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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Die internationale AunstauHellung in München.

sich ein Gewimmel von Menschen und Tieren, welche in lebhafter Bewegung
sind.

Ein ähnliches Doppclgesicht zeigt Jose Ccisado, welcher in seiner "Glocke
von Huesca" ein Schauer- und Blutstück ersten Ranges geliefert hat, während
seine "Belohnung des Stierkämpfers nach dem Gefechte" -- die Figuren tragen
Kostüme ans dem Ende des vorigen Jahrhunderts -- eine Kabinetsmalerei von
zartester Durchführung, von feinster Helligkeit des Tons und von ausgesuchtesten
Geschmack in der Gruppirung der Figuren ist. Hinter der "Glocke von Huesca"
steckt eine der schauerlichsten Episoden der spanischen Geschichte. König Ra-
miro II. von Arragonien nämlich, welcher im zweiten Viertel des zwölfte"
Jahrhunderts regierte und wegen seiner klösterliche" Gewohnheiten von seinen
Großen verspottet wurde, lud die letztern zu einem vorgeblichen Glockenguß nach
Huesca ein. Dort ließ er fünfzehn von ihnen in einen Keller locken und sie
enthaupten. Der Maler hat den Moment aufgefaßt, wie der König, eine edle,
aber uiiheimlich finstere Gestalt, seine Hofleute und die übriggebliebenen Edlen
in den Keller geführt hat und ihnen den angeblichen Glockenguß zeigt. Die
Köpfe der Hingerichteten sind in einem Kreise gruppirt und über diesem den
Rand der Glocke darstellenden Runde ist der fünfzehnte Kopf an einem Seile
emporgezogen, sodaß er den Griff oder Knopf der Glocke zu bilden scheint.
Zur Seite des Königs steht ein gewaltiger Rüde, zur Verteidigung seines Herrn
bereit, falls ihn einer aus dem Gefolge wegen dieser furchtbare" Blutthat zur
Rechenschaft ziehen wollte. Aber keiner von ihnen wogt es, ein Glied zu rühren;
starr vor Entsetzen blicken aller Augen auf das blutige Schauspiel, welches mit
ebenso unheimlicher Virtuosität gemalt ist, als es erdacht worden ist. Die Hell¬
malerei ist also keineswegs eine so durchgehende Eigenschaft der Spanier, wie
sie es bei den Italienern ist, die nichts andres kennen. Das "Begräbnis
des heiligen Sebastian in den Katakomben" von A. Ferrand -- der Heilige
wird an Stricken in die Tiefe hinabgelassen -- ist noch dunkler gemalt,
und die "Enthauptung des Don Alvaro de Luna" von Manuel Ramircz ist
ebenfalls in einem ernsten, tiefen Tone gehalten, wie er der grauenhaften Szene
ziemt. Der spanische Edle hatte sich, ohne die Erlaubnis seines Königs, Jo¬
hannes II. von Kastilien, mit der Jnfcintin Maria von Portugal vermählt und war
zur Strafe dafür enthauptet worden. Damit war die Rache des Königs aber
noch nicht befriedigt. Es wurde dem Enthaupteten das Begräbnis verweigert,
und so legten sich Mönche ins Mittel, um Almosen zu seiner Bestattung zu
sammeln. Vor der Stadt, wo das Blutgericht vollzogen worden ist, liegt die
Leiche auf einer Bahre. Der Maler hat uns zwar durch die Drapirung des
Gewandes den Anblick des blutigen stumpfes entzogen, dafür aber das Haupt
des Gemordeten an einem an einer Stange befestigten Haken aufgesteckt. Es
ist ein fürchterlicher Kopf. El" hageres, langes Gesicht mit weithervorstehenden
Backenknochen, ein glattgeschornes Haupt, und dazu die verdrehten Augen! An


Die internationale AunstauHellung in München.

sich ein Gewimmel von Menschen und Tieren, welche in lebhafter Bewegung
sind.

