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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Aus dem Schuttlande der Fortschrittspartei.

wir es für nötig finden, Krieg zu führen, so werden wir ihn führen, mit oder
ohne Ihr Gutheißen."

Darob große Sensation, die zum Schlüsse wieder in einer prophetischen
Vision gipfelte, welche diesmal der Abgeordnete Löwe hatte, und in welcher wir
folgenden Perlen der Beredtsamkeit und Staatsweisheit begegnen: "Wenn wir
diese Politik beklagen, welche den Schwerpunkt unseres Staats nicht mehr in
Deutschland findet, die Stütze nicht mehr im Vaterlande, sondern in seiner
östlichen Verbindung sucht, wenn wir diese russische Allianzpolitik beklagen, so
begreifen wir zugleich vollständig, daß das Ministerium eine solche reine Kabinets-
politik öder Redner wollte natürlich "Volkspolitik," d. h. Abgeordnetenhaus¬
politik, und d. h. wieder Fraktions-, Fortschritts- und schließlich Fortschritts¬
führerp olitikj nicht mit unsrer Wehrverfafsung vou 1813, nicht mit einer Armee
von 1813 ausführen könnte; dazu müßte es eine reorganisirte Armee haben,
eine große stehende Armee, mit der Kabinetspolitik getrieben werden kann, und
zwar Kabinetspolitik gegen die nationale Politik. jDie Nation waren damals selbst¬
verständlich immer die Herren Löwe und Konsorten, wie es jetzt selbverständlich die
Herren Richter, Virchow, Hänel und Kompagnie sind.j Wenn wir in diesem Au¬
genblicke von dem Herrn Minister gehört haben, daß er den Krieg führen würde
ohne unser Gutheißen, also ohne die Bewilligung, welche notwendig ist für einen
großen Krieg, in dem wir vielleicht in Elend und Schande gestürzt werden sollen
sollen!j, so müssen wir wohl bedenken, daß diese Kabinetspolitik erst möglich ge¬
worden ist, wenn man nicht mehr bei der Landwehr anzuklopfen braucht, um diesen
Kabinetskrieg zu führen. sHier des Pudels Kern bei der ganzen hartnäckigen Oppo¬
sition gegen die Umgestaltung der Wehrverfassung: wenn die Herren vom Fortschritt
sich dagegen mit Händen und Füßen sträubten, so war ihrer langen Reden kurzer
Sinn ein Heer, das dem Könige weniger gehorchte als dem Abgeordnetenhause;
die Landwehr sollte, so hoffte man, ein Parlamentsheer abgeben.s Ich behaupte,
daß die Pflicht dieses Hauses dahin geht, diesem Ministerium nicht bloß wegen seiner
verwerflichen Grundsätze, nicht bloß wegen seiner Tendenz die Mittel zu versagen,
besonders sondern deshalb, weil dieses Ministerium einen so außerordent¬
lichen Mangel an staatsmännischer Geschicklichkeit und Einsicht, an
Kenntnis der wirklichen Verhältnisse des Staates . . . gezeigt hat, daß
wir ihm keine neuen Mittel, soweit wir es verhindern können, in die Hände geben
dürfen, weil wir die Mittel, die wir ihm in die Hände geben, als verwüstet be¬
trachten. In diesem Sinne verwahren wir uns gegen diese Erklärung des Herrn
Ministerpräsidenten, welche die parlamentarische Sitte mich hindert näher zu aucili-
fiziren, daß man Krieg führen wird ohne die Zustimmung der Volksvertretung.
Beginnen kann man ihn, aber diese Männer werden niemals die Geschicke der
Nation in Händen haben, wenn die Nation mit ihrem Blute dafür einstehen
muß. Dann ist der Augenblick gekommen, wo sie diese Sitze, die sie im Rate
der Nation immer freiwillig räumen, sobald große Angelegenheiten verhandelt


Aus dem Schuttlande der Fortschrittspartei.

wir es für nötig finden, Krieg zu führen, so werden wir ihn führen, mit oder
ohne Ihr Gutheißen."

