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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Militärische Kritikaster.

sofort an Ort und Stelle den versammelten Offizieren auszusprecheii pflegt, behält
sich eine Beurteilung solcher kriegerischen Manöver auf spätere Zeit vor, wenn
er die Berichte der verschiedenen über das Schlachtfeld zu diesem Zweck ver¬
teilten Schiedsrichter entgegengenommen hat. Und da sollte ein Zeitungskorrc-
spondent, der uicht einmal die Verhältnisse der deutschen Armee von Grund aus
keimt, trotz aller Beobachtungsgabe, die ihm im allgemeinen nicht abgesprochen
werden soll, nach wenigen Manövcrtagen ein vollgiltiges Urteil fällen können?
Nimmermehr, und umsoweniger, als weder die sogenannten Manöver der hei¬
mischen Truppen bei Aldershot noch die kriegerische Verwendung derselben in
Ägypten mit deutschen Heereseinrichtungeu, deutscher militärwissenschaftlichen For¬
schung und deutschem dienstlichen Fleiße in Vergleich gezogen werden können.
Die Kritiken militärischer Dilettanten, mögen sie jenseits des Kanals so ernst
aufgenommen werden, wie sie wollen, haben deshalb weder im Guten noch im Bösem
einen wirklichen Wert und werden das deutsche Heer weder eitel machen, noch
von seinem Wege des ruhigen Fortschrittes abbringen. Man erkennt innerhalb
des deutscheu Heerwesens klar genug, daß keine menschliche Einrichtung ohne
zahlreiche Schwächen denkbar ist, und wer sich die Mühe giebt, die jährlich
eingeführten Veränderungen und Verbesserungen auf jedem Gebiete des Heer¬
wesens an der Hand der umfänglichen deutschen Militärliteratur zu verfolgen,
wird der Armee das Zeugnis nicht versagen können, daß sie ein offenes Auge
für die eignen Schäden habe und energischen Fleiß anwende zu ihrer Beseitigung.

Aber diese Zeilen verfolgen nicht den Zweck, einen sich übersehenden mili¬
tärischen Berichterstatter voll Entrüstung zurückzuweisen, sondern sollen dazu
dienen, die heimatlichen Leserkreise an die Unzulänglichkeit militärischer Berichte
auf Grund einer kurzen persönlichen Beobachtung zu erinnern. In den letzten
Jahren hat die regelmäßige Entsendung militärischer Spezialmissionen zu den
kriegerischen Übungen fast aller größern Armeen sich zu einem völligen Brauche
gegenseitiger Höflichkeit ausgebildet. In dem glänzenden Gefolge des Kaisers
unterscheidet man jährlich die farbenprächtigen Uniformen der verschiedensten
Armeen; auch der bezopfte Chinese und der schmächtige japanische Offizier sind
regelmäßig dabei vertreten. Ebenso entsendet die deutsche Armee eine Anzahl
von Offizieren, um den Manövern andrer Heere beizuwohnen und dann schrift¬
lichen Bericht über das Geschehene zu erstatten. Das geschieht aber nicht so¬
wohl zu dem Zwecke. Kenntnis von den Einrichtungen fremder Armeen zu er¬
halten, sondern es wird damit vornehmlich den betreffenden Offizieren Gelegenheit
gegeben, Erfahrungen zu gewinnen, ihren Gesichtskreis zu erweitern und natürlich
zu gleicher Zeit soviel wissenswertes Material zu sammeln, als möglich. Aber
selbst der begabte, scharf beobachtende Offizier ist auf diesem Wege nur imstande,
vereinzelte Bausteine zusammenzutragen, schon deshalb, weil er bekanntermaßen
immer nur das zu sehen bekommt, was man ihm zuz eigen gewillt ist. Nichts¬
destoweniger ist die möglichst genaue Kenntnis der innern Heereseinrichtungen


Militärische Kritikaster.

sofort an Ort und Stelle den versammelten Offizieren auszusprecheii pflegt, behält
sich eine Beurteilung solcher kriegerischen Manöver auf spätere Zeit vor, wenn
er die Berichte der verschiedenen über das Schlachtfeld zu diesem Zweck ver¬
teilten Schiedsrichter entgegengenommen hat. Und da sollte ein Zeitungskorrc-
spondent, der uicht einmal die Verhältnisse der deutschen Armee von Grund aus
keimt, trotz aller Beobachtungsgabe, die ihm im allgemeinen nicht abgesprochen
werden soll, nach wenigen Manövcrtagen ein vollgiltiges Urteil fällen können?
Nimmermehr, und umsoweniger, als weder die sogenannten Manöver der hei¬
mischen Truppen bei Aldershot noch die kriegerische Verwendung derselben in
Ägypten mit deutschen Heereseinrichtungeu, deutscher militärwissenschaftlichen For¬
schung und deutschem dienstlichen Fleiße in Vergleich gezogen werden können.
Die Kritiken militärischer Dilettanten, mögen sie jenseits des Kanals so ernst
aufgenommen werden, wie sie wollen, haben deshalb weder im Guten noch im Bösem
einen wirklichen Wert und werden das deutsche Heer weder eitel machen, noch
von seinem Wege des ruhigen Fortschrittes abbringen. Man erkennt innerhalb
des deutscheu Heerwesens klar genug, daß keine menschliche Einrichtung ohne
zahlreiche Schwächen denkbar ist, und wer sich die Mühe giebt, die jährlich
eingeführten Veränderungen und Verbesserungen auf jedem Gebiete des Heer¬
wesens an der Hand der umfänglichen deutschen Militärliteratur zu verfolgen,
wird der Armee das Zeugnis nicht versagen können, daß sie ein offenes Auge
für die eignen Schäden habe und energischen Fleiß anwende zu ihrer Beseitigung.

