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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Francesca von Rimini.

vermeiden, d, h, einerseits der Presse Stillschweigen über den Vorfall aufzu¬
erlegen, andrerseits durch eine bestimmte Kundgebung darauf hinzuwirken, daß
das Bild aus der Ausstellung entfernt werde. Daß der Künstler nicht daran
denken würde, das Bild an einen Privatmann zu verkaufen, das war bei seinem
bekannten Charakter vorauszusehen. Sonstige Maßregeln gegen Oswald behielt
sich Frau Bertha, die ihre Rache kalt genießen wollte, nach Erledigung dieser
ersten notwendigen Maßregeln vor. Den Auftrag rücksichtlich der Presse erhielt
or. Spath, der sich zu dieser Mission jedoch nur unter der Bedingung verstand, daß
ihm zu etwaigen Auslagen unbeschränkte Vollmacht und volle Indemnität für
dieselben erteilt würde, eine Bedingung, die Papa Genöve nur mit vielem Wider¬
streben annahm. Bei den anständigen Zeitungen, deren es, Gott sei Dank, noch
immer giebt, mußte sich der Abgesandte des Hauses Genöve verschiedene Zurecht¬
weisungen recht grober Art gefallen lassen; man erklärte schon die Vermutung
daß ein ehrenhaftes politisches Blatt gemeinen Klatsch überhaupt aufnehmen
könnte, für eine Frechheit, und gab dem Beauftragten nicht mißzuverstehende
Winke, achtbare Redaktionen nicht nach dem eignen Maßstab beurteilen zu wollen --
was Dr. Spath nicht hinderte, mit verbindlichster Miene für die freundliche
Gesinnung zu danken und gleichzeitig ein Schmerzensgeld für diese Behandlung
seinem Auftraggeber anzukreiden. Leider gab es andrerseits Blätter genug, ^
welche gegen die Vorschläge Spciths viel entgegenkommender waren, d. h. aber nur
gegen baare Abfindungen, die in verschiedenen Abstufungen wechselten. Der
Redakteur des "Coeur-Wenzel" erklärte es für eine Pflicht der unabhängigen
Presse, die Pestbeulen der sogenannten guten Gesellschaft vor den Augen des
Volkes mit dem scharfen Messer der beleidigten Moral zu öffnen und meinte,
daß schon, abgesehen von dieser Unabhängigkeit seiner Gesinnung, die Rücksicht
auf die Vermehrung der Abonnentenzahl durch die Mitteilung einer so viel
pikanten Stoff bietenden Geschichte ihn abhalten müsse, auf irgend welchen Pakt
einzugehen. Der mitanwesende Verleger des Blattes glaubte jedoch, die letzt¬
gedachte Rücksicht selbst vertreten zu können, wenn ihm eine Quartalsrate von
250 Abonnenten -- das Blatt selbst war bisher nur gratis den Straßenver¬
käufern und Restaurateurs eingehändigt worden, da es erst seit vierzehn Tagen
bestand -- als Entschädigung gezahlt würde. Dr. Spath mußte sich zu diesem
Opfer bereit erklären und konnte nur froh sein, daß der Abonnementspreis
vierteljährlich auf 15 Pfennige berechnet wurde, obgleich diese Zeitung morgens
und abends erschien, eine belletristische Wochenbeilage, ein humoristisches Wochen¬
blatt und ein besondres Organ für Skatspieler seinem Leserkreise bot. Der
Redakteur protestirte gegen eine solche unwürdige Abmachung, legte seine Stelle
nieder und war nur zu bewegen, gegen eine Aufbesserung seines Gehalts um
500 Mark jährlich sich weiter dem großen und unabhängigen Unternehmen zu
widmen. Der Verleger, welcher eine so geschätzte Kraft nicht verlieren wollte,
verstand sich auch zu diesem Opfer und verlangte großmütig, daß das Haus


Francesca von Rimini.

