Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Militärische Kritikaster,

eines etwaigen zukünftigen Feindes für die Vorbereitung der eignen Maßnahmen
von so hohem Werte, daß bei allen zivilisirten Heeren diesem Gegenstande eine
unausgesetzte eingehende Beachtung geschenkt wird. Einigermaßen kann man
sich mit den Verhältnissen andrer Armeen durch die Fachliteratur bekannt
machen, die eigentliche lebendige Anschauung aber wird aus den Berichten der
den Gesandtschaften beigegebenen Militämttachees geschöpft. In jahrelanger,
ununterbrochener Berührung mit dem Lande und dem Heere ist eine geeignete
Persönlichkeit, ohne die Grenzen der erlaubten Beobachtung zu überschreiten, im¬
stande, sich völlig in Form und Geist der dortigen Einrichtungen einzuleben.
Zeugnis davon giebt die genaue Kenntnis, welche bei Ausbruch des Krieges
1870 die deutsche Heeresleitung von der französischen Armee besaß, Zeugnis
davon legen auch namentlich die seiner Zeit viel genannten Berichte des Obersten
Baron stosset über deutsche Heeresverhältnisse ab, Berichte, denen man in
Frankreich augenscheinlich nicht die nötige Würdigung hat zuteil werden lassen.
Da solche Berichte aber nicht an die Öffentlichkeit gelangen, so thut man im
allgemeinen gut, den militärischen Berichterstattungen gegenüber, wie sie die
Tagespresse bringt, mögen sie loben oder tadeln, sich skeptisch zu verhalten.
Dabei ist allerdings zuzugestehen, daß diese kritischen Zeitungsberichte des Aus¬
landes, wie sie kaum jemals Nutzen stiften, so auch bei einem überlegender
Leserkreise keinen erheblichen Schaden anrichten können.

Anders verhält es sich mit der Nörgelei, deren sich einzelne liberale deutsche
Blätter neuerdings in Bezug auf die Entscheidung von Personalfragen innerhalb
der deutschen Kriegsmacht befleißigen. Vor allem scheint man sich die Marine
in dieser Beziehung ausgesucht zu haben, und verschiedene male ist sogar der,
wenn auch fehlgeschlagen" Versuch unternommen worden, diese in einen gewissen
Gegensatz zum Landheere zu bringen. Jedenfalls liegt Methode in der Sache,
aber wie es vergebene Liebesmühe ist, in das Offizierkorps den Hader angeb¬
licher Standesvornrteile zu tragen, so bilden auch Land- und Seemacht des
deutschen Reiches ein innig verbundenes Ganze, und der zu ihrer Entfremdung
angesetzte Keil wird keine Fuge zum Eindringen finden. Leider haben auch die
höher stehenden Offiziere der Armee unter solchen unangebrachter Erörterungen
zu leiden. Wir betonen absichtlich das Wort leiden, denn ist es nicht eine
schwere Kränkung altverdienter Männer, wenn beispielsweise verschiedene Zeitungen
über die Ersetzung eines hochgestellten Generals, welcher jetzt seinen Abschied
erbeten und erhalten haben soll, bereits im Jahre 1876 und seitdem fortwährend
verfügt und debattirt haben, oder wenn beim Scheiden höherer Seeoffiziere aus
dem Dienste der Einfluß finsterer Mächte hinter den Kulissen proklamirt und
öffentlich die Tüchtigkeit verschiedner Persönlichkeiten gegeneinander abgewogen
wird? Es ist ganz undenkbar, daß ein deutscher Offizier je selbst unmittelbar
oder auch nur mittelbar den Anstoß zu derartigen Auseinandersetzungen gebe.
Alles, was über solche Personalfragen an vie Öffentlichkeit gelangt, kann nur


