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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Zur Vereinfachung des gegenwärtigen Strafvollzuges.

Im großen und ganzen glauben wir also nicht zu irren, wenn wir die
täglichen Verpflegungskosten eines Gefangenen, sei er nun Züchtling, Ge¬
fangener, Haft- oder Untersuchungsgefangener, im mittleren Durchschnitt auf
eine Mark berechnen.

Das sind aber sozusagen nur die direkten Unkosten, die ein Gefangener
verursacht; die indirekten, welche noch hinzukommen, gestalten unser Rechenexempel
noch viel unvorteilhafter. Zu diesen indirekten Kosten rechnen wir die Gehalte
der Beamten, die Aufwendungen für Neu- und Umbauten und andre notwendige
Ausgaben, die in keinem direkten Verhältnis zu den Gefangenen stehen, z. V.
die Kosten der Oberaufsichtsbchörden u. dergl.

Die Gehalte der Strafanstaltsbeamten sind an sich durchaus nicht hoch
und verdienen höchstens die Bezeichnung "auskömmlich." Wenn ein Direktor
bei seiner schwerverantwortlichen, gefährlichen, Geist und Körper gleich aufreibenden
Thätigkeit einen Jcchrcsgehalt von 4500--6000 Mark, ein vielgeplagter Inspektor
3000--4000 Mark, ein Aufseher 1200--1S00 Mark, eine Aufseherin 900 bis
1100 Mark bezieht, so ist das für die Leistungen der betreffenden ein recht
bescheidenes Äquivalent. Rechnet man aber die Gesamtsumme dieser Gehalte
zusammen und verteilt sie auf die einzelnen Gefangenen, so kommt man zu einem
sehr unerfreulichen Resultate. Ein Beispiel, für dessen Unterlagen wir freilich
bis in die kleinsten Details nicht aufkommen können, soll unsre Behauptung
erhärten.

Im Zuchthause zu Waldheim, welches neben 2000 Männern in einer
räumlich vollständig getrennten Anstalt noch etwa 60 "Korigendinnen" zählt, sind
folgende Beamten mit nachstehenden Jahresgehalten angestellt:

1 Direktor................... 6000 Mark,
1 Oberinspektor.................. 4000 "
12 Oberbeamte (lüll. Ärzten, 3 Geistlichen und Lehrern) 5, 3000 M, 36000 "
10 Oberaufseher und Expcditionsbecnnten s. 1S00 M...... 1S000 "
100 Aufseher ü 1200 M................ 120000 "
6 Aufseherinnen s, 1000 M.............. 6000 "
4 Maschinisten und Boten s. 900 M........... 3600 "
Summa: 176600 Mark.

Da die vorgenannten Ziffern nach früheren Jahren bemessen, mithin wahr¬
scheinlich zu niedrig gegriffen sind, so kann man in runder Summe 200000 Mark
rechnen. Es kommen also auf jeden Züchtling ca. 100 Mark jährlicher Beitrag
zu den Gehalten der erforderlichen Beamten.

Hierzu kommt der Aufwand, den Umbau- und Neubauten erheischen. Um
bei dem konkreten Beispiele stehen zu bleiben, so kann ohne Übertreibung be¬
hauptet werden, daß in der Strafanstalt zu Waldheim mit alleiniger Ausnahme
der Kirche und des äußerst mangelhaften Jsolirgebäudes und einiger kleinen


Grenzboten IV. 1L33, 23
Zur Vereinfachung des gegenwärtigen Strafvollzuges.

Im großen und ganzen glauben wir also nicht zu irren, wenn wir die
täglichen Verpflegungskosten eines Gefangenen, sei er nun Züchtling, Ge¬
fangener, Haft- oder Untersuchungsgefangener, im mittleren Durchschnitt auf
eine Mark berechnen.

Das sind aber sozusagen nur die direkten Unkosten, die ein Gefangener
verursacht; die indirekten, welche noch hinzukommen, gestalten unser Rechenexempel
noch viel unvorteilhafter. Zu diesen indirekten Kosten rechnen wir die Gehalte
der Beamten, die Aufwendungen für Neu- und Umbauten und andre notwendige
Ausgaben, die in keinem direkten Verhältnis zu den Gefangenen stehen, z. V.
die Kosten der Oberaufsichtsbchörden u. dergl.

Die Gehalte der Strafanstaltsbeamten sind an sich durchaus nicht hoch
und verdienen höchstens die Bezeichnung „auskömmlich." Wenn ein Direktor
bei seiner schwerverantwortlichen, gefährlichen, Geist und Körper gleich aufreibenden
Thätigkeit einen Jcchrcsgehalt von 4500—6000 Mark, ein vielgeplagter Inspektor
3000—4000 Mark, ein Aufseher 1200—1S00 Mark, eine Aufseherin 900 bis
1100 Mark bezieht, so ist das für die Leistungen der betreffenden ein recht
bescheidenes Äquivalent. Rechnet man aber die Gesamtsumme dieser Gehalte
zusammen und verteilt sie auf die einzelnen Gefangenen, so kommt man zu einem
sehr unerfreulichen Resultate. Ein Beispiel, für dessen Unterlagen wir freilich
bis in die kleinsten Details nicht aufkommen können, soll unsre Behauptung
erhärten.

