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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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neuesten Datums (1883) vertreten ist, erhielt Hermann Balsas, jetzt in Karls¬
ruhe, eine erste Medaille für seine Landschaften mit Viehherden, von denen zwei
Motive aus der Münchener Hochebene im Frühling und im Spätsommer, also
in den beiden durch die graue Luftstimmung charakteristischen Jahreszeiten, be¬
handeln. Die Durchsichtigkeit und die feine Abtönung der Luft, das Spiel des
grauliche" Lichtes auf den feuchten Wiesen, auf den Körpern des gelagerten oder
weidenden Rindviehes, das Schweben der zarten, silbertönigen Nebelschleier --
alle diese feinen Farbennuancen, welche sich kaum durch Worte präzisiren lassen,
sind hier zu einem Ausdruck von vollendeter Naturwahrheit gekommen. Nur
wer selbst mit einem etwas malerisch angelegten Auge begabt ist und vor der
Natur dem Künstler nachzufühlen imstande ist, vermag die erstaunliche technische
Virtuosität, den Umfang seines koloristischen Könnens und die Kraft seiner Em¬
pfindung und seines Aneignungsvermögens zu würdigen. Die vollste Natur¬
wahrheit in der Wiedergabe des Geschehenen muß man auch bei Josef Weng-
leiu anerkennen, der nur nicht so vornehm im Kolorit und so poetisch gestimmt
ist wie Balsas. Seine Landschaften von der Jsar, das "Jsarbett zwischen Tölz und
Lenggries," "Nach dem Hochwasser" und vor allen die "Kalksteinsammlerinnen im
Jsarbett bei Tölz" mit der sonderbaren Staffage der in Drillichkleidern steckenden,
die Steine auslesenden Frauen, sind getreue Abbilder einer charaktervoller Natur,
deren bleibende Formation ebenso fesselnd ist wie der Wechsel der atmosphärischen
Phänomene. Er und Ludwig Dill, welcher drei sonnige Kanalbilder aus Ve¬
nedig eingesendet hat, sind mit zweiten Medaillen ausgezeichnet worden. Gustav
Schönleber, welcher ebenfalls diesem Kreise angehört, hat mit Danzig be¬
gonnen, ist dann zu Venedig übergegangen und behandelt jetzt mit Vorliebe
holländische Motive, Strandbilder, Fluß- und Kanallandschaften. Aber auch
im Auslande begleitet diese Künstler der in der Heimat gewonnene und geübte
Scharfblick für die Mannichfaltigkeit und für die durch die Nähe des Wassers be¬
wirkte Veränderungsfähigkeit der Luftströme, deren malerische Darstellung durch
eine bei allen fast gleichmäßige Virtuosität in der Technik ermöglicht wird.

Viktor Weishaupt, der treffliche Tier- und Landschaftsmaler, führt uns
mit einem beide Seiten seiner Kunst repräsentirenden Bilde "Vor dem Städtchen,"
einem Flusse mit Pferden und Kühen in der Schwemme, wieder zur Schule von
Diez. Holmberg, eines ihrer tüchtigsten Glieder, ist nicht mit Bildern ver¬
treten, welche ihn auf der Höhe seines Könnens, seines gediegenen, vornehmen
Kolorits und seiner eingehenden Charakteristik zeigen. Dagegen lernen wir in
Paul Höcker einen Künstler kennen, dessen malerische Begabung in diesem Kreise
noch eine außerordentliche genannt werde" muß. Auch er hat auf dem Umweg
über Diez seine Inspirationen von den holländischen Genremalern des siebzehnten
Jahrhunderts geholt, und auf zwei von den fünf Bildern, die er ausgestellt,
hat er sogar holländische Motive bearbeitet. Das eine ist der Kopf einer kleinen
Holländerin mit der nationalen Haube und der Glocke von Goldblech darunter,


Grenzboten III. 1883. 37

neuesten Datums (1883) vertreten ist, erhielt Hermann Balsas, jetzt in Karls¬
ruhe, eine erste Medaille für seine Landschaften mit Viehherden, von denen zwei
Motive aus der Münchener Hochebene im Frühling und im Spätsommer, also
in den beiden durch die graue Luftstimmung charakteristischen Jahreszeiten, be¬
handeln. Die Durchsichtigkeit und die feine Abtönung der Luft, das Spiel des
grauliche» Lichtes auf den feuchten Wiesen, auf den Körpern des gelagerten oder
weidenden Rindviehes, das Schweben der zarten, silbertönigen Nebelschleier —
alle diese feinen Farbennuancen, welche sich kaum durch Worte präzisiren lassen,
sind hier zu einem Ausdruck von vollendeter Naturwahrheit gekommen. Nur
wer selbst mit einem etwas malerisch angelegten Auge begabt ist und vor der
Natur dem Künstler nachzufühlen imstande ist, vermag die erstaunliche technische
Virtuosität, den Umfang seines koloristischen Könnens und die Kraft seiner Em¬
pfindung und seines Aneignungsvermögens zu würdigen. Die vollste Natur¬
wahrheit in der Wiedergabe des Geschehenen muß man auch bei Josef Weng-
leiu anerkennen, der nur nicht so vornehm im Kolorit und so poetisch gestimmt
ist wie Balsas. Seine Landschaften von der Jsar, das „Jsarbett zwischen Tölz und
Lenggries," „Nach dem Hochwasser" und vor allen die „Kalksteinsammlerinnen im
Jsarbett bei Tölz" mit der sonderbaren Staffage der in Drillichkleidern steckenden,
die Steine auslesenden Frauen, sind getreue Abbilder einer charaktervoller Natur,
deren bleibende Formation ebenso fesselnd ist wie der Wechsel der atmosphärischen
Phänomene. Er und Ludwig Dill, welcher drei sonnige Kanalbilder aus Ve¬
nedig eingesendet hat, sind mit zweiten Medaillen ausgezeichnet worden. Gustav
Schönleber, welcher ebenfalls diesem Kreise angehört, hat mit Danzig be¬
gonnen, ist dann zu Venedig übergegangen und behandelt jetzt mit Vorliebe
holländische Motive, Strandbilder, Fluß- und Kanallandschaften. Aber auch
im Auslande begleitet diese Künstler der in der Heimat gewonnene und geübte
Scharfblick für die Mannichfaltigkeit und für die durch die Nähe des Wassers be¬
wirkte Veränderungsfähigkeit der Luftströme, deren malerische Darstellung durch
eine bei allen fast gleichmäßige Virtuosität in der Technik ermöglicht wird.

Viktor Weishaupt, der treffliche Tier- und Landschaftsmaler, führt uns
mit einem beide Seiten seiner Kunst repräsentirenden Bilde „Vor dem Städtchen,"
einem Flusse mit Pferden und Kühen in der Schwemme, wieder zur Schule von
Diez. Holmberg, eines ihrer tüchtigsten Glieder, ist nicht mit Bildern ver¬
treten, welche ihn auf der Höhe seines Könnens, seines gediegenen, vornehmen
Kolorits und seiner eingehenden Charakteristik zeigen. Dagegen lernen wir in
Paul Höcker einen Künstler kennen, dessen malerische Begabung in diesem Kreise
noch eine außerordentliche genannt werde» muß. Auch er hat auf dem Umweg
über Diez seine Inspirationen von den holländischen Genremalern des siebzehnten
Jahrhunderts geholt, und auf zwei von den fünf Bildern, die er ausgestellt,
hat er sogar holländische Motive bearbeitet. Das eine ist der Kopf einer kleinen
Holländerin mit der nationalen Haube und der Glocke von Goldblech darunter,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/697>, abgerufen am 08.09.2024.