Militärische Kritikaster,

eines etwaigen zukünftigen Feindes für die Vorbereitung der eignen Maßnahmen
von so hohem Werte, daß bei allen zivilisirten Heeren diesem Gegenstande eine
unausgesetzte eingehende Beachtung geschenkt wird. Einigermaßen kann man
sich mit den Verhältnissen andrer Armeen durch die Fachliteratur bekannt
machen, die eigentliche lebendige Anschauung aber wird aus den Berichten der
den Gesandtschaften beigegebenen Militämttachees geschöpft. In jahrelanger,
ununterbrochener Berührung mit dem Lande und dem Heere ist eine geeignete
Persönlichkeit, ohne die Grenzen der erlaubten Beobachtung zu überschreiten, im¬
stande, sich völlig in Form und Geist der dortigen Einrichtungen einzuleben.
Zeugnis davon giebt die genaue Kenntnis, welche bei Ausbruch des Krieges
1870 die deutsche Heeresleitung von der französischen Armee besaß, Zeugnis
davon legen auch namentlich die seiner Zeit viel genannten Berichte des Obersten
Baron stosset über deutsche Heeresverhältnisse ab, Berichte, denen man in
Frankreich augenscheinlich nicht die nötige Würdigung hat zuteil werden lassen.
Da solche Berichte aber nicht an die Öffentlichkeit gelangen, so thut man im
allgemeinen gut, den militärischen Berichterstattungen gegenüber, wie sie die
Tagespresse bringt, mögen sie loben oder tadeln, sich skeptisch zu verhalten.
Dabei ist allerdings zuzugestehen, daß diese kritischen Zeitungsberichte des Aus¬
landes, wie sie kaum jemals Nutzen stiften, so auch bei einem überlegender
Leserkreise keinen erheblichen Schaden anrichten können.

Anders verhält es sich mit der Nörgelei, deren sich einzelne liberale deutsche
Blätter neuerdings in Bezug auf die Entscheidung von Personalfragen innerhalb
der deutschen Kriegsmacht befleißigen. Vor allem scheint man sich die Marine
in dieser Beziehung ausgesucht zu haben, und verschiedene male ist sogar der,
wenn auch fehlgeschlagen« Versuch unternommen worden, diese in einen gewissen
Gegensatz zum Landheere zu bringen. Jedenfalls liegt Methode in der Sache,
aber wie es vergebene Liebesmühe ist, in das Offizierkorps den Hader angeb¬
licher Standesvornrteile zu tragen, so bilden auch Land- und Seemacht des
deutschen Reiches ein innig verbundenes Ganze, und der zu ihrer Entfremdung
angesetzte Keil wird keine Fuge zum Eindringen finden. Leider haben auch die
höher stehenden Offiziere der Armee unter solchen unangebrachter Erörterungen
zu leiden. Wir betonen absichtlich das Wort leiden, denn ist es nicht eine
schwere Kränkung altverdienter Männer, wenn beispielsweise verschiedene Zeitungen
über die Ersetzung eines hochgestellten Generals, welcher jetzt seinen Abschied
erbeten und erhalten haben soll, bereits im Jahre 1876 und seitdem fortwährend
verfügt und debattirt haben, oder wenn beim Scheiden höherer Seeoffiziere aus
dem Dienste der Einfluß finsterer Mächte hinter den Kulissen proklamirt und
öffentlich die Tüchtigkeit verschiedner Persönlichkeiten gegeneinander abgewogen
wird? Es ist ganz undenkbar, daß ein deutscher Offizier je selbst unmittelbar
oder auch nur mittelbar den Anstoß zu derartigen Auseinandersetzungen gebe.
Alles, was über solche Personalfragen an vie Öffentlichkeit gelangt, kann nur


