Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Höhe der Prozeßkosten.

bestimmten Prozeßabschnittes mit einer Bcmschsumme, analog der "vollen Ge¬
bühr" des Gerichtskostengcsetzes, honorirt werden. Diese Bauschsumme steigerte
sich rin dem Werte des Streitgegenstandes, und zwar nach den nämlichen
Klassen, welche den Gerichtskosten zu Grunde lagen. Daneben waren dann
für eine Menge außergewöhnlicher Handlungen des Prozesses noch besondre
Gebühren bestimmt, die sich wiederum nach Bruchteilen (fünf Zehntel, drei
Zehntel:c.) jeuer Hauptgebühr berechneten. Der Entwurf bewegte sich wiederum
auf preußischer Basis. Denn auch nach den preußischen Gesetzen wurde der
Anwalt ungefähr nach gleichen Grundsätzen honorirt, nur mit dem Unterschiede,
daß dort die Klassen in weit kleinern Beträgen sich abstuften.

Das Gesetz vom 12. Mai 1831, welches auch in den neuen Provinzen
(mit Ausnahme Hannovers) eingeführt war, bestand bis zum Jahre 1875 un¬
verändert. Über die Frage, ob während jener Zeit die pekuniäre Stellung der
Rechtsanwälte eine ausreichende gewesen, enthalten wir uns jedes Urteils. Bei der
Kürze der seitdem verflossenen Zeit wird die große Mehrzahl unsrer Leser sich nach
ihren eignen Anschauungen und Erinnerungen die Frage wohl beantworten können.
Im Jahre 1875 legte die preußische Regierung (Justizminister Levnhcirdt) dem
Landtage einen Gesetzentwurf vor, welcher sämtliche Gebühren der Rechtsanwälte
um ein Viertel ihres bisherigen Betrages steigerte. Als Grund dafür wurden
die veränderten Wertverhältnisse angeführt. Dieser Grund traf nicht zu. Durch
die eingetretene Erhöhung der Werte wurden auch die Werte der Prvzeß-
gegcnstände erhöht, und da sich mit diesen zugleich die Anwaltsgebühren stei¬
gerten, so trug die Erhöhung der Werte die Erhöhung der Anwaltsgebühren
schon voll selbst in sich. Das neue Gesetz hatte also keinen andern Zweck, als
die Anwälte "och über die gesteigerten Wertverhältnisse hinaus durch Zuwendung
eines Mehreinkommens vou 25 Prozent zu begünstigen. Gleichwohl fand das Ge¬
setz beim Landtage unbeanstandete Annahme und wurde am 1. Mai 1875 verkündet.

Bei Entwurf des Rcichsgesetzes über die Anwaltsgebühren hatte man nun
von vornherein die Absicht, die Gebühren abermals zu erhöhen. Es walteten
dabei teils dieselben Gesichtspunkte ob, die zu einer Erhöhung der Gcrichts-
gebühren geführt hatten, teils erachtete man die Erhöhung durch die Schwierig¬
keit des neuen Verfahrens für begründet. In diesem Sinne wurde der erste Ent¬
wurf beim Reichsjustizamt ausgearbeitet. Wir wollen, um die Höhe der in
Betracht kommenden Gebührensätze zur unmittelbaren Anschauung zu bringen,
dasselbe Mittel anwenden, welches wir oben zur Darstellung der Höhe der
Gerichtskostenskalen gebrauchten, nämlich die einfachen Sätze der ersten 18 Klassen
summire". In dieser Summe veranschaulicht sich dann die Höhe der verschiednen
Tarife. Zu diesem Zwecke müssen freilich im preußischen Tarif die Wertklassen
erst mittels einer Durchschuittsberechnung auf die Wertklassen des Reichstarifs
reduzirt werden. Verfährt man so, dann erhält man für den preußischen Tarif,
Wie er bis 187S bestand, als Summe der Wertklassen die Zahl 318, für den


Die Höhe der Prozeßkosten.

