Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus dem Schnldbuche der Fortschrittspartei.

werden Wichtiger, große Parteirhetoren große, aber leere Phrasen ausspielen^,
auf immer räumen werden." ^sit roarvä, Ilion! Aber der Löwe war ein
ehrsamer Schreiner, und das ganze Gerede ein Sommernachtstraum.

So spann sich der Streit der Demokraten im Abgeordnetenhaus? mit den
Ministern weiter ab, und am 22. Mai richtete die Mehrheit des Abgeordneten¬
hauses an den König eine Adresse, in welcher es "noch einmal seine Gewissens¬
pflicht erfüllte," indem es ihm "in tiefster Ehrfurcht" erklärte: "Das Haus der
Abgeordneten hat kein Mittel der Verständigung mehr mit diesem Ministerium,
es lehnt seine Mitwirkung zu der gegenwärtigen Politik der Negierung ab.
Jede weitere Verhandlung befestigt uns nnr in der Überzeugung, daß zwischen
den Ratgebern der Krone und dein Lande eine Kluft besteht, welche nicht anders
als durch einen Wechsel der Personen, und mehr noch, durch einen Wechsel des
Systems ausgefüllt werden wird."

Die Antwort des Königs lautete entschieden ablehnend. Ihre Hauptsätze
erklärten: "Dem Artikel 45 der Verfassungsurkunde entgegen, wonach der König
die Minister ernennt und entläßt, will das Hans mich nötigen, mich mit Ministern
zu umgeben, welche ihm genehm sind; es will dadurch eine verfassungswidrige
Alleinherrschaft des Abgeordnetenhauses anbahnen. Dieses Verlangen weise ich
zurück. Meine Minister besitzen mein Vertrauen, ihre amtlichen Handlungen
sind wie meiner Billigung geschehen, und ich weiß es ihnen Dank, daß sie sich
angelegen sein lassen, dein verfassungswidrigen Streben des Abgeordnetenhauses
nach Machterweiterung entgegenzutreten. Unter der Mitwirkung, welche das
Hans meiner Regierung zu verweigern erklärt, kann ich nur diejenige verstehen,
zu welcher das Haus verfassungsmäßig berufen ist, da eine andre weder von
ihm beansprucht werden kann, noch von meiner Regierung verlangt worden ist.
Angesichts einer solchen Weigerung, welche überdies durch den Gesamtinhalt
und die Sprache der Adresse sowie durch das Verhalten des Hauses während
der letztverfloßenen vier Monate in ihrer Bedeutung klargestellt wird, läßt eine
fernere Dauer der gegenwärtigen Session keine Resultate erwarten; sie würde
den Interessen des Landes weder seiner Lage noch seinen auswärtigen Beziehungen
nach entsprechen. Auch ich suche, wie meine Vorfahren, den Glanz, die Macht
und die Sicherheit meiner Regierung in dem gegenseitigen Bande des Vertrauens
und der Treue zwischen Fürst und Volk. Mit des Allmächtigen Hilfe wird es
mir gelingen, die sträflichen Versuche zu vereiteln, welche auf Lockerung dieses
Bandes gerichtet sind. In meinem Herzen steht das Vertrauen auf die treue
Anhänglichkeit des preußischen Volkes an sein Königshaus zu fest, als daß
es durch den Inhalt der Adresse des Abgeordnetenhauses erschüttert werden
sollte."




Grenzboten III. 1333.9
Aus dem Schnldbuche der Fortschrittspartei.

werden Wichtiger, große Parteirhetoren große, aber leere Phrasen ausspielen^,
auf immer räumen werden." ^sit roarvä, Ilion! Aber der Löwe war ein
ehrsamer Schreiner, und das ganze Gerede ein Sommernachtstraum.

So spann sich der Streit der Demokraten im Abgeordnetenhaus? mit den
Ministern weiter ab, und am 22. Mai richtete die Mehrheit des Abgeordneten¬
hauses an den König eine Adresse, in welcher es „noch einmal seine Gewissens¬
pflicht erfüllte," indem es ihm „in tiefster Ehrfurcht" erklärte: „Das Haus der
Abgeordneten hat kein Mittel der Verständigung mehr mit diesem Ministerium,
es lehnt seine Mitwirkung zu der gegenwärtigen Politik der Negierung ab.
Jede weitere Verhandlung befestigt uns nnr in der Überzeugung, daß zwischen
den Ratgebern der Krone und dein Lande eine Kluft besteht, welche nicht anders
als durch einen Wechsel der Personen, und mehr noch, durch einen Wechsel des
Systems ausgefüllt werden wird."

