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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.
Angust Niemann Roman von (Gotha).
(Schluß.)

<AM
^>Mfarrer Sengstack war sehr bleich, als er vor die beiden Braut¬
paare trat, um seines kirchlichen Amtes zu warten, aber seine
gewöhnliche Schüchternheit war in dem großen Schmerze, der ihn
erfüllte, untergegangen. Indem er Dorothea betrachtete, zog el"
solches Weh der Entsagung durch seine Seele, daß alle kleinern
Empfindungen darin erstickt wurden. Doch war er von so reiner
Gesinnung, daß selbst der Schmerz ihm zur Wohlthat wurde und ihn gleichsam
läuterte in seiner Auffassung des Hirtenberufes. Nur richtete er seine Worte
in der Traurede ebensowohl an sich selbst wie an die Paare, die vor ihm
standen, wie denn er, der mit dem Herzen in seinem Berufe stehende Geistliche,
oft unbewußt ein Bekenntnis ablegte, indem er die Gemeinde zu lehren ver¬
meinte.

Doktor Martinus Luther -- so sagte er in seiner Predigt -- schließet
also: Wo man eheliche Leute findet, daß das Weib nicht Unglück hat mit Kin¬
dern, dem Manu auch nicht sauer wird, da ist es nicht recht; rechte eheliche
Weib und Mann sollen nicht gute Tage haben. Ich glaube aber, der teure
Gottesmann hat damit wohl sagen wollen, daß auch der herrlichste Stand auf
Erden, der christliche Ehestand, darin seine höchste und seligste Bedeutung hat,
daß er soll eine Erziehung sein zum Himmelreich. So sagt der heilige Apostel
Paulus: Ich wollte, daß ihr ohne Sorge wäret. Die da Weiber haben, seien,
als hätten sie keine, und die da weinen, als weineten sie nicht; und die sich
freuen, als freueten sie sich nicht. Denn das Wesen dieser Welt vergehet.
Der Apostel will damit sagen, daß unsre Seelen dem Herrn angehören, und
daß die Welt ihre Tiefen nicht berühren darf. Und ich glaube, meine Lieben,
daß eure Seckel: wohl zu denen gehören, die bevorzugt sind vor vielen, indem
ihr die erziehende Trübsal geschmeckt habt, ohne wankend zu werden. Ihr wäret
ohne Sorge, und als ihr weintet, da wart ihr, als weintet ihr nicht, nämlich
eure Sorge war allein die, ob ihr auch dem Herrn treu bliebet, und der Herr
verläßt nicht die, welche auf ihn bauen. So dürfen wir wohl der Gnade des
Höchsten vertrauen, daß er die Erprobten auf seinen Wegen weiter führen
werde. Eine herrliche Höhe aber wird es sein, zu der er seine Erwählten
hinanführt.




Die Grafen von Altenschwerdt.
Angust Niemann Roman von (Gotha).
(Schluß.)

<AM
^>Mfarrer Sengstack war sehr bleich, als er vor die beiden Braut¬
paare trat, um seines kirchlichen Amtes zu warten, aber seine
gewöhnliche Schüchternheit war in dem großen Schmerze, der ihn
erfüllte, untergegangen. Indem er Dorothea betrachtete, zog el»
solches Weh der Entsagung durch seine Seele, daß alle kleinern
Empfindungen darin erstickt wurden. Doch war er von so reiner
Gesinnung, daß selbst der Schmerz ihm zur Wohlthat wurde und ihn gleichsam
läuterte in seiner Auffassung des Hirtenberufes. Nur richtete er seine Worte
in der Traurede ebensowohl an sich selbst wie an die Paare, die vor ihm
standen, wie denn er, der mit dem Herzen in seinem Berufe stehende Geistliche,
oft unbewußt ein Bekenntnis ablegte, indem er die Gemeinde zu lehren ver¬
meinte.

