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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Vie Höhe der Prozeßkosten.

Anwaltskosten als bei den Gerichtskosten. Eine Herabsetzung bloß der Gerichts¬
kosten, soweit sie überhaupt nach Lage der Dinge thunlich ist, würde auf die
Gesamtheit der Kosten so gering wirken, daß sie von den Prozeßführeuden kaum
als eine Erleichterung empfunden werden würde. Nur wenn zugleich die An¬
waltskosten entsprechend herabgesetzt werden, wird der Not der Prozeßführenden
einigermaßen abgeholfen sein. Der von den Juristen formulirte Ruf: Die Ge-
richtskosten sind zu hoch! läuft also auf eine Täuschung des Publikums hinaus.
Der Laie versteht darunter die Prozeßkosten überhaupt, und in diesem Sinne
stimmt er in den Ruf mit ein. Nur der Jurist weiß, daß Gerichtskosten und
Prozeßkosten verschieden sind, daß erstere die Anwaltskosten nicht mit umfassen.
Und in dem Rufe: Die Gerichtskosten sind zu hoch! tritt, verhüllt oder un¬
verhüllt, das Bestreben auf, die Anwaltskosten, deren möglichste Höhe ja einem
Teil unsers Juristenstaudes sehr am Herzen liegt, unvermindert aufrecht zu er¬
halten, ja sogar dieselben durch die Beschränkung der Revision auf die Gerichts-
kosten für alle Zeit zu befestigen- Dies näher darzulegen in einer Weise,
daß es auch für den Laien verständlich wird, ist der Zweck dieser Zeilen.

Zunächst eine allgemeine Betrachtung. Daß der Zivilprozeß mit Kosten
belastet werde, ist nicht bloß ein finanzielles Bedürfnis des Staates und der
bei demselben thätigen Personen, sondern es ist im Interesse der Rechtspflege
selbst geboten. Die Prozeßkosten sind ein unentbehrliches Gegengewicht gegen
arglistiges und leichtfertiges Prozessiren. Wenn nicht auf den Verlust des Pro¬
zesses eine gewisse Strafe stünde, so würden Unzählige den Versuch machen,
ihrem Nächsten Hab und Gut abzuprozessiren. Die Prozeßkosten haben also
die Bedeutung einer auf ungerechtes Prozessiren gesetzten Strafe. Daneben
erfüllen sie allerdings zugleich den Zweck, die Kosten der Rechtspflege mehr
oder minder zu decken. Aber dieser Zweck darf, bei guter Einrichtung der
Rechtspflege, niemals der Hauptzweck werden. Die Frage, wie hoch die Kosten
des Prozesses zu bestimmen sind, läßt sich daher nur aus den Zwecken der
Rechtspflege selbst beantworten. Diese Zwecke aber führen daraufhin, daß man
die Kosten nicht in möglichst großer Höhe, sondern nur in einem verständigen
Maße auf deu Prozeß legen darf. Denn es werden nicht bloß frivole Prozesse
geführt, sondern auch viele, welche die UnVollkommenheit menschlicher Ver¬
hältnisse, namentlich auch der Gesetze selbst, notgedrungen herbeiführt; ja man
kann sich auch uicht verhehlen, daß mancher, der wirklich Recht hat, ohne seine
Schuld gleichwohl den Prozeß verliert und die Kosten bezahlen muß. Könnte
mau die Einrichtung treffen, daß nnr die frivolen Prozesse mit hohen, die nicht
frivol geführten aber mit niedrigen oder gar keinen Kosten belegt würden, so
würde damit dem Zwecke der Prozeßkosten am meisten entsprochen sein. Das
geht aber nun nicht an. Wir haben keine Mittel für eine solche Unterscheidung
und müssen deshalb die Strafe der Prozeßkosten ergehen lassen wie die Wetter
des Himmels, über Gerechte und Ungerechte. Aus alledem ergiebt sich, daß diese


Vie Höhe der Prozeßkosten.

