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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Höhe der Prozeßkoste".

Tarif seit dem 1. Mai 1875 die Zahl 397. Der neue Neichsgesetzentwurf
wollte nun die Skala in dem Maße erhöhen, daß für die Summe der Wert-
klasfen, welche zwischen den Beträgen von 1 Mark und 54 Mark sich bewegten,
die Zahl 433 sich ergab. Daneben waren aber in den Entwurf noch viele
andre, für die Anwälte höchst vorteilhafte Bestimmungen aufgenommen, von
denen wir nur die eine erwähnen wollen, daß während im preußischen Tarif die
Steigerung der Gebühr bei einer gewissen Höhe aufhört, jetzt die Gebühr mit
dem Wertgegenstände bis ins Unendliche wachsen sollte.

Dieser erste Entwurf wurde vom Reichsjustizamt einer Kommission von
8 aus allen Teilen Deutschlands berufenen Anwälten vorgelegt. Die Kommission
fand die angesetzten Gebühren noch viel zu niedrig. Das Reichsjustizamt sah
sich dadurch veranlaßt, die Gebühr noch weiter zu erhöhen. Demgemäß wurde
die niedrigste Gebühr von 1 auf 2 Mark gesetzt und eine Steigerung bis zur
18. Klasse auf 64 Mark vorgenommen. Die Summe der Reihe betrug um
543. Auch noch andre für die Anwälte vorteilhafte Bestimmungen wurden neu
in den Entwurf aufgenommen. So verbessert gelangte derselbe an den Reichstag.

Hier wurde der Entwurf einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen,
über deren Zusammensetzung wir einiges sagen müssen. Die Kommissionen,
welche der Reichstag zur Vorbereitung seiner Beschlußnahmen beruft, werden in
der Weise zusammengesetzt, daß jede Fraktion nach Verhältnis ihrer Mitglieder¬
zahl eine Anzahl Kommissionsglieder benennt. In den Fraktionen pflegen sich
diejenigen, welche einer Kommission anzugehören wünschen, zu melden; unter
den Gemeldeten, geeignetenfalls aber auch unter den übrigen Mitgliedern der
Fraktion, wählt der Vorstand die ihm passend scheinenden aus.

Die hier fragliche Kommission wurde nun in der Weise zusammengesetzt,
daß sie aus zehn Anwälten und elf andern Juristen bestand, die Anwälte also,
bis auf einen halben Mann, die Hälfte bildeten. Die beiden konservativen
Fraktionen hatten unter den von ihnen benannten vier und drei Mitgliedern
je einen Anwalt, das Zentrum unter sechs Mitgliedern zwei Anwälte, die
nationalliberale Partei aber unter sechs Mitgliedern vier Anwälte und die
Fortschrittspartei lediglich zwei Anwälte für die Kommission ernannt. Über
diese, vielleicht auffallend erscheinende Beteiligung persönlich Jnteressirter müssen
wir folgendes bemerken. In jedem andern Berufe (z. B. bei Richtern, Be¬
amten !c.) würde die Teilnahme eines persönlich Jnteressirten an einer öffent¬
lichen Thätigkeit juristisch und moralisch unmöglich sein. In Parlamenten
nimmt man dies nicht so genau. Es kommt öfters vor, daß Abgeordnete für
die Spezialinteresfen ihres Wahlkreises eintreten müssen. Man hat auch nichts
dabei gefunden, wenn ein einzelner Abgeordneter speziell für die Interessen seines
Berufsstandes eintrat. Es war dies sogar insofern erwünscht, als auf diese
Weise die beteiligten Interessen zu Gehör kamen. Aus diesen Gesichtspunkten
hat man es auch nicht für ausgeschlossen erachtet, daß zu deu Kommissionen


Die Höhe der Prozeßkoste».

Tarif seit dem 1. Mai 1875 die Zahl 397. Der neue Neichsgesetzentwurf
wollte nun die Skala in dem Maße erhöhen, daß für die Summe der Wert-
klasfen, welche zwischen den Beträgen von 1 Mark und 54 Mark sich bewegten,
die Zahl 433 sich ergab. Daneben waren aber in den Entwurf noch viele
andre, für die Anwälte höchst vorteilhafte Bestimmungen aufgenommen, von
denen wir nur die eine erwähnen wollen, daß während im preußischen Tarif die
Steigerung der Gebühr bei einer gewissen Höhe aufhört, jetzt die Gebühr mit
dem Wertgegenstände bis ins Unendliche wachsen sollte.

Dieser erste Entwurf wurde vom Reichsjustizamt einer Kommission von
8 aus allen Teilen Deutschlands berufenen Anwälten vorgelegt. Die Kommission
fand die angesetzten Gebühren noch viel zu niedrig. Das Reichsjustizamt sah
sich dadurch veranlaßt, die Gebühr noch weiter zu erhöhen. Demgemäß wurde
die niedrigste Gebühr von 1 auf 2 Mark gesetzt und eine Steigerung bis zur
18. Klasse auf 64 Mark vorgenommen. Die Summe der Reihe betrug um
543. Auch noch andre für die Anwälte vorteilhafte Bestimmungen wurden neu
in den Entwurf aufgenommen. So verbessert gelangte derselbe an den Reichstag.

Hier wurde der Entwurf einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen,
über deren Zusammensetzung wir einiges sagen müssen. Die Kommissionen,
welche der Reichstag zur Vorbereitung seiner Beschlußnahmen beruft, werden in
der Weise zusammengesetzt, daß jede Fraktion nach Verhältnis ihrer Mitglieder¬
zahl eine Anzahl Kommissionsglieder benennt. In den Fraktionen pflegen sich
diejenigen, welche einer Kommission anzugehören wünschen, zu melden; unter
den Gemeldeten, geeignetenfalls aber auch unter den übrigen Mitgliedern der
Fraktion, wählt der Vorstand die ihm passend scheinenden aus.

Die hier fragliche Kommission wurde nun in der Weise zusammengesetzt,
daß sie aus zehn Anwälten und elf andern Juristen bestand, die Anwälte also,
bis auf einen halben Mann, die Hälfte bildeten. Die beiden konservativen
Fraktionen hatten unter den von ihnen benannten vier und drei Mitgliedern
je einen Anwalt, das Zentrum unter sechs Mitgliedern zwei Anwälte, die
nationalliberale Partei aber unter sechs Mitgliedern vier Anwälte und die
Fortschrittspartei lediglich zwei Anwälte für die Kommission ernannt. Über
diese, vielleicht auffallend erscheinende Beteiligung persönlich Jnteressirter müssen
wir folgendes bemerken. In jedem andern Berufe (z. B. bei Richtern, Be¬
amten !c.) würde die Teilnahme eines persönlich Jnteressirten an einer öffent¬
lichen Thätigkeit juristisch und moralisch unmöglich sein. In Parlamenten
nimmt man dies nicht so genau. Es kommt öfters vor, daß Abgeordnete für
die Spezialinteresfen ihres Wahlkreises eintreten müssen. Man hat auch nichts
dabei gefunden, wenn ein einzelner Abgeordneter speziell für die Interessen seines
Berufsstandes eintrat. Es war dies sogar insofern erwünscht, als auf diese
Weise die beteiligten Interessen zu Gehör kamen. Aus diesen Gesichtspunkten
hat man es auch nicht für ausgeschlossen erachtet, daß zu deu Kommissionen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/612>, abgerufen am 08.09.2024.