Doktor Martinus Luther — so sagte er in seiner Predigt — schließet
also: Wo man eheliche Leute findet, daß das Weib nicht Unglück hat mit Kin¬
dern, dem Manu auch nicht sauer wird, da ist es nicht recht; rechte eheliche
Weib und Mann sollen nicht gute Tage haben. Ich glaube aber, der teure
Gottesmann hat damit wohl sagen wollen, daß auch der herrlichste Stand auf
Erden, der christliche Ehestand, darin seine höchste und seligste Bedeutung hat,
daß er soll eine Erziehung sein zum Himmelreich. So sagt der heilige Apostel
Paulus: Ich wollte, daß ihr ohne Sorge wäret. Die da Weiber haben, seien,
als hätten sie keine, und die da weinen, als weineten sie nicht; und die sich
freuen, als freueten sie sich nicht. Denn das Wesen dieser Welt vergehet.
Der Apostel will damit sagen, daß unsre Seelen dem Herrn angehören, und
daß die Welt ihre Tiefen nicht berühren darf. Und ich glaube, meine Lieben,
daß eure Seckel: wohl zu denen gehören, die bevorzugt sind vor vielen, indem
ihr die erziehende Trübsal geschmeckt habt, ohne wankend zu werden. Ihr wäret
ohne Sorge, und als ihr weintet, da wart ihr, als weintet ihr nicht, nämlich
eure Sorge war allein die, ob ihr auch dem Herrn treu bliebet, und der Herr
verläßt nicht die, welche auf ihn bauen. So dürfen wir wohl der Gnade des
Höchsten vertrauen, daß er die Erprobten auf seinen Wegen weiter führen
werde. Eine herrliche Höhe aber wird es sein, zu der er seine Erwählten
hinanführt.


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[0702] Die Grafen von Altenschwerdt. Angust Niemann Roman von (Gotha). (Schluß.) <AM ^>Mfarrer Sengstack war sehr bleich, als er vor die beiden Braut¬ paare trat, um seines kirchlichen Amtes zu warten, aber seine gewöhnliche Schüchternheit war in dem großen Schmerze, der ihn erfüllte, untergegangen. Indem er Dorothea betrachtete, zog el» solches Weh der Entsagung durch seine Seele, daß alle kleinern Empfindungen darin erstickt wurden. Doch war er von so reiner Gesinnung, daß selbst der Schmerz ihm zur Wohlthat wurde und ihn gleichsam läuterte in seiner Auffassung des Hirtenberufes. Nur richtete er seine Worte in der Traurede ebensowohl an sich selbst wie an die Paare, die vor ihm standen, wie denn er, der mit dem Herzen in seinem Berufe stehende Geistliche, oft unbewußt ein Bekenntnis ablegte, indem er die Gemeinde zu lehren ver¬ meinte. Doktor Martinus Luther — so sagte er in seiner Predigt — schließet also: Wo man eheliche Leute findet, daß das Weib nicht Unglück hat mit Kin¬ dern, dem Manu auch nicht sauer wird, da ist es nicht recht; rechte eheliche Weib und Mann sollen nicht gute Tage haben. Ich glaube aber, der teure Gottesmann hat damit wohl sagen wollen, daß auch der herrlichste Stand auf Erden, der christliche Ehestand, darin seine höchste und seligste Bedeutung hat, daß er soll eine Erziehung sein zum Himmelreich. So sagt der heilige Apostel Paulus: Ich wollte, daß ihr ohne Sorge wäret. Die da Weiber haben, seien, als hätten sie keine, und die da weinen, als weineten sie nicht; und die sich freuen, als freueten sie sich nicht. Denn das Wesen dieser Welt vergehet. Der Apostel will damit sagen, daß unsre Seelen dem Herrn angehören, und daß die Welt ihre Tiefen nicht berühren darf. Und ich glaube, meine Lieben, daß eure Seckel: wohl zu denen gehören, die bevorzugt sind vor vielen, indem ihr die erziehende Trübsal geschmeckt habt, ohne wankend zu werden. Ihr wäret ohne Sorge, und als ihr weintet, da wart ihr, als weintet ihr nicht, nämlich eure Sorge war allein die, ob ihr auch dem Herrn treu bliebet, und der Herr verläßt nicht die, welche auf ihn bauen. So dürfen wir wohl der Gnade des Höchsten vertrauen, daß er die Erprobten auf seinen Wegen weiter führen werde. Eine herrliche Höhe aber wird es sein, zu der er seine Erwählten hinanführt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/702>, abgerufen am 08.09.2024.