Im Zuchthause zu Waldheim, welches neben 2000 Männern in einer
räumlich vollständig getrennten Anstalt noch etwa 60 „Korigendinnen" zählt, sind
folgende Beamten mit nachstehenden Jahresgehalten angestellt:

1 Direktor................... 6000 Mark,
1 Oberinspektor.................. 4000 „
12 Oberbeamte (lüll. Ärzten, 3 Geistlichen und Lehrern) 5, 3000 M, 36000 „
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100 Aufseher ü 1200 M................ 120000 „
6 Aufseherinnen s, 1000 M.............. 6000 „
4 Maschinisten und Boten s. 900 M........... 3600 „
Summa: 176600 Mark.

Da die vorgenannten Ziffern nach früheren Jahren bemessen, mithin wahr¬
scheinlich zu niedrig gegriffen sind, so kann man in runder Summe 200000 Mark
rechnen. Es kommen also auf jeden Züchtling ca. 100 Mark jährlicher Beitrag
zu den Gehalten der erforderlichen Beamten.

Hierzu kommt der Aufwand, den Umbau- und Neubauten erheischen. Um
bei dem konkreten Beispiele stehen zu bleiben, so kann ohne Übertreibung be¬
hauptet werden, daß in der Strafanstalt zu Waldheim mit alleiniger Ausnahme
der Kirche und des äußerst mangelhaften Jsolirgebäudes und einiger kleinen


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[0187] Zur Vereinfachung des gegenwärtigen Strafvollzuges. Im großen und ganzen glauben wir also nicht zu irren, wenn wir die täglichen Verpflegungskosten eines Gefangenen, sei er nun Züchtling, Ge¬ fangener, Haft- oder Untersuchungsgefangener, im mittleren Durchschnitt auf eine Mark berechnen. Das sind aber sozusagen nur die direkten Unkosten, die ein Gefangener verursacht; die indirekten, welche noch hinzukommen, gestalten unser Rechenexempel noch viel unvorteilhafter. Zu diesen indirekten Kosten rechnen wir die Gehalte der Beamten, die Aufwendungen für Neu- und Umbauten und andre notwendige Ausgaben, die in keinem direkten Verhältnis zu den Gefangenen stehen, z. V. die Kosten der Oberaufsichtsbchörden u. dergl. Die Gehalte der Strafanstaltsbeamten sind an sich durchaus nicht hoch und verdienen höchstens die Bezeichnung „auskömmlich." Wenn ein Direktor bei seiner schwerverantwortlichen, gefährlichen, Geist und Körper gleich aufreibenden Thätigkeit einen Jcchrcsgehalt von 4500—6000 Mark, ein vielgeplagter Inspektor 3000—4000 Mark, ein Aufseher 1200—1S00 Mark, eine Aufseherin 900 bis 1100 Mark bezieht, so ist das für die Leistungen der betreffenden ein recht bescheidenes Äquivalent. Rechnet man aber die Gesamtsumme dieser Gehalte zusammen und verteilt sie auf die einzelnen Gefangenen, so kommt man zu einem sehr unerfreulichen Resultate. Ein Beispiel, für dessen Unterlagen wir freilich bis in die kleinsten Details nicht aufkommen können, soll unsre Behauptung erhärten. Im Zuchthause zu Waldheim, welches neben 2000 Männern in einer räumlich vollständig getrennten Anstalt noch etwa 60 „Korigendinnen" zählt, sind folgende Beamten mit nachstehenden Jahresgehalten angestellt: 1 Direktor................... 6000 Mark, 1 Oberinspektor.................. 4000 „ 12 Oberbeamte (lüll. Ärzten, 3 Geistlichen und Lehrern) 5, 3000 M, 36000 „ 10 Oberaufseher und Expcditionsbecnnten s. 1S00 M...... 1S000 „ 100 Aufseher ü 1200 M................ 120000 „ 6 Aufseherinnen s, 1000 M.............. 6000 „ 4 Maschinisten und Boten s. 900 M........... 3600 „ Summa: 176600 Mark. Da die vorgenannten Ziffern nach früheren Jahren bemessen, mithin wahr¬ scheinlich zu niedrig gegriffen sind, so kann man in runder Summe 200000 Mark rechnen. Es kommen also auf jeden Züchtling ca. 100 Mark jährlicher Beitrag zu den Gehalten der erforderlichen Beamten. Hierzu kommt der Aufwand, den Umbau- und Neubauten erheischen. Um bei dem konkreten Beispiele stehen zu bleiben, so kann ohne Übertreibung be¬ hauptet werden, daß in der Strafanstalt zu Waldheim mit alleiniger Ausnahme der Kirche und des äußerst mangelhaften Jsolirgebäudes und einiger kleinen Grenzboten IV. 1L33, 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/187>, abgerufen am 01.09.2024.