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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die internationale Runstansstellung in München.

Stimmung der Franzosen gegen Deutschland hat freilich auch eine auf deutscher
Ausstellung erworbene Auszeichmmg für einen französischen Künstler keinen Wert.

Aber es sind nicht die Franzosen allem, welche gegen die internationalen
Ausstellungen abgestumpft und gleichgiltig geworden sind. Dieselbe Zurück¬
haltung wie in Amsterdam haben die Engländer auch in München gezeigt. Sie
sind hier weder offiziell vertreten, noch haben sie sich privatim beteiligt. Welchen
instruktiven Wert kann also eine internationale Kunstausstellung haben, auf welcher
England, dessen Malerei eine außerordentlich hohe Stufe und vor allen Dingen
eine nationale Selbständigkeit erreicht hat, gänzlich fehlt und Frankreich nur
durch mittelmäßige Werke vertreten ist? Auch Belgien hat sich nur schwach
und Holland so gut wie garnicht beteiligt, weil, wie vorauszusehen war, beide
Länder vollständig durch die Ausstellung in Amsterdam absorbirt worden sind.

Die "internationale" Kunstausstellung in München verdient also wiederum
ihr Epitheton nicht, sondern sie ist, wie alle frühern, mit Ausnahme der Pariser
von 1873, eitel Stückwerk. Das muß umso schärfer betont werden, als sich
die Mehrzahl der Besucher durch die glänzende Jnszenirung, durch die prunk¬
volle Dekoration und durch die ungeheure, in Deutschland uoch von keinem ähn¬
lichen Unternehmen erreichte Fülle der ausgestellten Kunstwerke über die Lücken¬
haftigkeit der Ausstellung nach nationalen Gesichtspunkten hinwegtäuschen läßt. Es
muß anerkannt werden, daß es den Münchenern gelungen ist, etwa 3300 Kunst¬
werke aus allen Ecken Europas -- mit Ausnahme von Rußland und Griechen¬
land -- zusammenzutrommeln. Das ist für ein deutsches Unternehmen über¬
raschend viel. Hatte doch die vorjährige internationale Ausstellung in Wien
nur etwa 1360 Kunstwerke vereinigt, also ungefähr soviel wie eine gut beschickte
Ausstellung der Berliner Akademie! Aber was will jene imposante Zahl gegen
einen einzigen Pariser Salon sagen? Der Katalog des letzten führte 4950
Nummern auf. Wir müssen also mit Beschämung eingestehen, daß trotz aller
internationaler Veranstaltungen in Deutschland Paris, wenigstens als Metro-
Pole des künstlerischen Lebens, nach wie vor sein Übergewicht behauptet und
daß Paris, wenn es seinen Lockruf ertönen läßt, trotz der veränderten politischen
Konstellationen immer noch willigere Ohren findet als alle übrigen Hauptstädte
Europas. Das muß immer wieder betont werden, um unbesonnene Plänemacher
zur Ruhe zu bringen.

An und für sich betrachtet hat die Münchener Ausstellung bereits die Grenze
erreicht, wo der Kunstgenuß aufhört und die Strapaze beginnt. An die Auf¬
nahmefähigkeit der Besucher, an ihre geistige Beweglichkeit und Frische werden
schon die äußersten Anforderungen gestellt, und nur die musterhafte Anordnung
des illustrirten Katalogs, welcher ein ebenso bequemer als zuverlässiger Weg¬
weiser ist, macht es dem Beschauer möglich, sich in den 87 Sälen und Kabinetten
zurechtzufinden. Die Namen der Künstler sind nicht, wie üblich, in alphabe¬
tischer Reihenfolge aufgeführt, soudern es ist ein vollständiges Itinerarium fiir


Die internationale Runstansstellung in München.

Stimmung der Franzosen gegen Deutschland hat freilich auch eine auf deutscher
Ausstellung erworbene Auszeichmmg für einen französischen Künstler keinen Wert.

Aber es sind nicht die Franzosen allem, welche gegen die internationalen
Ausstellungen abgestumpft und gleichgiltig geworden sind. Dieselbe Zurück¬
haltung wie in Amsterdam haben die Engländer auch in München gezeigt. Sie
sind hier weder offiziell vertreten, noch haben sie sich privatim beteiligt. Welchen
instruktiven Wert kann also eine internationale Kunstausstellung haben, auf welcher
England, dessen Malerei eine außerordentlich hohe Stufe und vor allen Dingen
eine nationale Selbständigkeit erreicht hat, gänzlich fehlt und Frankreich nur
durch mittelmäßige Werke vertreten ist? Auch Belgien hat sich nur schwach
und Holland so gut wie garnicht beteiligt, weil, wie vorauszusehen war, beide
Länder vollständig durch die Ausstellung in Amsterdam absorbirt worden sind.