Anwaltskosten als bei den Gerichtskosten. Eine Herabsetzung bloß der Gerichts¬
kosten, soweit sie überhaupt nach Lage der Dinge thunlich ist, würde auf die
Gesamtheit der Kosten so gering wirken, daß sie von den Prozeßführeuden kaum
als eine Erleichterung empfunden werden würde. Nur wenn zugleich die An¬
waltskosten entsprechend herabgesetzt werden, wird der Not der Prozeßführenden
einigermaßen abgeholfen sein. Der von den Juristen formulirte Ruf: Die Ge-
richtskosten sind zu hoch! läuft also auf eine Täuschung des Publikums hinaus.
Der Laie versteht darunter die Prozeßkosten überhaupt, und in diesem Sinne
stimmt er in den Ruf mit ein. Nur der Jurist weiß, daß Gerichtskosten und
Prozeßkosten verschieden sind, daß erstere die Anwaltskosten nicht mit umfassen.
Und in dem Rufe: Die Gerichtskosten sind zu hoch! tritt, verhüllt oder un¬
verhüllt, das Bestreben auf, die Anwaltskosten, deren möglichste Höhe ja einem
Teil unsers Juristenstaudes sehr am Herzen liegt, unvermindert aufrecht zu er¬
halten, ja sogar dieselben durch die Beschränkung der Revision auf die Gerichts-
kosten für alle Zeit zu befestigen- Dies näher darzulegen in einer Weise,
daß es auch für den Laien verständlich wird, ist der Zweck dieser Zeilen.

Zunächst eine allgemeine Betrachtung. Daß der Zivilprozeß mit Kosten
belastet werde, ist nicht bloß ein finanzielles Bedürfnis des Staates und der
bei demselben thätigen Personen, sondern es ist im Interesse der Rechtspflege
selbst geboten. Die Prozeßkosten sind ein unentbehrliches Gegengewicht gegen
arglistiges und leichtfertiges Prozessiren. Wenn nicht auf den Verlust des Pro¬
zesses eine gewisse Strafe stünde, so würden Unzählige den Versuch machen,
ihrem Nächsten Hab und Gut abzuprozessiren. Die Prozeßkosten haben also
die Bedeutung einer auf ungerechtes Prozessiren gesetzten Strafe. Daneben
erfüllen sie allerdings zugleich den Zweck, die Kosten der Rechtspflege mehr
oder minder zu decken. Aber dieser Zweck darf, bei guter Einrichtung der
Rechtspflege, niemals der Hauptzweck werden. Die Frage, wie hoch die Kosten
des Prozesses zu bestimmen sind, läßt sich daher nur aus den Zwecken der
Rechtspflege selbst beantworten. Diese Zwecke aber führen daraufhin, daß man
die Kosten nicht in möglichst großer Höhe, sondern nur in einem verständigen
Maße auf deu Prozeß legen darf. Denn es werden nicht bloß frivole Prozesse
geführt, sondern auch viele, welche die UnVollkommenheit menschlicher Ver¬
hältnisse, namentlich auch der Gesetze selbst, notgedrungen herbeiführt; ja man
kann sich auch uicht verhehlen, daß mancher, der wirklich Recht hat, ohne seine
Schuld gleichwohl den Prozeß verliert und die Kosten bezahlen muß. Könnte
mau die Einrichtung treffen, daß nnr die frivolen Prozesse mit hohen, die nicht
frivol geführten aber mit niedrigen oder gar keinen Kosten belegt würden, so
würde damit dem Zwecke der Prozeßkosten am meisten entsprochen sein. Das
geht aber nun nicht an. Wir haben keine Mittel für eine solche Unterscheidung
und müssen deshalb die Strafe der Prozeßkosten ergehen lassen wie die Wetter
des Himmels, über Gerechte und Ungerechte. Aus alledem ergiebt sich, daß diese