Ein ähnliches Doppclgesicht zeigt Jose Ccisado, welcher in seiner „Glocke
von Huesca" ein Schauer- und Blutstück ersten Ranges geliefert hat, während
seine „Belohnung des Stierkämpfers nach dem Gefechte" — die Figuren tragen
Kostüme ans dem Ende des vorigen Jahrhunderts — eine Kabinetsmalerei von
zartester Durchführung, von feinster Helligkeit des Tons und von ausgesuchtesten
Geschmack in der Gruppirung der Figuren ist. Hinter der „Glocke von Huesca"
steckt eine der schauerlichsten Episoden der spanischen Geschichte. König Ra-
miro II. von Arragonien nämlich, welcher im zweiten Viertel des zwölfte»
Jahrhunderts regierte und wegen seiner klösterliche» Gewohnheiten von seinen
Großen verspottet wurde, lud die letztern zu einem vorgeblichen Glockenguß nach
Huesca ein. Dort ließ er fünfzehn von ihnen in einen Keller locken und sie
enthaupten. Der Maler hat den Moment aufgefaßt, wie der König, eine edle,
aber uiiheimlich finstere Gestalt, seine Hofleute und die übriggebliebenen Edlen
in den Keller geführt hat und ihnen den angeblichen Glockenguß zeigt. Die
Köpfe der Hingerichteten sind in einem Kreise gruppirt und über diesem den
Rand der Glocke darstellenden Runde ist der fünfzehnte Kopf an einem Seile
emporgezogen, sodaß er den Griff oder Knopf der Glocke zu bilden scheint.
Zur Seite des Königs steht ein gewaltiger Rüde, zur Verteidigung seines Herrn
bereit, falls ihn einer aus dem Gefolge wegen dieser furchtbare» Blutthat zur
Rechenschaft ziehen wollte. Aber keiner von ihnen wogt es, ein Glied zu rühren;
starr vor Entsetzen blicken aller Augen auf das blutige Schauspiel, welches mit
ebenso unheimlicher Virtuosität gemalt ist, als es erdacht worden ist. Die Hell¬
malerei ist also keineswegs eine so durchgehende Eigenschaft der Spanier, wie
sie es bei den Italienern ist, die nichts andres kennen. Das „Begräbnis
des heiligen Sebastian in den Katakomben" von A. Ferrand — der Heilige
wird an Stricken in die Tiefe hinabgelassen — ist noch dunkler gemalt,
und die „Enthauptung des Don Alvaro de Luna" von Manuel Ramircz ist
ebenfalls in einem ernsten, tiefen Tone gehalten, wie er der grauenhaften Szene
ziemt. Der spanische Edle hatte sich, ohne die Erlaubnis seines Königs, Jo¬
hannes II. von Kastilien, mit der Jnfcintin Maria von Portugal vermählt und war
zur Strafe dafür enthauptet worden. Damit war die Rache des Königs aber
noch nicht befriedigt. Es wurde dem Enthaupteten das Begräbnis verweigert,
und so legten sich Mönche ins Mittel, um Almosen zu seiner Bestattung zu
sammeln. Vor der Stadt, wo das Blutgericht vollzogen worden ist, liegt die
Leiche auf einer Bahre. Der Maler hat uns zwar durch die Drapirung des
Gewandes den Anblick des blutigen stumpfes entzogen, dafür aber das Haupt
des Gemordeten an einem an einer Stange befestigten Haken aufgesteckt. Es
ist ein fürchterlicher Kopf. El» hageres, langes Gesicht mit weithervorstehenden
Backenknochen, ein glattgeschornes Haupt, und dazu die verdrehten Augen! An


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[0105] Die internationale AunstauHellung in München. sich ein Gewimmel von Menschen und Tieren, welche in lebhafter Bewegung sind. Ein ähnliches Doppclgesicht zeigt Jose Ccisado, welcher in seiner „Glocke von Huesca" ein Schauer- und Blutstück ersten Ranges geliefert hat, während seine „Belohnung des Stierkämpfers nach dem Gefechte" — die Figuren tragen Kostüme ans dem Ende des vorigen Jahrhunderts — eine Kabinetsmalerei von zartester Durchführung, von feinster Helligkeit des Tons und von ausgesuchtesten Geschmack in der Gruppirung der Figuren ist. Hinter der „Glocke von Huesca" steckt eine der schauerlichsten Episoden der spanischen Geschichte. König Ra- miro II. von Arragonien nämlich, welcher im zweiten Viertel des zwölfte» Jahrhunderts regierte und wegen seiner klösterliche» Gewohnheiten von seinen Großen verspottet wurde, lud die letztern zu einem vorgeblichen Glockenguß nach Huesca ein. Dort ließ er fünfzehn von ihnen in einen Keller locken und sie enthaupten. Der Maler hat den Moment aufgefaßt, wie der König, eine edle, aber uiiheimlich finstere Gestalt, seine Hofleute und die übriggebliebenen Edlen in den Keller geführt hat und ihnen den angeblichen Glockenguß zeigt. Die Köpfe der Hingerichteten sind in einem Kreise gruppirt und über diesem den Rand der Glocke darstellenden Runde ist der fünfzehnte Kopf an einem Seile emporgezogen, sodaß er den Griff oder Knopf der Glocke zu bilden scheint. Zur Seite des Königs steht ein gewaltiger Rüde, zur Verteidigung seines Herrn bereit, falls ihn einer aus dem Gefolge wegen dieser furchtbare» Blutthat zur Rechenschaft ziehen wollte. Aber keiner von ihnen wogt es, ein Glied zu rühren; starr vor Entsetzen blicken aller Augen auf das blutige Schauspiel, welches mit ebenso unheimlicher Virtuosität gemalt ist, als es erdacht worden ist. Die Hell¬ malerei ist also keineswegs eine so durchgehende Eigenschaft der Spanier, wie sie es bei den Italienern ist, die nichts andres kennen. Das „Begräbnis des heiligen Sebastian in den Katakomben" von A. Ferrand — der Heilige wird an Stricken in die Tiefe hinabgelassen — ist noch dunkler gemalt, und die „Enthauptung des Don Alvaro de Luna" von Manuel Ramircz ist ebenfalls in einem ernsten, tiefen Tone gehalten, wie er der grauenhaften Szene ziemt. Der spanische Edle hatte sich, ohne die Erlaubnis seines Königs, Jo¬ hannes II. von Kastilien, mit der Jnfcintin Maria von Portugal vermählt und war zur Strafe dafür enthauptet worden. Damit war die Rache des Königs aber noch nicht befriedigt. Es wurde dem Enthaupteten das Begräbnis verweigert, und so legten sich Mönche ins Mittel, um Almosen zu seiner Bestattung zu sammeln. Vor der Stadt, wo das Blutgericht vollzogen worden ist, liegt die Leiche auf einer Bahre. Der Maler hat uns zwar durch die Drapirung des Gewandes den Anblick des blutigen stumpfes entzogen, dafür aber das Haupt des Gemordeten an einem an einer Stange befestigten Haken aufgesteckt. Es ist ein fürchterlicher Kopf. El» hageres, langes Gesicht mit weithervorstehenden Backenknochen, ein glattgeschornes Haupt, und dazu die verdrehten Augen! An

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/105>, abgerufen am 27.07.2024.