Die Antwort des Königs lautete entschieden ablehnend. Ihre Hauptsätze
erklärten: „Dem Artikel 45 der Verfassungsurkunde entgegen, wonach der König
die Minister ernennt und entläßt, will das Hans mich nötigen, mich mit Ministern
zu umgeben, welche ihm genehm sind; es will dadurch eine verfassungswidrige
Alleinherrschaft des Abgeordnetenhauses anbahnen. Dieses Verlangen weise ich
zurück. Meine Minister besitzen mein Vertrauen, ihre amtlichen Handlungen
sind wie meiner Billigung geschehen, und ich weiß es ihnen Dank, daß sie sich
angelegen sein lassen, dein verfassungswidrigen Streben des Abgeordnetenhauses
nach Machterweiterung entgegenzutreten. Unter der Mitwirkung, welche das
Hans meiner Regierung zu verweigern erklärt, kann ich nur diejenige verstehen,
zu welcher das Haus verfassungsmäßig berufen ist, da eine andre weder von
ihm beansprucht werden kann, noch von meiner Regierung verlangt worden ist.
Angesichts einer solchen Weigerung, welche überdies durch den Gesamtinhalt
und die Sprache der Adresse sowie durch das Verhalten des Hauses während
der letztverfloßenen vier Monate in ihrer Bedeutung klargestellt wird, läßt eine
fernere Dauer der gegenwärtigen Session keine Resultate erwarten; sie würde
den Interessen des Landes weder seiner Lage noch seinen auswärtigen Beziehungen
nach entsprechen. Auch ich suche, wie meine Vorfahren, den Glanz, die Macht
und die Sicherheit meiner Regierung in dem gegenseitigen Bande des Vertrauens
und der Treue zwischen Fürst und Volk. Mit des Allmächtigen Hilfe wird es
mir gelingen, die sträflichen Versuche zu vereiteln, welche auf Lockerung dieses
Bandes gerichtet sind. In meinem Herzen steht das Vertrauen auf die treue
Anhänglichkeit des preußischen Volkes an sein Königshaus zu fest, als daß
es durch den Inhalt der Adresse des Abgeordnetenhauses erschüttert werden
sollte."