bestimmten Prozeßabschnittes mit einer Bcmschsumme, analog der „vollen Ge¬
bühr" des Gerichtskostengcsetzes, honorirt werden. Diese Bauschsumme steigerte
sich rin dem Werte des Streitgegenstandes, und zwar nach den nämlichen
Klassen, welche den Gerichtskosten zu Grunde lagen. Daneben waren dann
für eine Menge außergewöhnlicher Handlungen des Prozesses noch besondre
Gebühren bestimmt, die sich wiederum nach Bruchteilen (fünf Zehntel, drei
Zehntel:c.) jeuer Hauptgebühr berechneten. Der Entwurf bewegte sich wiederum
auf preußischer Basis. Denn auch nach den preußischen Gesetzen wurde der
Anwalt ungefähr nach gleichen Grundsätzen honorirt, nur mit dem Unterschiede,
daß dort die Klassen in weit kleinern Beträgen sich abstuften.

Das Gesetz vom 12. Mai 1831, welches auch in den neuen Provinzen
(mit Ausnahme Hannovers) eingeführt war, bestand bis zum Jahre 1875 un¬
verändert. Über die Frage, ob während jener Zeit die pekuniäre Stellung der
Rechtsanwälte eine ausreichende gewesen, enthalten wir uns jedes Urteils. Bei der
Kürze der seitdem verflossenen Zeit wird die große Mehrzahl unsrer Leser sich nach
ihren eignen Anschauungen und Erinnerungen die Frage wohl beantworten können.
Im Jahre 1875 legte die preußische Regierung (Justizminister Levnhcirdt) dem
Landtage einen Gesetzentwurf vor, welcher sämtliche Gebühren der Rechtsanwälte
um ein Viertel ihres bisherigen Betrages steigerte. Als Grund dafür wurden
die veränderten Wertverhältnisse angeführt. Dieser Grund traf nicht zu. Durch
die eingetretene Erhöhung der Werte wurden auch die Werte der Prvzeß-
gegcnstände erhöht, und da sich mit diesen zugleich die Anwaltsgebühren stei¬
gerten, so trug die Erhöhung der Werte die Erhöhung der Anwaltsgebühren
schon voll selbst in sich. Das neue Gesetz hatte also keinen andern Zweck, als
die Anwälte »och über die gesteigerten Wertverhältnisse hinaus durch Zuwendung
eines Mehreinkommens vou 25 Prozent zu begünstigen. Gleichwohl fand das Ge¬
setz beim Landtage unbeanstandete Annahme und wurde am 1. Mai 1875 verkündet.