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154291"/>
          <fw type="header" place="top"> Militärische Kritikaster,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_323" prev="#ID_322"> eines etwaigen zukünftigen Feindes für die Vorbereitung der eignen Maßnahmen<lb/>
von so hohem Werte, daß bei allen zivilisirten Heeren diesem Gegenstande eine<lb/>
unausgesetzte eingehende Beachtung geschenkt wird. Einigermaßen kann man<lb/>
sich mit den Verhältnissen andrer Armeen durch die Fachliteratur bekannt<lb/>
machen, die eigentliche lebendige Anschauung aber wird aus den Berichten der<lb/>
den Gesandtschaften beigegebenen Militämttachees geschöpft. In jahrelanger,<lb/>
ununterbrochener Berührung mit dem Lande und dem Heere ist eine geeignete<lb/>
Persönlichkeit, ohne die Grenzen der erlaubten Beobachtung zu überschreiten, im¬<lb/>
stande, sich völlig in Form und Geist der dortigen Einrichtungen einzuleben.<lb/>
Zeugnis davon giebt die genaue Kenntnis, welche bei Ausbruch des Krieges<lb/>
1870 die deutsche Heeresleitung von der französischen Armee besaß, Zeugnis<lb/>
davon legen auch namentlich die seiner Zeit viel genannten Berichte des Obersten<lb/>
Baron stosset über deutsche Heeresverhältnisse ab, Berichte, denen man in<lb/>
Frankreich augenscheinlich nicht die nötige Würdigung hat zuteil werden lassen.<lb/>
Da solche Berichte aber nicht an die Öffentlichkeit gelangen, so thut man im<lb/>
allgemeinen gut, den militärischen Berichterstattungen gegenüber, wie sie die<lb/>
Tagespresse bringt, mögen sie loben oder tadeln, sich skeptisch zu verhalten.<lb/>
Dabei ist allerdings zuzugestehen, daß diese kritischen Zeitungsberichte des Aus¬<lb/>
landes, wie sie kaum jemals Nutzen stiften, so auch bei einem überlegender<lb/>
Leserkreise keinen erheblichen Schaden anrichten können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_324" next="#ID_325"> Anders verhält es sich mit der Nörgelei, deren sich einzelne liberale deutsche<lb/>
Blätter neuerdings in Bezug auf die Entscheidung von Personalfragen innerhalb<lb/>
der deutschen Kriegsmacht befleißigen. Vor allem scheint man sich die Marine<lb/>
in dieser Beziehung ausgesucht zu haben, und verschiedene male ist sogar der,<lb/>
wenn auch fehlgeschlagen« Versuch unternommen worden, diese in einen gewissen<lb/>
Gegensatz zum Landheere zu bringen. Jedenfalls liegt Methode in der Sache,<lb/>
aber wie es vergebene Liebesmühe ist, in das Offizierkorps den Hader angeb¬<lb/>
licher Standesvornrteile zu tragen, so bilden auch Land- und Seemacht des<lb/>
deutschen Reiches ein innig verbundenes Ganze, und der zu ihrer Entfremdung<lb/>
angesetzte Keil wird keine Fuge zum Eindringen finden. Leider haben auch die<lb/>
höher stehenden Offiziere der Armee unter solchen unangebrachter Erörterungen<lb/>
zu leiden. Wir betonen absichtlich das Wort leiden, denn ist es nicht eine<lb/>
schwere Kränkung altverdienter Männer, wenn beispielsweise verschiedene Zeitungen<lb/>
über die Ersetzung eines hochgestellten Generals, welcher jetzt seinen Abschied<lb/>
erbeten und erhalten haben soll, bereits im Jahre 1876 und seitdem fortwährend<lb/>
verfügt und debattirt haben, oder wenn beim Scheiden höherer Seeoffiziere aus<lb/>
dem Dienste der Einfluß finsterer Mächte hinter den Kulissen proklamirt und<lb/>
öffentlich die Tüchtigkeit verschiedner Persönlichkeiten gegeneinander abgewogen<lb/>
wird? Es ist ganz undenkbar, daß ein deutscher Offizier je selbst unmittelbar<lb/>