Grenzboten III. 1333.9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0073" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153522"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus dem Schnldbuche der Fortschrittspartei.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_292" prev="#ID_291"> werden Wichtiger, große Parteirhetoren große, aber leere Phrasen ausspielen^,<lb/>
auf immer räumen werden." ^sit roarvä, Ilion! Aber der Löwe war ein<lb/>
ehrsamer Schreiner, und das ganze Gerede ein Sommernachtstraum.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_293"> So spann sich der Streit der Demokraten im Abgeordnetenhaus? mit den<lb/>
Ministern weiter ab, und am 22. Mai richtete die Mehrheit des Abgeordneten¬<lb/>
hauses an den König eine Adresse, in welcher es &#x201E;noch einmal seine Gewissens¬<lb/>
pflicht erfüllte," indem es ihm &#x201E;in tiefster Ehrfurcht" erklärte: &#x201E;Das Haus der<lb/>
Abgeordneten hat kein Mittel der Verständigung mehr mit diesem Ministerium,<lb/>
es lehnt seine Mitwirkung zu der gegenwärtigen Politik der Negierung ab.<lb/>
Jede weitere Verhandlung befestigt uns nnr in der Überzeugung, daß zwischen<lb/>
den Ratgebern der Krone und dein Lande eine Kluft besteht, welche nicht anders<lb/>
als durch einen Wechsel der Personen, und mehr noch, durch einen Wechsel des<lb/>
Systems ausgefüllt werden wird."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_294"> Die Antwort des Königs lautete entschieden ablehnend. Ihre Hauptsätze<lb/>
erklärten: &#x201E;Dem Artikel 45 der Verfassungsurkunde entgegen, wonach der König<lb/>
die Minister ernennt und entläßt, will das Hans mich nötigen, mich mit Ministern<lb/>
zu umgeben, welche ihm genehm sind; es will dadurch eine verfassungswidrige<lb/>
Alleinherrschaft des Abgeordnetenhauses anbahnen. Dieses Verlangen weise ich<lb/>
zurück. Meine Minister besitzen mein Vertrauen, ihre amtlichen Handlungen<lb/>
sind wie meiner Billigung geschehen, und ich weiß es ihnen Dank, daß sie sich<lb/>
angelegen sein lassen, dein verfassungswidrigen Streben des Abgeordnetenhauses<lb/>
nach Machterweiterung entgegenzutreten. Unter der Mitwirkung, welche das<lb/>
Hans meiner Regierung zu verweigern erklärt, kann ich nur diejenige verstehen,<lb/>
zu welcher das Haus verfassungsmäßig berufen ist, da eine andre weder von<lb/>
ihm beansprucht werden kann, noch von meiner Regierung verlangt worden ist.<lb/>
Angesichts einer solchen Weigerung, welche überdies durch den Gesamtinhalt<lb/>
und die Sprache der Adresse sowie durch das Verhalten des Hauses während<lb/>
der letztverfloßenen vier Monate in ihrer Bedeutung klargestellt wird, läßt eine<lb/>
fernere Dauer der gegenwärtigen Session keine Resultate erwarten; sie würde<lb/>
den Interessen des Landes weder seiner Lage noch seinen auswärtigen Beziehungen<lb/>
nach entsprechen. Auch ich suche, wie meine Vorfahren, den Glanz, die Macht<lb/>
und die Sicherheit meiner Regierung in dem gegenseitigen Bande des Vertrauens<lb/>
und der Treue zwischen Fürst und Volk. Mit des Allmächtigen Hilfe wird es<lb/>
mir gelingen, die sträflichen Versuche zu vereiteln, welche auf Lockerung dieses<lb/>
Bandes gerichtet sind. In meinem Herzen steht das Vertrauen auf die treue<lb/>
Anhänglichkeit des preußischen Volkes an sein Königshaus zu fest, als daß<lb/>
es durch den Inhalt der Adresse des Abgeordnetenhauses erschüttert werden<lb/>
sollte."</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1333.9</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0073] Aus dem Schnldbuche der Fortschrittspartei. werden Wichtiger, große Parteirhetoren große, aber leere Phrasen ausspielen^, auf immer räumen werden." ^sit roarvä, Ilion! Aber der Löwe war ein ehrsamer Schreiner, und das ganze Gerede ein Sommernachtstraum. So spann sich der Streit der Demokraten im Abgeordnetenhaus? mit den Ministern weiter ab, und am 22. Mai richtete die Mehrheit des Abgeordneten¬ hauses an den König eine Adresse, in welcher es „noch einmal seine Gewissens¬ pflicht erfüllte," indem es ihm „in tiefster Ehrfurcht" erklärte: „Das Haus der Abgeordneten hat kein Mittel der Verständigung mehr mit diesem Ministerium, es lehnt seine Mitwirkung zu der gegenwärtigen Politik der Negierung ab. Jede weitere Verhandlung befestigt uns nnr in der Überzeugung, daß zwischen den Ratgebern der Krone und dein Lande eine Kluft besteht, welche nicht anders als durch einen Wechsel der Personen, und mehr noch, durch einen Wechsel des Systems ausgefüllt werden wird." Die Antwort des Königs lautete entschieden ablehnend. Ihre Hauptsätze erklärten: „Dem Artikel 45 der Verfassungsurkunde entgegen, wonach der König die Minister ernennt und entläßt, will das Hans mich nötigen, mich mit Ministern zu umgeben, welche ihm genehm sind; es will dadurch eine verfassungswidrige Alleinherrschaft des Abgeordnetenhauses anbahnen. Dieses Verlangen weise ich zurück. Meine Minister besitzen mein Vertrauen, ihre amtlichen Handlungen sind wie meiner Billigung geschehen, und ich weiß es ihnen Dank, daß sie sich angelegen sein lassen, dein verfassungswidrigen Streben des Abgeordnetenhauses nach Machterweiterung entgegenzutreten. Unter der Mitwirkung, welche das Hans meiner Regierung zu verweigern erklärt, kann ich nur diejenige verstehen, zu welcher das Haus verfassungsmäßig berufen ist, da eine andre weder von ihm beansprucht werden kann, noch von meiner Regierung verlangt worden ist. Angesichts einer solchen Weigerung, welche überdies durch den Gesamtinhalt und die Sprache der Adresse sowie durch das Verhalten des Hauses während der letztverfloßenen vier Monate in ihrer Bedeutung klargestellt wird, läßt eine fernere Dauer der gegenwärtigen Session keine Resultate erwarten; sie würde den Interessen des Landes weder seiner Lage noch seinen auswärtigen Beziehungen nach entsprechen. Auch ich suche, wie meine Vorfahren, den Glanz, die Macht und die Sicherheit meiner Regierung in dem gegenseitigen Bande des Vertrauens und der Treue zwischen Fürst und Volk. Mit des Allmächtigen Hilfe wird es mir gelingen, die sträflichen Versuche zu vereiteln, welche auf Lockerung dieses Bandes gerichtet sind. In meinem Herzen steht das Vertrauen auf die treue Anhänglichkeit des preußischen Volkes an sein Königshaus zu fest, als daß es durch den Inhalt der Adresse des Abgeordnetenhauses erschüttert werden sollte." Grenzboten III. 1333.9

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/73
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/73>, abgerufen am 05.12.2024.