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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Höhe der Prozeßkosten.

bestimmt. Viele Posten wurden dadurch erhöht, daß man des Dezimalsystems
halber an die Stelle von "ein Viertel der vollen Gebühr" drei Zehntel setzte.
Für Erhöhung der Gerichtsvollziehergebühren war besonders ein hannoverscher
Amtsrichter bemüht. Auf seinen Antrag wurde die Pfündungsgebühr bei ge¬
ringfügigen Beträgen (bis zu fünfzig Mary von einer Mark auf zwei Mark
erhöht. Auch die Zustellungsgebühr in ames- und schöffengerichtlichen Sachen
wurde von fünfzig auf achtzig Pfennig hinaufgesetzt. Betrachtet man diese Er¬
scheinungen in ihrem Zusammenhange, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß ein
ausschlaggebender Teil der Kommissionsmitglieder so hohe Kosten zu bewilligen
geneigt war in der nicht unbegründeten Voraussicht, daß die Höhe der Gerichts¬
kosten und Gerichtsvollziehergebühren auch eine entsprechende Höhe der Anwalts¬
gebühren, für welche vor allem jenen Mitgliedern ein Bedürfnis obzuwalten
schien, zur Folge haben werde.

Am Schlüsse der Beratung kam noch zur Frage, ob nicht ein Mittel auf¬
zufinden sei, das von manchen Seiten vorausgesetzte Übermaß der Kosten wenigstens
nicht andauernd zu machen. Es wurden in dieser Richtung verschiedne Anträge
gestellt, auch der Antrag, nach Ablauf einiger Jahre, insofern nicht ein neues
Gesetz zustande gekommen, von selbst eine Minderung der Sätze um ein Fünftel
eintreten zu lassen. Alle diese Anträge wurden abgelehnt. Die Kommission
beschränkte sich darauf, dem Reichstag eine Resolution zu empfehlen, dahin
gehend, daß binnen vier Jahren dem Reichstag eine Zusammenstellung der
finanziellen Ergebnisse des Gesetzes behufs etwaiger Revision desselben vorgelegt
werde. So gelangte der Entwurf mit verhältnismäßig geringen Änderungen an
den Reichstag.

Hier kam das Gesetz auf Grund "mündlichen" Berichts der Kommisston acht
Tage vor dem Schlüsse zur Verhandlung. Jeder Versuch, eine erhebliche Än¬
derung an dem Gesetze zu erwirken, würde von vornherein aussichtslos ge¬
wesen sein. Der Vorstand des Neichsjustizamtes erklärte, daß die Regierungen
die Beschlüsse der Kommission mit Dank für deren ungewöhnliche und selbst-
verleugnende Hingebung annehme. Einige Redner (auch der Abgeordnete Windt-
horst) hoben zwar hervor, daß die Kosten sehr hoch gegriffen seien, stellten aber
keine Anträge. Nur der Abgeordnete Dr. Marquardsen glaubte, daß diese
Redner zu schwarz sähen, es werde sich durchschnittlich eine Erhöhung der Kosten
nicht herausstellen. Er stellte wiederum den Antrag auf so divo-Annahme.
Diese erfolgte. Auch die von der Kommission empfohlene Resolution wurde
angenommen. So ist das Gesetz über die Gerichtskosten vom 18. Juni 1873
zustande gekommen.

Im Februar 1879 wurde dem Reichstage der Entwurf einer Anwalts¬
gebührenordnung vorgelegt. Dieselbe schloß sich in ihrem System dem System
des Gerichtskostengesetzes an. Auch dem Anwalt sollte nicht jede einzelne Hand¬
lung im gewöhnlichen Laufe des Prozesses, sondern die gesamte Thätigkeit eines


Die Höhe der Prozeßkosten.

bestimmt. Viele Posten wurden dadurch erhöht, daß man des Dezimalsystems
halber an die Stelle von „ein Viertel der vollen Gebühr" drei Zehntel setzte.
Für Erhöhung der Gerichtsvollziehergebühren war besonders ein hannoverscher
Amtsrichter bemüht. Auf seinen Antrag wurde die Pfündungsgebühr bei ge¬
ringfügigen Beträgen (bis zu fünfzig Mary von einer Mark auf zwei Mark
erhöht. Auch die Zustellungsgebühr in ames- und schöffengerichtlichen Sachen
wurde von fünfzig auf achtzig Pfennig hinaufgesetzt. Betrachtet man diese Er¬
scheinungen in ihrem Zusammenhange, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß ein
ausschlaggebender Teil der Kommissionsmitglieder so hohe Kosten zu bewilligen
geneigt war in der nicht unbegründeten Voraussicht, daß die Höhe der Gerichts¬
kosten und Gerichtsvollziehergebühren auch eine entsprechende Höhe der Anwalts¬
gebühren, für welche vor allem jenen Mitgliedern ein Bedürfnis obzuwalten
schien, zur Folge haben werde.

Am Schlüsse der Beratung kam noch zur Frage, ob nicht ein Mittel auf¬
zufinden sei, das von manchen Seiten vorausgesetzte Übermaß der Kosten wenigstens
nicht andauernd zu machen. Es wurden in dieser Richtung verschiedne Anträge
gestellt, auch der Antrag, nach Ablauf einiger Jahre, insofern nicht ein neues
Gesetz zustande gekommen, von selbst eine Minderung der Sätze um ein Fünftel
eintreten zu lassen. Alle diese Anträge wurden abgelehnt. Die Kommission
beschränkte sich darauf, dem Reichstag eine Resolution zu empfehlen, dahin
gehend, daß binnen vier Jahren dem Reichstag eine Zusammenstellung der
finanziellen Ergebnisse des Gesetzes behufs etwaiger Revision desselben vorgelegt
werde. So gelangte der Entwurf mit verhältnismäßig geringen Änderungen an
den Reichstag.

Hier kam das Gesetz auf Grund „mündlichen" Berichts der Kommisston acht
Tage vor dem Schlüsse zur Verhandlung. Jeder Versuch, eine erhebliche Än¬
derung an dem Gesetze zu erwirken, würde von vornherein aussichtslos ge¬
wesen sein. Der Vorstand des Neichsjustizamtes erklärte, daß die Regierungen
die Beschlüsse der Kommission mit Dank für deren ungewöhnliche und selbst-
verleugnende Hingebung annehme. Einige Redner (auch der Abgeordnete Windt-
horst) hoben zwar hervor, daß die Kosten sehr hoch gegriffen seien, stellten aber
keine Anträge. Nur der Abgeordnete Dr. Marquardsen glaubte, daß diese
Redner zu schwarz sähen, es werde sich durchschnittlich eine Erhöhung der Kosten
nicht herausstellen. Er stellte wiederum den Antrag auf so divo-Annahme.
Diese erfolgte. Auch die von der Kommission empfohlene Resolution wurde
angenommen. So ist das Gesetz über die Gerichtskosten vom 18. Juni 1873
zustande gekommen.

Im Februar 1879 wurde dem Reichstage der Entwurf einer Anwalts¬
gebührenordnung vorgelegt. Dieselbe schloß sich in ihrem System dem System
des Gerichtskostengesetzes an. Auch dem Anwalt sollte nicht jede einzelne Hand¬
lung im gewöhnlichen Laufe des Prozesses, sondern die gesamte Thätigkeit eines


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/610>, abgerufen am 08.09.2024.