Die „internationale" Kunstausstellung in München verdient also wiederum
ihr Epitheton nicht, sondern sie ist, wie alle frühern, mit Ausnahme der Pariser
von 1873, eitel Stückwerk. Das muß umso schärfer betont werden, als sich
die Mehrzahl der Besucher durch die glänzende Jnszenirung, durch die prunk¬
volle Dekoration und durch die ungeheure, in Deutschland uoch von keinem ähn¬
lichen Unternehmen erreichte Fülle der ausgestellten Kunstwerke über die Lücken¬
haftigkeit der Ausstellung nach nationalen Gesichtspunkten hinwegtäuschen läßt. Es
muß anerkannt werden, daß es den Münchenern gelungen ist, etwa 3300 Kunst¬
werke aus allen Ecken Europas — mit Ausnahme von Rußland und Griechen¬
land — zusammenzutrommeln. Das ist für ein deutsches Unternehmen über¬
raschend viel. Hatte doch die vorjährige internationale Ausstellung in Wien
nur etwa 1360 Kunstwerke vereinigt, also ungefähr soviel wie eine gut beschickte
Ausstellung der Berliner Akademie! Aber was will jene imposante Zahl gegen
einen einzigen Pariser Salon sagen? Der Katalog des letzten führte 4950
Nummern auf. Wir müssen also mit Beschämung eingestehen, daß trotz aller
internationaler Veranstaltungen in Deutschland Paris, wenigstens als Metro-
Pole des künstlerischen Lebens, nach wie vor sein Übergewicht behauptet und
daß Paris, wenn es seinen Lockruf ertönen läßt, trotz der veränderten politischen
Konstellationen immer noch willigere Ohren findet als alle übrigen Hauptstädte
Europas. Das muß immer wieder betont werden, um unbesonnene Plänemacher
zur Ruhe zu bringen.

An und für sich betrachtet hat die Münchener Ausstellung bereits die Grenze
erreicht, wo der Kunstgenuß aufhört und die Strapaze beginnt. An die Auf¬
nahmefähigkeit der Besucher, an ihre geistige Beweglichkeit und Frische werden
schon die äußersten Anforderungen gestellt, und nur die musterhafte Anordnung
des illustrirten Katalogs, welcher ein ebenso bequemer als zuverlässiger Weg¬
weiser ist, macht es dem Beschauer möglich, sich in den 87 Sälen und Kabinetten
zurechtzufinden. Die Namen der Künstler sind nicht, wie üblich, in alphabe¬
tischer Reihenfolge aufgeführt, soudern es ist ein vollständiges Itinerarium fiir


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[0629] Die internationale Runstansstellung in München. Stimmung der Franzosen gegen Deutschland hat freilich auch eine auf deutscher Ausstellung erworbene Auszeichmmg für einen französischen Künstler keinen Wert. Aber es sind nicht die Franzosen allem, welche gegen die internationalen Ausstellungen abgestumpft und gleichgiltig geworden sind. Dieselbe Zurück¬ haltung wie in Amsterdam haben die Engländer auch in München gezeigt. Sie sind hier weder offiziell vertreten, noch haben sie sich privatim beteiligt. Welchen instruktiven Wert kann also eine internationale Kunstausstellung haben, auf welcher England, dessen Malerei eine außerordentlich hohe Stufe und vor allen Dingen eine nationale Selbständigkeit erreicht hat, gänzlich fehlt und Frankreich nur durch mittelmäßige Werke vertreten ist? Auch Belgien hat sich nur schwach und Holland so gut wie garnicht beteiligt, weil, wie vorauszusehen war, beide Länder vollständig durch die Ausstellung in Amsterdam absorbirt worden sind. Die „internationale" Kunstausstellung in München verdient also wiederum ihr Epitheton nicht, sondern sie ist, wie alle frühern, mit Ausnahme der Pariser von 1873, eitel Stückwerk. Das muß umso schärfer betont werden, als sich die Mehrzahl der Besucher durch die glänzende Jnszenirung, durch die prunk¬ volle Dekoration und durch die ungeheure, in Deutschland uoch von keinem ähn¬ lichen Unternehmen erreichte Fülle der ausgestellten Kunstwerke über die Lücken¬ haftigkeit der Ausstellung nach nationalen Gesichtspunkten hinwegtäuschen läßt. Es muß anerkannt werden, daß es den Münchenern gelungen ist, etwa 3300 Kunst¬ werke aus allen Ecken Europas — mit Ausnahme von Rußland und Griechen¬ land — zusammenzutrommeln. Das ist für ein deutsches Unternehmen über¬ raschend viel. Hatte doch die vorjährige internationale Ausstellung in Wien nur etwa 1360 Kunstwerke vereinigt, also ungefähr soviel wie eine gut beschickte Ausstellung der Berliner Akademie! Aber was will jene imposante Zahl gegen einen einzigen Pariser Salon sagen? Der Katalog des letzten führte 4950 Nummern auf. Wir müssen also mit Beschämung eingestehen, daß trotz aller internationaler Veranstaltungen in Deutschland Paris, wenigstens als Metro- Pole des künstlerischen Lebens, nach wie vor sein Übergewicht behauptet und daß Paris, wenn es seinen Lockruf ertönen läßt, trotz der veränderten politischen Konstellationen immer noch willigere Ohren findet als alle übrigen Hauptstädte Europas. Das muß immer wieder betont werden, um unbesonnene Plänemacher zur Ruhe zu bringen. An und für sich betrachtet hat die Münchener Ausstellung bereits die Grenze erreicht, wo der Kunstgenuß aufhört und die Strapaze beginnt. An die Auf¬ nahmefähigkeit der Besucher, an ihre geistige Beweglichkeit und Frische werden schon die äußersten Anforderungen gestellt, und nur die musterhafte Anordnung des illustrirten Katalogs, welcher ein ebenso bequemer als zuverlässiger Weg¬ weiser ist, macht es dem Beschauer möglich, sich in den 87 Sälen und Kabinetten zurechtzufinden. Die Namen der Künstler sind nicht, wie üblich, in alphabe¬ tischer Reihenfolge aufgeführt, soudern es ist ein vollständiges Itinerarium fiir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/629>, abgerufen am 08.09.2024.