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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die internationale Kunstausstellung in München.

Pariser "Salons," andrerseits der Schluß der Berliner Ausstellung abgewartet
werden mußte, da die Kunstwerke, welche die Künstler der drei genannten Städte
zur freien Verfügung hatten, in jenen beiden Ausstellungen gewissermaßen fest¬
gelegt waren. Frankreich insbesondre befand sich in der größten Verlegenheit.
Es hatte nur mit dem Zeitraume von 1880 bis 1883 zu rechnen, und da es sich
einmal für die Amsterdamer Ausstellung engagirt hatte und überdies der Lslon
trisnnal vor der Thür stand, für welchen alles Gute aufgespart wurde, so
konnte für München nur herzlich wenig übrig bleiben. Aus diesem Grunde
hatte man anfangs in Paris beschlossen, daß sich Frankreich nicht offiziell an
der Münchener Ausstellung beteiligen sollte. Aber der Beredtsamkeit der
Münchener Emissäre gelang es, sowohl diesen Beschluß rückgängig zu machen
als auch den in Berlin und Düsseldorf versuchten Widerstand aus dem Wege
zu räumen.

Viel ist damit freilich nicht erreicht worden. Während im Jahre 1879
die Münchener Künstler bei der Eröffnung der französischen Säle in einen
Taumel des Entzückens gerieten, huben sie diesmal lange Gesichter gemacht.
Sowohl nach der Quantität als auch nach der Qualität ließ die französische
Abteilung viel zu wünschen übrig. Selbst die ungeheure künstlerische Produktion
Frankreichs ist nicht mehr imstande, das unersättliche Bedürfnis der inter¬
nationalen Ausstellungen zu befriedigen. Wer die letzten Pariser Salons ge¬
sehen, kann sich den Besuch der französischen Säle ersparen, falls er nicht ein
Gewicht darauf legt, Bekanntschaften von bisweilen recht zweifelhaften, Werte
zu erneuern. Die französische Abteilung steht ganz erheblich hinter derjenigen
der Wiener internationalen Kunstausstellung von 1882 zurück, welche ebenfalls
alle vier Jahre wiederholt werden soll. Wenn Wien und München auf ihrem
Stück bestehen, werden wir also in einem Zeitraum von sechs Jahren vier inter¬
nationale Kunstausstellungen genossen haben. Daß diese Hetzjagd der Kunst
keinen wahren Vorteil bringen kann, leuchtet jedermann ein, nur nicht den
Unternehmern der Ausstellungen selbst. Schon jetzt macht man die Beobachtung,
daß auf den verschiednen internationalen Ausstellungen in gewissen Zwischen-
räumen immer dieselben Kunstwerke wiederkehren, ähnlich wie bei der Aufführung
von Schillers "Jungfrau von Orleans" die Statisten, welche den Krönungszug
bilden, wenn sie links verschwunden sind, auf der rechten Seite wieder zum Vor¬
schein kommen, um dem Zuschauer den Eindruck einer imposanten Massenentfal¬
tung zu machen.

Die Franzosen haben nicht das geringste Bedenken getragen, Gemälde,
welche auf der vorjährigen internationalen Ausstellung in Wien zu sehen waren,
wiederum in München zu zeigen, meist nur aus dem sehr materiellen Grunde,
weil sie in Wien keine Käufer gefunden haben. Sie betrachten diese in Deutsch¬
land und Osterreich arrangirten Ausstellungen als einfache Bnzare, ohne dabei
den geringsten künstlerischen Ehrgeiz mitwirken zu lassen. Bei der gegenwärtigen


Die internationale Kunstausstellung in München.

Pariser „Salons," andrerseits der Schluß der Berliner Ausstellung abgewartet
werden mußte, da die Kunstwerke, welche die Künstler der drei genannten Städte
zur freien Verfügung hatten, in jenen beiden Ausstellungen gewissermaßen fest¬
gelegt waren. Frankreich insbesondre befand sich in der größten Verlegenheit.
Es hatte nur mit dem Zeitraume von 1880 bis 1883 zu rechnen, und da es sich
einmal für die Amsterdamer Ausstellung engagirt hatte und überdies der Lslon
trisnnal vor der Thür stand, für welchen alles Gute aufgespart wurde, so
konnte für München nur herzlich wenig übrig bleiben. Aus diesem Grunde
hatte man anfangs in Paris beschlossen, daß sich Frankreich nicht offiziell an
der Münchener Ausstellung beteiligen sollte. Aber der Beredtsamkeit der
Münchener Emissäre gelang es, sowohl diesen Beschluß rückgängig zu machen
als auch den in Berlin und Düsseldorf versuchten Widerstand aus dem Wege
zu räumen.

