Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.ßischem Handelsminister den freundschaftlichen Rat gab, des Sprichworts eingedenk Noch ein Wort über die Spritklauscl. Mit Hilfe seiner Freihafenstellung Was soll man nun zu solchen Reden sagen? -- Wir würden nichts dabei ßischem Handelsminister den freundschaftlichen Rat gab, des Sprichworts eingedenk Noch ein Wort über die Spritklauscl. Mit Hilfe seiner Freihafenstellung Was soll man nun zu solchen Reden sagen? — Wir würden nichts dabei <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0604" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/154051"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2623" prev="#ID_2622"> ßischem Handelsminister den freundschaftlichen Rat gab, des Sprichworts eingedenk<lb/> zu sein: Schuster, bleib bei deinem Leisten!</p><lb/> <p xml:id="ID_2624"> Noch ein Wort über die Spritklauscl. Mit Hilfe seiner Freihafenstellung<lb/> verarbeitet Hamburg russischen Rvhspiritus, den es als rektifizirten wieder aus¬<lb/> führt. Nach den von der Handelskammer ausgegebenen statistischen Nachrichten<lb/> betrug im Jahre 1882 durchschnittlich der Wert des Rohspiritus 40,87, der<lb/> des rektifizirteu 45 Mark. Nehmen wir nur das Verhältnis von 40 : 45<lb/> an, so war also der rektisizirte Spiritus zu ^/., russische, zu ^ deutsche Waare.<lb/> Nun produzirt aber auch Deutschland reichlich Spiritus, welcher ganz deutsche<lb/> Waare ist. Dieser ganz deutscheu Waare gegenüber tritt Hamburg mit seiner<lb/> zu s/g russischen Waare in Konkurrenz. Wenn Hamburg neun Faß Sprit ver¬<lb/> kauft, so hat es für sich ein Faß verkauft, aber es hat zugleich das übrige<lb/> Deutschland mit acht Faß russischer Waare vom Markte verdrängt. Das müssen<lb/> wir ja geschehen lassen. Daß aber Deutschland mit namhaften Opfern dem<lb/> Hamburger, welcher für jeden Gewinn, den er selbst von seiner Waare macht,<lb/> das übrige Deutschland achtfach schädigt, sür diesen Zweck noch einen be¬<lb/> sonders günstigen Markt erwerben soll, das ist doch wirklich zuviel verlangt.<lb/> Wir schließen ja gerade dazu Handelsverträge ab, daß wir unsern Produzenten<lb/> vor denen andrer Nationen einen Vorzug erwerben. Und nun sollten wir dem<lb/> russische» Spiritus das Feld öffnen helfen, sobald nur ein klein wenig Ham¬<lb/> burger Arbeit darin steckt. Auch wenn Spanien nicht auf der Ausschließung<lb/> bestanden hätte, hätte daher der Reichskanzler ganz recht gethan, diesen pig.<lb/> Hamburg einzuführenden russischen Spiritus nicht mit unter seine Flügel zu<lb/> nehmen. Auch hat der Hamburger Senat dies richtig erkannt und keine Schwierig¬<lb/> keiten gemacht. Nur der Fortschritt geriet wieder in die äußerste Entrüstung.<lb/> In der Rede Bambergers aber klang es elegisch durch, daß der Hamburger<lb/> Senat nun schon zum zweitenmale es verschmäht habe, seine Interessen auf den<lb/> Schiffen des Fortschritts und der Sezession zu verfrachten, welche gern damit<lb/> geblähten Segels in See gestochen wären.</p><lb/> <p xml:id="ID_2625" next="#ID_2626"> Was soll man nun zu solchen Reden sagen? — Wir würden nichts dabei<lb/> gefunden haben, wenn Redner aufgetreten wären mit der Erklärung, daß sie es<lb/> für besser hielten, selbst in Fällen der vorliegenden Art streng an der Form<lb/> zu halten und jedesmal sofort den Reichstag zu berufen. Sie hätten dann nur<lb/> auch sagen sollen, ob sie eine Garantie übernehmen können, daß jederzeit ein<lb/> beschlußfähiger Reichstag zu haben sei. Wenn aber eine Regierung, die nach<lb/> bestem Wissen und Willen für das Wohl des Vaterlandes gesorgt hat, dafür<lb/> solche Schmähungen erntet, wie ihr hier entgegengetragen wurden, so muß das<lb/> jedes gesunde sittliche Gefühl mit tiefem Unwillen erfüllen. Und dazu noch<lb/> diese maßlose Überhebung gegenüber einem Manne wie unserm Reichskanzler!<lb/> In einem bekannten Distichon spricht Schiller von den Leuten, welche, weil<lb/> ihnen ein Vers gelingt in einer gebildeten Sprache, die für sie dichtet und denkt,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0604]
ßischem Handelsminister den freundschaftlichen Rat gab, des Sprichworts eingedenk
zu sein: Schuster, bleib bei deinem Leisten!
