Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Höhe der Prozeßkosten.

nun Dichter zu sein glauben. So giebt es jetzt auch Redner, welche, weil ihnen
die politische Phrase, die für sie dichtet und denkt, reichlich vom Munde fließt
Staatsmänner zu sein glauben. Sie sind es vor allen, welche nach einer parla¬
mentarischen Regierung lechzen, bei der eine zufällige Abstimmung auch sie einmal
auf einen Ministersessel emporwirbeln könnte. Zum Glück für unser Vaterland
sind wir noch nicht so weit. Schlimm genug, daß ein Mann, wie wir ihn jetzt
in dem Abgeordneten Hänel kennen gelernt haben, Lehrer der deutschen Jugend
ist. Mit welchen gehässigen Verschrobenheiten mag wohl ein solcher Professor
unsern jungen Juristen die Köpfe füllen?

Einen versöhnenden Eindruck machte es, daß der Redner der National¬
liberalen, der Abgeordnete Oechelhäuser, nur Worte der Anerkennung für das
Zustandebringen des Handelsvertrages hatte, und daß seine Rede durch keinen
Mißlaut getrübt wurde. Überhaupt verlief die Angelegenheit ganz anders, als
die explosiven Eingangsreden erwarten ließen. Der Antrag Bamberger ans
Kommissionsberatung fand nur wenige Stimmen. Mit großer Mehrheit ward
der Handelsvertrag einschließlich der vielgeschmähten Spritklausel angenommen
und die Indemnität erteilt. In drei Tagen war alles vorüber. Jene Reden
erwiesen sich also nur als eine neue Aufführung des Lustspiels: Nuvu aäo g-dont
iwtuiuA.




Die Höhe der Prozeßkosten.

enden am 1. Oktober 1879 die deutsche Gerichtsverfassung ins
Leben getreten ist, hat sich sehr bald und fast allerorten der
Ruf erhoben: Die Gerichrskosten sind zu hoch! Im Reichs¬
tage hat dieser Ruf zahlreiche Stimmen gesunden. Auch wir er¬
kennen an, daß der Prozeß mit zu großen Kosten belastet ist.
Deshalb sollte man aber nicht sagen: Die Gerichtskosten sind zu hoch, sondern:
die Prvzeßkosten sind zu hoch. Natürlich fühlt jeder, der einen Prozeß führt
und dafür schwere Kosten bezahlen muß, diese Kosten nur als ein Ganzes. Die
Prozeßkosten als Ganzes sind aber mir zum geringern Teil Gerichtskosten,
zum größern Teil Anwaltskosten. Und man ist bei der Gesetzgebung der Jahre
1878 und 1879 in eine jedenfalls nicht geringere Übertreibung geraten bei den


Die Höhe der Prozeßkosten.

nun Dichter zu sein glauben. So giebt es jetzt auch Redner, welche, weil ihnen
die politische Phrase, die für sie dichtet und denkt, reichlich vom Munde fließt
Staatsmänner zu sein glauben. Sie sind es vor allen, welche nach einer parla¬
mentarischen Regierung lechzen, bei der eine zufällige Abstimmung auch sie einmal
auf einen Ministersessel emporwirbeln könnte. Zum Glück für unser Vaterland
sind wir noch nicht so weit. Schlimm genug, daß ein Mann, wie wir ihn jetzt
in dem Abgeordneten Hänel kennen gelernt haben, Lehrer der deutschen Jugend
ist. Mit welchen gehässigen Verschrobenheiten mag wohl ein solcher Professor
unsern jungen Juristen die Köpfe füllen?

Einen versöhnenden Eindruck machte es, daß der Redner der National¬
liberalen, der Abgeordnete Oechelhäuser, nur Worte der Anerkennung für das
Zustandebringen des Handelsvertrages hatte, und daß seine Rede durch keinen
Mißlaut getrübt wurde. Überhaupt verlief die Angelegenheit ganz anders, als
die explosiven Eingangsreden erwarten ließen. Der Antrag Bamberger ans
Kommissionsberatung fand nur wenige Stimmen. Mit großer Mehrheit ward
der Handelsvertrag einschließlich der vielgeschmähten Spritklausel angenommen
und die Indemnität erteilt. In drei Tagen war alles vorüber. Jene Reden
erwiesen sich also nur als eine neue Aufführung des Lustspiels: Nuvu aäo g-dont
iwtuiuA.




Die Höhe der Prozeßkosten.