Viel ist damit freilich nicht erreicht worden. Während im Jahre 1879
die Münchener Künstler bei der Eröffnung der französischen Säle in einen
Taumel des Entzückens gerieten, huben sie diesmal lange Gesichter gemacht.
Sowohl nach der Quantität als auch nach der Qualität ließ die französische
Abteilung viel zu wünschen übrig. Selbst die ungeheure künstlerische Produktion
Frankreichs ist nicht mehr imstande, das unersättliche Bedürfnis der inter¬
nationalen Ausstellungen zu befriedigen. Wer die letzten Pariser Salons ge¬
sehen, kann sich den Besuch der französischen Säle ersparen, falls er nicht ein
Gewicht darauf legt, Bekanntschaften von bisweilen recht zweifelhaften, Werte
zu erneuern. Die französische Abteilung steht ganz erheblich hinter derjenigen
der Wiener internationalen Kunstausstellung von 1882 zurück, welche ebenfalls
alle vier Jahre wiederholt werden soll. Wenn Wien und München auf ihrem
Stück bestehen, werden wir also in einem Zeitraum von sechs Jahren vier inter¬
nationale Kunstausstellungen genossen haben. Daß diese Hetzjagd der Kunst
keinen wahren Vorteil bringen kann, leuchtet jedermann ein, nur nicht den
Unternehmern der Ausstellungen selbst. Schon jetzt macht man die Beobachtung,
daß auf den verschiednen internationalen Ausstellungen in gewissen Zwischen-
räumen immer dieselben Kunstwerke wiederkehren, ähnlich wie bei der Aufführung
von Schillers „Jungfrau von Orleans" die Statisten, welche den Krönungszug
bilden, wenn sie links verschwunden sind, auf der rechten Seite wieder zum Vor¬
schein kommen, um dem Zuschauer den Eindruck einer imposanten Massenentfal¬
tung zu machen.

Die Franzosen haben nicht das geringste Bedenken getragen, Gemälde,
welche auf der vorjährigen internationalen Ausstellung in Wien zu sehen waren,
wiederum in München zu zeigen, meist nur aus dem sehr materiellen Grunde,
weil sie in Wien keine Käufer gefunden haben. Sie betrachten diese in Deutsch¬
land und Osterreich arrangirten Ausstellungen als einfache Bnzare, ohne dabei
den geringsten künstlerischen Ehrgeiz mitwirken zu lassen. Bei der gegenwärtigen


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[0628] Die internationale Kunstausstellung in München. Pariser „Salons," andrerseits der Schluß der Berliner Ausstellung abgewartet werden mußte, da die Kunstwerke, welche die Künstler der drei genannten Städte zur freien Verfügung hatten, in jenen beiden Ausstellungen gewissermaßen fest¬ gelegt waren. Frankreich insbesondre befand sich in der größten Verlegenheit. Es hatte nur mit dem Zeitraume von 1880 bis 1883 zu rechnen, und da es sich einmal für die Amsterdamer Ausstellung engagirt hatte und überdies der Lslon trisnnal vor der Thür stand, für welchen alles Gute aufgespart wurde, so konnte für München nur herzlich wenig übrig bleiben. Aus diesem Grunde hatte man anfangs in Paris beschlossen, daß sich Frankreich nicht offiziell an der Münchener Ausstellung beteiligen sollte. Aber der Beredtsamkeit der Münchener Emissäre gelang es, sowohl diesen Beschluß rückgängig zu machen als auch den in Berlin und Düsseldorf versuchten Widerstand aus dem Wege zu räumen. Viel ist damit freilich nicht erreicht worden. Während im Jahre 1879 die Münchener Künstler bei der Eröffnung der französischen Säle in einen Taumel des Entzückens gerieten, huben sie diesmal lange Gesichter gemacht. Sowohl nach der Quantität als auch nach der Qualität ließ die französische Abteilung viel zu wünschen übrig. Selbst die ungeheure künstlerische Produktion Frankreichs ist nicht mehr imstande, das unersättliche Bedürfnis der inter¬ nationalen Ausstellungen zu befriedigen. Wer die letzten Pariser Salons ge¬ sehen, kann sich den Besuch der französischen Säle ersparen, falls er nicht ein Gewicht darauf legt, Bekanntschaften von bisweilen recht zweifelhaften, Werte zu erneuern. Die französische Abteilung steht ganz erheblich hinter derjenigen der Wiener internationalen Kunstausstellung von 1882 zurück, welche ebenfalls alle vier Jahre wiederholt werden soll. Wenn Wien und München auf ihrem Stück bestehen, werden wir also in einem Zeitraum von sechs Jahren vier inter¬ nationale Kunstausstellungen genossen haben. Daß diese Hetzjagd der Kunst keinen wahren Vorteil bringen kann, leuchtet jedermann ein, nur nicht den Unternehmern der Ausstellungen selbst. Schon jetzt macht man die Beobachtung, daß auf den verschiednen internationalen Ausstellungen in gewissen Zwischen- räumen immer dieselben Kunstwerke wiederkehren, ähnlich wie bei der Aufführung von Schillers „Jungfrau von Orleans" die Statisten, welche den Krönungszug bilden, wenn sie links verschwunden sind, auf der rechten Seite wieder zum Vor¬ schein kommen, um dem Zuschauer den Eindruck einer imposanten Massenentfal¬ tung zu machen. Die Franzosen haben nicht das geringste Bedenken getragen, Gemälde, welche auf der vorjährigen internationalen Ausstellung in Wien zu sehen waren, wiederum in München zu zeigen, meist nur aus dem sehr materiellen Grunde, weil sie in Wien keine Käufer gefunden haben. Sie betrachten diese in Deutsch¬ land und Osterreich arrangirten Ausstellungen als einfache Bnzare, ohne dabei den geringsten künstlerischen Ehrgeiz mitwirken zu lassen. Bei der gegenwärtigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/628>, abgerufen am 08.09.2024.