Noch ein Wort über die Spritklauscl. Mit Hilfe seiner Freihafenstellung
verarbeitet Hamburg russischen Rvhspiritus, den es als rektifizirten wieder aus¬
führt. Nach den von der Handelskammer ausgegebenen statistischen Nachrichten
betrug im Jahre 1882 durchschnittlich der Wert des Rohspiritus 40,87, der
des rektifizirteu 45 Mark. Nehmen wir nur das Verhältnis von 40 : 45
an, so war also der rektisizirte Spiritus zu ^/., russische, zu ^ deutsche Waare.
Nun produzirt aber auch Deutschland reichlich Spiritus, welcher ganz deutsche
Waare ist. Dieser ganz deutscheu Waare gegenüber tritt Hamburg mit seiner
zu s/g russischen Waare in Konkurrenz. Wenn Hamburg neun Faß Sprit ver¬
kauft, so hat es für sich ein Faß verkauft, aber es hat zugleich das übrige
Deutschland mit acht Faß russischer Waare vom Markte verdrängt. Das müssen
wir ja geschehen lassen. Daß aber Deutschland mit namhaften Opfern dem
Hamburger, welcher für jeden Gewinn, den er selbst von seiner Waare macht,
das übrige Deutschland achtfach schädigt, sür diesen Zweck noch einen be¬
sonders günstigen Markt erwerben soll, das ist doch wirklich zuviel verlangt.
Wir schließen ja gerade dazu Handelsverträge ab, daß wir unsern Produzenten
vor denen andrer Nationen einen Vorzug erwerben. Und nun sollten wir dem
russische» Spiritus das Feld öffnen helfen, sobald nur ein klein wenig Ham¬
burger Arbeit darin steckt. Auch wenn Spanien nicht auf der Ausschließung
bestanden hätte, hätte daher der Reichskanzler ganz recht gethan, diesen pig.
Hamburg einzuführenden russischen Spiritus nicht mit unter seine Flügel zu
nehmen. Auch hat der Hamburger Senat dies richtig erkannt und keine Schwierig¬
keiten gemacht. Nur der Fortschritt geriet wieder in die äußerste Entrüstung.
In der Rede Bambergers aber klang es elegisch durch, daß der Hamburger
Senat nun schon zum zweitenmale es verschmäht habe, seine Interessen auf den
Schiffen des Fortschritts und der Sezession zu verfrachten, welche gern damit
geblähten Segels in See gestochen wären.
Was soll man nun zu solchen Reden sagen? — Wir würden nichts dabei
gefunden haben, wenn Redner aufgetreten wären mit der Erklärung, daß sie es
für besser hielten, selbst in Fällen der vorliegenden Art streng an der Form
zu halten und jedesmal sofort den Reichstag zu berufen. Sie hätten dann nur
auch sagen sollen, ob sie eine Garantie übernehmen können, daß jederzeit ein
beschlußfähiger Reichstag zu haben sei. Wenn aber eine Regierung, die nach
bestem Wissen und Willen für das Wohl des Vaterlandes gesorgt hat, dafür
solche Schmähungen erntet, wie ihr hier entgegengetragen wurden, so muß das
jedes gesunde sittliche Gefühl mit tiefem Unwillen erfüllen. Und dazu noch
diese maßlose Überhebung gegenüber einem Manne wie unserm Reichskanzler!
In einem bekannten Distichon spricht Schiller von den Leuten, welche, weil
ihnen ein Vers gelingt in einer gebildeten Sprache, die für sie dichtet und denkt,
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