Bei Entwurf des Rcichsgesetzes über die Anwaltsgebühren hatte man nun
von vornherein die Absicht, die Gebühren abermals zu erhöhen. Es walteten
dabei teils dieselben Gesichtspunkte ob, die zu einer Erhöhung der Gcrichts-
gebühren geführt hatten, teils erachtete man die Erhöhung durch die Schwierig¬
keit des neuen Verfahrens für begründet. In diesem Sinne wurde der erste Ent¬
wurf beim Reichsjustizamt ausgearbeitet. Wir wollen, um die Höhe der in
Betracht kommenden Gebührensätze zur unmittelbaren Anschauung zu bringen,
dasselbe Mittel anwenden, welches wir oben zur Darstellung der Höhe der
Gerichtskostenskalen gebrauchten, nämlich die einfachen Sätze der ersten 18 Klassen
summire». In dieser Summe veranschaulicht sich dann die Höhe der verschiednen
Tarife. Zu diesem Zwecke müssen freilich im preußischen Tarif die Wertklassen
erst mittels einer Durchschuittsberechnung auf die Wertklassen des Reichstarifs
reduzirt werden. Verfährt man so, dann erhält man für den preußischen Tarif,
Wie er bis 187S bestand, als Summe der Wertklassen die Zahl 318, für den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0611" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154058"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Höhe der Prozeßkosten.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2648" prev="#ID_2647"> bestimmten Prozeßabschnittes mit einer Bcmschsumme, analog der &#x201E;vollen Ge¬<lb/>
bühr" des Gerichtskostengcsetzes, honorirt werden. Diese Bauschsumme steigerte<lb/>
sich rin dem Werte des Streitgegenstandes, und zwar nach den nämlichen<lb/>
Klassen, welche den Gerichtskosten zu Grunde lagen. Daneben waren dann<lb/>
für eine Menge außergewöhnlicher Handlungen des Prozesses noch besondre<lb/>
Gebühren bestimmt, die sich wiederum nach Bruchteilen (fünf Zehntel, drei<lb/>
Zehntel:c.) jeuer Hauptgebühr berechneten. Der Entwurf bewegte sich wiederum<lb/>
auf preußischer Basis. Denn auch nach den preußischen Gesetzen wurde der<lb/>
Anwalt ungefähr nach gleichen Grundsätzen honorirt, nur mit dem Unterschiede,<lb/>
daß dort die Klassen in weit kleinern Beträgen sich abstuften.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2649"> Das Gesetz vom 12. Mai 1831, welches auch in den neuen Provinzen<lb/>
(mit Ausnahme Hannovers) eingeführt war, bestand bis zum Jahre 1875 un¬<lb/>
verändert. Über die Frage, ob während jener Zeit die pekuniäre Stellung der<lb/>
Rechtsanwälte eine ausreichende gewesen, enthalten wir uns jedes Urteils. Bei der<lb/>
Kürze der seitdem verflossenen Zeit wird die große Mehrzahl unsrer Leser sich nach<lb/>
ihren eignen Anschauungen und Erinnerungen die Frage wohl beantworten können.<lb/>
Im Jahre 1875 legte die preußische Regierung (Justizminister Levnhcirdt) dem<lb/>
Landtage einen Gesetzentwurf vor, welcher sämtliche Gebühren der Rechtsanwälte<lb/>
um ein Viertel ihres bisherigen Betrages steigerte. Als Grund dafür wurden<lb/>
die veränderten Wertverhältnisse angeführt. Dieser Grund traf nicht zu. Durch<lb/>
die eingetretene Erhöhung der Werte wurden auch die Werte der Prvzeß-<lb/>
gegcnstände erhöht, und da sich mit diesen zugleich die Anwaltsgebühren stei¬<lb/>
gerten, so trug die Erhöhung der Werte die Erhöhung der Anwaltsgebühren<lb/>
schon voll selbst in sich. Das neue Gesetz hatte also keinen andern Zweck, als<lb/>
die Anwälte »och über die gesteigerten Wertverhältnisse hinaus durch Zuwendung<lb/>
eines Mehreinkommens vou 25 Prozent zu begünstigen. Gleichwohl fand das Ge¬<lb/>
setz beim Landtage unbeanstandete Annahme und wurde am 1. Mai 1875 verkündet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2650" next="#ID_2651"> Bei Entwurf des Rcichsgesetzes über die Anwaltsgebühren hatte man nun<lb/>
von vornherein die Absicht, die Gebühren abermals zu erhöhen. Es walteten<lb/>
dabei teils dieselben Gesichtspunkte ob, die zu einer Erhöhung der Gcrichts-<lb/>
gebühren geführt hatten, teils erachtete man die Erhöhung durch die Schwierig¬<lb/>
keit des neuen Verfahrens für begründet. In diesem Sinne wurde der erste Ent¬<lb/>