vermeiden, d, h, einerseits der Presse Stillschweigen über den Vorfall aufzu¬
erlegen, andrerseits durch eine bestimmte Kundgebung darauf hinzuwirken, daß
das Bild aus der Ausstellung entfernt werde. Daß der Künstler nicht daran
denken würde, das Bild an einen Privatmann zu verkaufen, das war bei seinem
bekannten Charakter vorauszusehen. Sonstige Maßregeln gegen Oswald behielt
sich Frau Bertha, die ihre Rache kalt genießen wollte, nach Erledigung dieser
ersten notwendigen Maßregeln vor. Den Auftrag rücksichtlich der Presse erhielt
or. Spath, der sich zu dieser Mission jedoch nur unter der Bedingung verstand, daß
ihm zu etwaigen Auslagen unbeschränkte Vollmacht und volle Indemnität für
dieselben erteilt würde, eine Bedingung, die Papa Genöve nur mit vielem Wider¬
streben annahm. Bei den anständigen Zeitungen, deren es, Gott sei Dank, noch
immer giebt, mußte sich der Abgesandte des Hauses Genöve verschiedene Zurecht¬
weisungen recht grober Art gefallen lassen; man erklärte schon die Vermutung
daß ein ehrenhaftes politisches Blatt gemeinen Klatsch überhaupt aufnehmen
könnte, für eine Frechheit, und gab dem Beauftragten nicht mißzuverstehende
Winke, achtbare Redaktionen nicht nach dem eignen Maßstab beurteilen zu wollen —
was Dr. Spath nicht hinderte, mit verbindlichster Miene für die freundliche
Gesinnung zu danken und gleichzeitig ein Schmerzensgeld für diese Behandlung
seinem Auftraggeber anzukreiden. Leider gab es andrerseits Blätter genug, ^
welche gegen die Vorschläge Spciths viel entgegenkommender waren, d. h. aber nur
gegen baare Abfindungen, die in verschiedenen Abstufungen wechselten. Der
Redakteur des „Coeur-Wenzel" erklärte es für eine Pflicht der unabhängigen
Presse, die Pestbeulen der sogenannten guten Gesellschaft vor den Augen des
Volkes mit dem scharfen Messer der beleidigten Moral zu öffnen und meinte,
daß schon, abgesehen von dieser Unabhängigkeit seiner Gesinnung, die Rücksicht
auf die Vermehrung der Abonnentenzahl durch die Mitteilung einer so viel
pikanten Stoff bietenden Geschichte ihn abhalten müsse, auf irgend welchen Pakt
einzugehen. Der mitanwesende Verleger des Blattes glaubte jedoch, die letzt¬
gedachte Rücksicht selbst vertreten zu können, wenn ihm eine Quartalsrate von
250 Abonnenten — das Blatt selbst war bisher nur gratis den Straßenver¬
käufern und Restaurateurs eingehändigt worden, da es erst seit vierzehn Tagen
bestand — als Entschädigung gezahlt würde. Dr. Spath mußte sich zu diesem
Opfer bereit erklären und konnte nur froh sein, daß der Abonnementspreis
vierteljährlich auf 15 Pfennige berechnet wurde, obgleich diese Zeitung morgens
und abends erschien, eine belletristische Wochenbeilage, ein humoristisches Wochen¬
blatt und ein besondres Organ für Skatspieler seinem Leserkreise bot. Der
Redakteur protestirte gegen eine solche unwürdige Abmachung, legte seine Stelle
nieder und war nur zu bewegen, gegen eine Aufbesserung seines Gehalts um
500 Mark jährlich sich weiter dem großen und unabhängigen Unternehmen zu
widmen. Der Verleger, welcher eine so geschätzte Kraft nicht verlieren wollte,
verstand sich auch zu diesem Opfer und verlangte großmütig, daß das Haus


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[0164] Francesca von Rimini. vermeiden, d, h, einerseits der Presse Stillschweigen über den Vorfall aufzu¬ erlegen, andrerseits durch eine bestimmte Kundgebung darauf hinzuwirken, daß das Bild aus der Ausstellung entfernt werde. Daß der Künstler nicht daran denken würde, das Bild an einen Privatmann zu verkaufen, das war bei seinem bekannten Charakter vorauszusehen. Sonstige Maßregeln gegen Oswald behielt sich Frau Bertha, die ihre Rache kalt genießen wollte, nach Erledigung dieser ersten notwendigen Maßregeln vor. Den Auftrag rücksichtlich der Presse erhielt or. Spath, der sich zu dieser Mission jedoch nur unter der Bedingung verstand, daß ihm zu etwaigen Auslagen unbeschränkte Vollmacht und volle Indemnität für dieselben erteilt würde, eine Bedingung, die Papa Genöve nur mit vielem Wider¬ streben annahm. Bei den anständigen Zeitungen, deren es, Gott sei Dank, noch immer giebt, mußte sich der Abgesandte des Hauses Genöve verschiedene Zurecht¬ weisungen recht grober Art gefallen lassen; man erklärte schon die Vermutung daß ein ehrenhaftes politisches Blatt gemeinen Klatsch überhaupt aufnehmen könnte, für eine Frechheit, und gab dem Beauftragten nicht mißzuverstehende Winke, achtbare Redaktionen nicht nach dem eignen Maßstab beurteilen zu wollen — was Dr. Spath nicht hinderte, mit verbindlichster Miene für die freundliche Gesinnung zu danken und gleichzeitig ein Schmerzensgeld für diese Behandlung seinem Auftraggeber anzukreiden. Leider gab es andrerseits Blätter genug, ^ welche gegen die Vorschläge Spciths viel entgegenkommender waren, d. h. aber nur gegen baare Abfindungen, die in verschiedenen Abstufungen wechselten. Der Redakteur des „Coeur-Wenzel" erklärte es für eine Pflicht der unabhängigen Presse, die Pestbeulen der sogenannten guten Gesellschaft vor den Augen des Volkes mit dem scharfen Messer der beleidigten Moral zu öffnen und meinte, daß schon, abgesehen von dieser Unabhängigkeit seiner Gesinnung, die Rücksicht auf die Vermehrung der Abonnentenzahl durch die Mitteilung einer so viel pikanten Stoff bietenden Geschichte ihn abhalten müsse, auf irgend welchen Pakt einzugehen. Der mitanwesende Verleger des Blattes glaubte jedoch, die letzt¬ gedachte Rücksicht selbst vertreten zu können, wenn ihm eine Quartalsrate von 250 Abonnenten — das Blatt selbst war bisher nur gratis den Straßenver¬ käufern und Restaurateurs eingehändigt worden, da es erst seit vierzehn Tagen bestand — als Entschädigung gezahlt würde. Dr. Spath mußte sich zu diesem Opfer bereit erklären und konnte nur froh sein, daß der Abonnementspreis vierteljährlich auf 15 Pfennige berechnet wurde, obgleich diese Zeitung morgens und abends erschien, eine belletristische Wochenbeilage, ein humoristisches Wochen¬ blatt und ein besondres Organ für Skatspieler seinem Leserkreise bot. Der Redakteur protestirte gegen eine solche unwürdige Abmachung, legte seine Stelle nieder und war nur zu bewegen, gegen eine Aufbesserung seines Gehalts um 500 Mark jährlich sich weiter dem großen und unabhängigen Unternehmen zu widmen. Der Verleger, welcher eine so geschätzte Kraft nicht verlieren wollte, verstand sich auch zu diesem Opfer und verlangte großmütig, daß das Haus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/164>, abgerufen am 01.09.2024.