Darob große Sensation, die zum Schlüsse wieder in einer prophetischen
Vision gipfelte, welche diesmal der Abgeordnete Löwe hatte, und in welcher wir
folgenden Perlen der Beredtsamkeit und Staatsweisheit begegnen: „Wenn wir
diese Politik beklagen, welche den Schwerpunkt unseres Staats nicht mehr in
Deutschland findet, die Stütze nicht mehr im Vaterlande, sondern in seiner
östlichen Verbindung sucht, wenn wir diese russische Allianzpolitik beklagen, so
begreifen wir zugleich vollständig, daß das Ministerium eine solche reine Kabinets-
politik öder Redner wollte natürlich „Volkspolitik," d. h. Abgeordnetenhaus¬
politik, und d. h. wieder Fraktions-, Fortschritts- und schließlich Fortschritts¬
führerp olitikj nicht mit unsrer Wehrverfafsung vou 1813, nicht mit einer Armee
von 1813 ausführen könnte; dazu müßte es eine reorganisirte Armee haben,
eine große stehende Armee, mit der Kabinetspolitik getrieben werden kann, und
zwar Kabinetspolitik gegen die nationale Politik. jDie Nation waren damals selbst¬
verständlich immer die Herren Löwe und Konsorten, wie es jetzt selbverständlich die
Herren Richter, Virchow, Hänel und Kompagnie sind.j Wenn wir in diesem Au¬
genblicke von dem Herrn Minister gehört haben, daß er den Krieg führen würde
ohne unser Gutheißen, also ohne die Bewilligung, welche notwendig ist für einen
großen Krieg, in dem wir vielleicht in Elend und Schande gestürzt werden sollen
sollen!j, so müssen wir wohl bedenken, daß diese Kabinetspolitik erst möglich ge¬
worden ist, wenn man nicht mehr bei der Landwehr anzuklopfen braucht, um diesen
Kabinetskrieg zu führen. sHier des Pudels Kern bei der ganzen hartnäckigen Oppo¬
sition gegen die Umgestaltung der Wehrverfassung: wenn die Herren vom Fortschritt
sich dagegen mit Händen und Füßen sträubten, so war ihrer langen Reden kurzer
Sinn ein Heer, das dem Könige weniger gehorchte als dem Abgeordnetenhause;
die Landwehr sollte, so hoffte man, ein Parlamentsheer abgeben.s Ich behaupte,
daß die Pflicht dieses Hauses dahin geht, diesem Ministerium nicht bloß wegen seiner
verwerflichen Grundsätze, nicht bloß wegen seiner Tendenz die Mittel zu versagen,
besonders sondern deshalb, weil dieses Ministerium einen so außerordent¬
lichen Mangel an staatsmännischer Geschicklichkeit und Einsicht, an
Kenntnis der wirklichen Verhältnisse des Staates . . . gezeigt hat, daß
wir ihm keine neuen Mittel, soweit wir es verhindern können, in die Hände geben
dürfen, weil wir die Mittel, die wir ihm in die Hände geben, als verwüstet be¬
trachten. In diesem Sinne verwahren wir uns gegen diese Erklärung des Herrn
Ministerpräsidenten, welche die parlamentarische Sitte mich hindert näher zu aucili-
fiziren, daß man Krieg führen wird ohne die Zustimmung der Volksvertretung.
Beginnen kann man ihn, aber diese Männer werden niemals die Geschicke der
Nation in Händen haben, wenn die Nation mit ihrem Blute dafür einstehen
muß. Dann ist der Augenblick gekommen, wo sie diese Sitze, die sie im Rate
der Nation immer freiwillig räumen, sobald große Angelegenheiten verhandelt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/72>, abgerufen am 08.09.2024.