wurf beim Reichsjustizamt ausgearbeitet. Wir wollen, um die Höhe der in<lb/>
Betracht kommenden Gebührensätze zur unmittelbaren Anschauung zu bringen,<lb/>
dasselbe Mittel anwenden, welches wir oben zur Darstellung der Höhe der<lb/>
Gerichtskostenskalen gebrauchten, nämlich die einfachen Sätze der ersten 18 Klassen<lb/>
summire». In dieser Summe veranschaulicht sich dann die Höhe der verschiednen<lb/>
Tarife. Zu diesem Zwecke müssen freilich im preußischen Tarif die Wertklassen<lb/>
erst mittels einer Durchschuittsberechnung auf die Wertklassen des Reichstarifs<lb/>
reduzirt werden. Verfährt man so, dann erhält man für den preußischen Tarif,<lb/>
Wie er bis 187S bestand, als Summe der Wertklassen die Zahl 318, für den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0611] Die Höhe der Prozeßkosten. bestimmten Prozeßabschnittes mit einer Bcmschsumme, analog der „vollen Ge¬ bühr" des Gerichtskostengcsetzes, honorirt werden. Diese Bauschsumme steigerte sich rin dem Werte des Streitgegenstandes, und zwar nach den nämlichen Klassen, welche den Gerichtskosten zu Grunde lagen. Daneben waren dann für eine Menge außergewöhnlicher Handlungen des Prozesses noch besondre Gebühren bestimmt, die sich wiederum nach Bruchteilen (fünf Zehntel, drei Zehntel:c.) jeuer Hauptgebühr berechneten. Der Entwurf bewegte sich wiederum auf preußischer Basis. Denn auch nach den preußischen Gesetzen wurde der Anwalt ungefähr nach gleichen Grundsätzen honorirt, nur mit dem Unterschiede, daß dort die Klassen in weit kleinern Beträgen sich abstuften. Das Gesetz vom 12. Mai 1831, welches auch in den neuen Provinzen (mit Ausnahme Hannovers) eingeführt war, bestand bis zum Jahre 1875 un¬ verändert. Über die Frage, ob während jener Zeit die pekuniäre Stellung der Rechtsanwälte eine ausreichende gewesen, enthalten wir uns jedes Urteils. Bei der Kürze der seitdem verflossenen Zeit wird die große Mehrzahl unsrer Leser sich nach ihren eignen Anschauungen und Erinnerungen die Frage wohl beantworten können. Im Jahre 1875 legte die preußische Regierung (Justizminister Levnhcirdt) dem Landtage einen Gesetzentwurf vor, welcher sämtliche Gebühren der Rechtsanwälte um ein Viertel ihres bisherigen Betrages steigerte. Als Grund dafür wurden die veränderten Wertverhältnisse angeführt. Dieser Grund traf nicht zu. Durch die eingetretene Erhöhung der Werte wurden auch die Werte der Prvzeß- gegcnstände erhöht, und da sich mit diesen zugleich die Anwaltsgebühren stei¬ gerten, so trug die Erhöhung der Werte die Erhöhung der Anwaltsgebühren schon voll selbst in sich. Das neue Gesetz hatte also keinen andern Zweck, als die Anwälte »och über die gesteigerten Wertverhältnisse hinaus durch Zuwendung eines Mehreinkommens vou 25 Prozent zu begünstigen. Gleichwohl fand das Ge¬ setz beim Landtage unbeanstandete Annahme und wurde am 1. Mai 1875 verkündet. Bei Entwurf des Rcichsgesetzes über die Anwaltsgebühren hatte man nun von vornherein die Absicht, die Gebühren abermals zu erhöhen. Es walteten dabei teils dieselben Gesichtspunkte ob, die zu einer Erhöhung der Gcrichts- gebühren geführt hatten, teils erachtete man die Erhöhung durch die Schwierig¬ keit des neuen Verfahrens für begründet. In diesem Sinne wurde der erste Ent¬ wurf beim Reichsjustizamt ausgearbeitet. Wir wollen, um die Höhe der in Betracht kommenden Gebührensätze zur unmittelbaren Anschauung zu bringen, dasselbe Mittel anwenden, welches wir oben zur Darstellung der Höhe der Gerichtskostenskalen gebrauchten, nämlich die einfachen Sätze der ersten 18 Klassen summire». In dieser Summe veranschaulicht sich dann die Höhe der verschiednen Tarife. Zu diesem Zwecke müssen freilich im preußischen Tarif die Wertklassen erst mittels einer Durchschuittsberechnung auf die Wertklassen des Reichstarifs reduzirt werden. Verfährt man so, dann erhält man für den preußischen Tarif, Wie er bis 187S bestand, als Summe der Wertklassen die Zahl 318, für den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/611
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/611>, abgerufen am 08.09.2024.