bisher nur von geringer Bedeutung gewesen, und da die Aussicht auf eine Hebung derselben nicht groß war, so ließ sich Friedrich Wilhelm IV.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/210>, abgerufen am 27.07.2024.