enden am 1. Oktober 1879 die deutsche Gerichtsverfassung ins
Leben getreten ist, hat sich sehr bald und fast allerorten der
Ruf erhoben: Die Gerichrskosten sind zu hoch! Im Reichs¬
tage hat dieser Ruf zahlreiche Stimmen gesunden. Auch wir er¬
kennen an, daß der Prozeß mit zu großen Kosten belastet ist.
Deshalb sollte man aber nicht sagen: Die Gerichtskosten sind zu hoch, sondern:
die Prvzeßkosten sind zu hoch. Natürlich fühlt jeder, der einen Prozeß führt
und dafür schwere Kosten bezahlen muß, diese Kosten nur als ein Ganzes. Die
Prozeßkosten als Ganzes sind aber mir zum geringern Teil Gerichtskosten,
zum größern Teil Anwaltskosten. Und man ist bei der Gesetzgebung der Jahre
1878 und 1879 in eine jedenfalls nicht geringere Übertreibung geraten bei den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0605" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154052"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Höhe der Prozeßkosten.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2626" prev="#ID_2625"> nun Dichter zu sein glauben. So giebt es jetzt auch Redner, welche, weil ihnen<lb/>
die politische Phrase, die für sie dichtet und denkt, reichlich vom Munde fließt<lb/>
Staatsmänner zu sein glauben. Sie sind es vor allen, welche nach einer parla¬<lb/>
mentarischen Regierung lechzen, bei der eine zufällige Abstimmung auch sie einmal<lb/>
auf einen Ministersessel emporwirbeln könnte. Zum Glück für unser Vaterland<lb/>
sind wir noch nicht so weit. Schlimm genug, daß ein Mann, wie wir ihn jetzt<lb/>
in dem Abgeordneten Hänel kennen gelernt haben, Lehrer der deutschen Jugend<lb/>
ist. Mit welchen gehässigen Verschrobenheiten mag wohl ein solcher Professor<lb/>
unsern jungen Juristen die Köpfe füllen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2627"> Einen versöhnenden Eindruck machte es, daß der Redner der National¬<lb/>
liberalen, der Abgeordnete Oechelhäuser, nur Worte der Anerkennung für das<lb/>
Zustandebringen des Handelsvertrages hatte, und daß seine Rede durch keinen<lb/>
Mißlaut getrübt wurde. Überhaupt verlief die Angelegenheit ganz anders, als<lb/>
die explosiven Eingangsreden erwarten ließen. Der Antrag Bamberger ans<lb/>
Kommissionsberatung fand nur wenige Stimmen. Mit großer Mehrheit ward<lb/>
der Handelsvertrag einschließlich der vielgeschmähten Spritklausel angenommen<lb/>
und die Indemnität erteilt. In drei Tagen war alles vorüber. Jene Reden<lb/>
erwiesen sich also nur als eine neue Aufführung des Lustspiels: Nuvu aäo g-dont<lb/>
iwtuiuA.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Höhe der Prozeßkosten.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2628" next="#ID_2629"> enden am 1. Oktober 1879 die deutsche Gerichtsverfassung ins<lb/>
Leben getreten ist, hat sich sehr bald und fast allerorten der<lb/>
Ruf erhoben: Die Gerichrskosten sind zu hoch! Im Reichs¬<lb/>
tage hat dieser Ruf zahlreiche Stimmen gesunden. Auch wir er¬<lb/>
kennen an, daß der Prozeß mit zu großen Kosten belastet ist.<lb/>
Deshalb sollte man aber nicht sagen: Die Gerichtskosten sind zu hoch, sondern:<lb/>
die Prvzeßkosten sind zu hoch. Natürlich fühlt jeder, der einen Prozeß führt<lb/>
und dafür schwere Kosten bezahlen muß, diese Kosten nur als ein Ganzes. Die<lb/>
Prozeßkosten als Ganzes sind aber mir zum geringern Teil Gerichtskosten,<lb/>
zum größern Teil Anwaltskosten. Und man ist bei der Gesetzgebung der Jahre<lb/>
1878 und 1879 in eine jedenfalls nicht geringere Übertreibung geraten bei den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0605] Die Höhe der Prozeßkosten. nun Dichter zu sein glauben. So giebt es jetzt auch Redner, welche, weil ihnen die politische Phrase, die für sie dichtet und denkt, reichlich vom Munde fließt Staatsmänner zu sein glauben. Sie sind es vor allen, welche nach einer parla¬ mentarischen Regierung lechzen, bei der eine zufällige Abstimmung auch sie einmal auf einen Ministersessel emporwirbeln könnte. Zum Glück für unser Vaterland sind wir noch nicht so weit. Schlimm genug, daß ein Mann, wie wir ihn jetzt in dem Abgeordneten Hänel kennen gelernt haben, Lehrer der deutschen Jugend ist. Mit welchen gehässigen Verschrobenheiten mag wohl ein solcher Professor unsern jungen Juristen die Köpfe füllen? Einen versöhnenden Eindruck machte es, daß der Redner der National¬ liberalen, der Abgeordnete Oechelhäuser, nur Worte der Anerkennung für das Zustandebringen des Handelsvertrages hatte, und daß seine Rede durch keinen Mißlaut getrübt wurde. Überhaupt verlief die Angelegenheit ganz anders, als die explosiven Eingangsreden erwarten ließen. Der Antrag Bamberger ans Kommissionsberatung fand nur wenige Stimmen. Mit großer Mehrheit ward der Handelsvertrag einschließlich der vielgeschmähten Spritklausel angenommen und die Indemnität erteilt. In drei Tagen war alles vorüber. Jene Reden erwiesen sich also nur als eine neue Aufführung des Lustspiels: Nuvu aäo g-dont iwtuiuA. Die Höhe der Prozeßkosten. enden am 1. Oktober 1879 die deutsche Gerichtsverfassung ins Leben getreten ist, hat sich sehr bald und fast allerorten der Ruf erhoben: Die Gerichrskosten sind zu hoch! Im Reichs¬ tage hat dieser Ruf zahlreiche Stimmen gesunden. Auch wir er¬ kennen an, daß der Prozeß mit zu großen Kosten belastet ist. Deshalb sollte man aber nicht sagen: Die Gerichtskosten sind zu hoch, sondern: die Prvzeßkosten sind zu hoch. Natürlich fühlt jeder, der einen Prozeß führt und dafür schwere Kosten bezahlen muß, diese Kosten nur als ein Ganzes. Die Prozeßkosten als Ganzes sind aber mir zum geringern Teil Gerichtskosten, zum größern Teil Anwaltskosten. Und man ist bei der Gesetzgebung der Jahre 1878 und 1879 in eine jedenfalls nicht geringere Übertreibung geraten bei den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/605
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/605>, abgerufen am 08.09.2024.