oder auch nur mittelbar den Anstoß zu derartigen Auseinandersetzungen gebe.<lb/>
Alles, was über solche Personalfragen an vie Öffentlichkeit gelangt, kann nur</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0126] Militärische Kritikaster, eines etwaigen zukünftigen Feindes für die Vorbereitung der eignen Maßnahmen von so hohem Werte, daß bei allen zivilisirten Heeren diesem Gegenstande eine unausgesetzte eingehende Beachtung geschenkt wird. Einigermaßen kann man sich mit den Verhältnissen andrer Armeen durch die Fachliteratur bekannt machen, die eigentliche lebendige Anschauung aber wird aus den Berichten der den Gesandtschaften beigegebenen Militämttachees geschöpft. In jahrelanger, ununterbrochener Berührung mit dem Lande und dem Heere ist eine geeignete Persönlichkeit, ohne die Grenzen der erlaubten Beobachtung zu überschreiten, im¬ stande, sich völlig in Form und Geist der dortigen Einrichtungen einzuleben. Zeugnis davon giebt die genaue Kenntnis, welche bei Ausbruch des Krieges 1870 die deutsche Heeresleitung von der französischen Armee besaß, Zeugnis davon legen auch namentlich die seiner Zeit viel genannten Berichte des Obersten Baron stosset über deutsche Heeresverhältnisse ab, Berichte, denen man in Frankreich augenscheinlich nicht die nötige Würdigung hat zuteil werden lassen. Da solche Berichte aber nicht an die Öffentlichkeit gelangen, so thut man im allgemeinen gut, den militärischen Berichterstattungen gegenüber, wie sie die Tagespresse bringt, mögen sie loben oder tadeln, sich skeptisch zu verhalten. Dabei ist allerdings zuzugestehen, daß diese kritischen Zeitungsberichte des Aus¬ landes, wie sie kaum jemals Nutzen stiften, so auch bei einem überlegender Leserkreise keinen erheblichen Schaden anrichten können. Anders verhält es sich mit der Nörgelei, deren sich einzelne liberale deutsche Blätter neuerdings in Bezug auf die Entscheidung von Personalfragen innerhalb der deutschen Kriegsmacht befleißigen. Vor allem scheint man sich die Marine in dieser Beziehung ausgesucht zu haben, und verschiedene male ist sogar der, wenn auch fehlgeschlagen« Versuch unternommen worden, diese in einen gewissen Gegensatz zum Landheere zu bringen. Jedenfalls liegt Methode in der Sache, aber wie es vergebene Liebesmühe ist, in das Offizierkorps den Hader angeb¬ licher Standesvornrteile zu tragen, so bilden auch Land- und Seemacht des deutschen Reiches ein innig verbundenes Ganze, und der zu ihrer Entfremdung angesetzte Keil wird keine Fuge zum Eindringen finden. Leider haben auch die höher stehenden Offiziere der Armee unter solchen unangebrachter Erörterungen zu leiden. Wir betonen absichtlich das Wort leiden, denn ist es nicht eine schwere Kränkung altverdienter Männer, wenn beispielsweise verschiedene Zeitungen über die Ersetzung eines hochgestellten Generals, welcher jetzt seinen Abschied erbeten und erhalten haben soll, bereits im Jahre 1876 und seitdem fortwährend verfügt und debattirt haben, oder wenn beim Scheiden höherer Seeoffiziere aus dem Dienste der Einfluß finsterer Mächte hinter den Kulissen proklamirt und öffentlich die Tüchtigkeit verschiedner Persönlichkeiten gegeneinander abgewogen wird? Es ist ganz undenkbar, daß ein deutscher Offizier je selbst unmittelbar oder auch nur mittelbar den Anstoß zu derartigen Auseinandersetzungen gebe. Alles, was über solche Personalfragen an vie Öffentlichkeit gelangt, kann nur

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/126
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/126>, abgerufen am 27.07.2024.