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[0606] Vie Höhe der Prozeßkosten. Anwaltskosten als bei den Gerichtskosten. Eine Herabsetzung bloß der Gerichts¬ kosten, soweit sie überhaupt nach Lage der Dinge thunlich ist, würde auf die Gesamtheit der Kosten so gering wirken, daß sie von den Prozeßführeuden kaum als eine Erleichterung empfunden werden würde. Nur wenn zugleich die An¬ waltskosten entsprechend herabgesetzt werden, wird der Not der Prozeßführenden einigermaßen abgeholfen sein. Der von den Juristen formulirte Ruf: Die Ge- richtskosten sind zu hoch! läuft also auf eine Täuschung des Publikums hinaus. Der Laie versteht darunter die Prozeßkosten überhaupt, und in diesem Sinne stimmt er in den Ruf mit ein. Nur der Jurist weiß, daß Gerichtskosten und Prozeßkosten verschieden sind, daß erstere die Anwaltskosten nicht mit umfassen. Und in dem Rufe: Die Gerichtskosten sind zu hoch! tritt, verhüllt oder un¬ verhüllt, das Bestreben auf, die Anwaltskosten, deren möglichste Höhe ja einem Teil unsers Juristenstaudes sehr am Herzen liegt, unvermindert aufrecht zu er¬ halten, ja sogar dieselben durch die Beschränkung der Revision auf die Gerichts- kosten für alle Zeit zu befestigen- Dies näher darzulegen in einer Weise, daß es auch für den Laien verständlich wird, ist der Zweck dieser Zeilen. Zunächst eine allgemeine Betrachtung. Daß der Zivilprozeß mit Kosten belastet werde, ist nicht bloß ein finanzielles Bedürfnis des Staates und der bei demselben thätigen Personen, sondern es ist im Interesse der Rechtspflege selbst geboten. Die Prozeßkosten sind ein unentbehrliches Gegengewicht gegen arglistiges und leichtfertiges Prozessiren. Wenn nicht auf den Verlust des Pro¬ zesses eine gewisse Strafe stünde, so würden Unzählige den Versuch machen, ihrem Nächsten Hab und Gut abzuprozessiren. Die Prozeßkosten haben also die Bedeutung einer auf ungerechtes Prozessiren gesetzten Strafe. Daneben erfüllen sie allerdings zugleich den Zweck, die Kosten der Rechtspflege mehr oder minder zu decken. Aber dieser Zweck darf, bei guter Einrichtung der Rechtspflege, niemals der Hauptzweck werden. Die Frage, wie hoch die Kosten des Prozesses zu bestimmen sind, läßt sich daher nur aus den Zwecken der Rechtspflege selbst beantworten. Diese Zwecke aber führen daraufhin, daß man die Kosten nicht in möglichst großer Höhe, sondern nur in einem verständigen Maße auf deu Prozeß legen darf. Denn es werden nicht bloß frivole Prozesse geführt, sondern auch viele, welche die UnVollkommenheit menschlicher Ver¬ hältnisse, namentlich auch der Gesetze selbst, notgedrungen herbeiführt; ja man kann sich auch uicht verhehlen, daß mancher, der wirklich Recht hat, ohne seine Schuld gleichwohl den Prozeß verliert und die Kosten bezahlen muß. Könnte mau die Einrichtung treffen, daß nnr die frivolen Prozesse mit hohen, die nicht frivol geführten aber mit niedrigen oder gar keinen Kosten belegt würden, so würde damit dem Zwecke der Prozeßkosten am meisten entsprochen sein. Das geht aber nun nicht an. Wir haben keine Mittel für eine solche Unterscheidung und müssen deshalb die Strafe der Prozeßkosten ergehen lassen wie die Wetter des Himmels, über Gerechte und Ungerechte. Aus alledem ergiebt sich, daß diese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/606>, abgerufen am 08.09.2024.