Aber diese Zeilen verfolgen nicht den Zweck, einen sich übersehenden mili¬
tärischen Berichterstatter voll Entrüstung zurückzuweisen, sondern sollen dazu
dienen, die heimatlichen Leserkreise an die Unzulänglichkeit militärischer Berichte
auf Grund einer kurzen persönlichen Beobachtung zu erinnern. In den letzten
Jahren hat die regelmäßige Entsendung militärischer Spezialmissionen zu den
kriegerischen Übungen fast aller größern Armeen sich zu einem völligen Brauche
gegenseitiger Höflichkeit ausgebildet. In dem glänzenden Gefolge des Kaisers
unterscheidet man jährlich die farbenprächtigen Uniformen der verschiedensten
Armeen; auch der bezopfte Chinese und der schmächtige japanische Offizier sind
regelmäßig dabei vertreten. Ebenso entsendet die deutsche Armee eine Anzahl
von Offizieren, um den Manövern andrer Heere beizuwohnen und dann schrift¬
lichen Bericht über das Geschehene zu erstatten. Das geschieht aber nicht so¬
wohl zu dem Zwecke. Kenntnis von den Einrichtungen fremder Armeen zu er¬
halten, sondern es wird damit vornehmlich den betreffenden Offizieren Gelegenheit
gegeben, Erfahrungen zu gewinnen, ihren Gesichtskreis zu erweitern und natürlich
zu gleicher Zeit soviel wissenswertes Material zu sammeln, als möglich. Aber
selbst der begabte, scharf beobachtende Offizier ist auf diesem Wege nur imstande,
vereinzelte Bausteine zusammenzutragen, schon deshalb, weil er bekanntermaßen
immer nur das zu sehen bekommt, was man ihm zuz eigen gewillt ist. Nichts¬
destoweniger ist die möglichst genaue Kenntnis der innern Heereseinrichtungen


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[0125] Militärische Kritikaster. sofort an Ort und Stelle den versammelten Offizieren auszusprecheii pflegt, behält sich eine Beurteilung solcher kriegerischen Manöver auf spätere Zeit vor, wenn er die Berichte der verschiedenen über das Schlachtfeld zu diesem Zweck ver¬ teilten Schiedsrichter entgegengenommen hat. Und da sollte ein Zeitungskorrc- spondent, der uicht einmal die Verhältnisse der deutschen Armee von Grund aus keimt, trotz aller Beobachtungsgabe, die ihm im allgemeinen nicht abgesprochen werden soll, nach wenigen Manövcrtagen ein vollgiltiges Urteil fällen können? Nimmermehr, und umsoweniger, als weder die sogenannten Manöver der hei¬ mischen Truppen bei Aldershot noch die kriegerische Verwendung derselben in Ägypten mit deutschen Heereseinrichtungeu, deutscher militärwissenschaftlichen For¬ schung und deutschem dienstlichen Fleiße in Vergleich gezogen werden können. Die Kritiken militärischer Dilettanten, mögen sie jenseits des Kanals so ernst aufgenommen werden, wie sie wollen, haben deshalb weder im Guten noch im Bösem einen wirklichen Wert und werden das deutsche Heer weder eitel machen, noch von seinem Wege des ruhigen Fortschrittes abbringen. Man erkennt innerhalb des deutscheu Heerwesens klar genug, daß keine menschliche Einrichtung ohne zahlreiche Schwächen denkbar ist, und wer sich die Mühe giebt, die jährlich eingeführten Veränderungen und Verbesserungen auf jedem Gebiete des Heer¬ wesens an der Hand der umfänglichen deutschen Militärliteratur zu verfolgen, wird der Armee das Zeugnis nicht versagen können, daß sie ein offenes Auge für die eignen Schäden habe und energischen Fleiß anwende zu ihrer Beseitigung. Aber diese Zeilen verfolgen nicht den Zweck, einen sich übersehenden mili¬ tärischen Berichterstatter voll Entrüstung zurückzuweisen, sondern sollen dazu dienen, die heimatlichen Leserkreise an die Unzulänglichkeit militärischer Berichte auf Grund einer kurzen persönlichen Beobachtung zu erinnern. In den letzten Jahren hat die regelmäßige Entsendung militärischer Spezialmissionen zu den kriegerischen Übungen fast aller größern Armeen sich zu einem völligen Brauche gegenseitiger Höflichkeit ausgebildet. In dem glänzenden Gefolge des Kaisers unterscheidet man jährlich die farbenprächtigen Uniformen der verschiedensten Armeen; auch der bezopfte Chinese und der schmächtige japanische Offizier sind regelmäßig dabei vertreten. Ebenso entsendet die deutsche Armee eine Anzahl von Offizieren, um den Manövern andrer Heere beizuwohnen und dann schrift¬ lichen Bericht über das Geschehene zu erstatten. Das geschieht aber nicht so¬ wohl zu dem Zwecke. Kenntnis von den Einrichtungen fremder Armeen zu er¬ halten, sondern es wird damit vornehmlich den betreffenden Offizieren Gelegenheit gegeben, Erfahrungen zu gewinnen, ihren Gesichtskreis zu erweitern und natürlich zu gleicher Zeit soviel wissenswertes Material zu sammeln, als möglich. Aber selbst der begabte, scharf beobachtende Offizier ist auf diesem Wege nur imstande, vereinzelte Bausteine zusammenzutragen, schon deshalb, weil er bekanntermaßen immer nur das zu sehen bekommt, was man ihm zuz eigen gewillt ist. Nichts¬ destoweniger ist die möglichst genaue Kenntnis der innern Heereseinrichtungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/125>, abgerufen am 27.07.2024.