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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

Das können Sie,,, und er wird Ihnen antworten, daß ich nicht zu den
Domestiken gehöre. Übrigens bin ich gegen anständige Gäste immer gefällig
gewesen. Aber es giebt auch andre Leute, Damen, die sich gern zwanzig Jahre
wegschminken möchten, um im Trüben zu fischen, Damen, die viele Ansprüche
machen, aber nichts zuzusetzen haben, Damen, die sich in friedliche Häuser dränge",
um Unfrieden zu stiften, Damen, die ihre Söhne und sich selbst gut anbringen
möchten, und genau wissen, wo Bartel den Most holt. Solche Gäste können
mir gewogen bleiben!

Die Gräfin hatte vergeblich versucht, Millicent zu unterbrechen. Millicents
Zunge konnte unter Umständen noch geschwinder laufen als die ihres Bruders
Rudolf, und es war keine Lücke zwischen ihren Worten groß genug, um eine
spaltende Silbe hineinzuzwängen. So waren beide, indem das junge Mädchen
seinen Weg fortsetzte und die Gräfin ihr zur Seite blieb, vor des Barons Thür
angelangt, und hier nahm die Gräfin ihren Vorteil wahr, stellte sich gerade vor
Millieent hin und rief mit so lauter Stimme, daß es im Zimmer zu hören
sein mußte: Welche Unverschämtheit! Wie können Sie sich unterstehen, mir auf
meine freundliche Frage so grob zu antworten? Wissen Sie nicht, wer ich bin?
Ist das der Respekt, den Sie der Gräfin von Altenschwerdt schuldig sind?

Sie hatte nicht umsonst gerufen, denn jetzt öffnete sich die Thür, und Baron
Sextus erschien mit drohendem Gesicht auf der Schwelle.

Was giebt es? fragte er. Worüber haben Sie sich zu beklagen, meine
Gnädigste?'

Äh, Pardon, daß ich Sie gestört habe, lieber Bnrvn, antwortete die Gräfin.
Es war wirklich nicht meine Absicht, Ihre Aufmerksamkeit auf eine solche Baga
telle zu lenken, welche zu beachten ganz unter Ihrer Würde ist. Aber da Sie
es einmal gehört haben -- ich versuchte nur diesem jungen Dinge, welches den
Postillon d'Amour zu mache" liebt, den Kopf zurechtzusetzen. Natürlich ge¬
fielen meine Vorstellungen der Mamsell nicht, und wir gaben keine artigen Ant¬
worten.

Kommen Sie doch einmal herein, Millicent, sagte der Baron. Darf ich
Sie auch bitten, gnädige Gräfin?

Die Gräfin schritt stolzen Ganges in das Zimmer, und Millicent kam
hinter ihr her.

Es ist mir außer allem Zweifel, sagte die Gräfin, daß dieses gefällige Per-
sönchen den Zwischenträger in einem gewissen bedauerlichen Verhältnis spielt.
Ich treffe sie eben zum Ausgehen gekleidet, hastig dahinlaufend, während es
durchaus uicht die Tageszeit ist, zu welcher sie Spaziergciuge zu machen hat.

Bitte, sagte Baron Sextus, lassen Sie mich der Sache nachforschen. Wie
ist das, Millicent, haben Sie sich derartiges zu Schulden kommen lassen und
der Frau Gräfin unartig geantwortet?

Millicent hatte ihre Augen von der Gräfin zum Baron und vom Baron
zur Gräfin wandern lassen und machte durchaus keine eingeschüchterte
Miene.

Herr Baron, sagte sie, ich bin so lange ich lebe bei Ihnen gewesen, und es ist in
allen den Jahren nichts Verdrießliches zwischen uns vorgefallen. Aber es ist
vielleicht gut, daß es so gekommen ist wie jetzt, und daß Sie mich fragen. Denn
sonst hätte ich vielleicht meine Ansicht über die Wirtschaft, die jetzt im schlösse
herrscht, länger bei mir behalten, als ich es schließlich verantworten könnte.
Seitdem die Frau Gräfin uns die Ehre erweist, uns zu besuchen, ist es gerade


Die Grafen von Altenschwerdt.

Das können Sie,,, und er wird Ihnen antworten, daß ich nicht zu den
Domestiken gehöre. Übrigens bin ich gegen anständige Gäste immer gefällig
gewesen. Aber es giebt auch andre Leute, Damen, die sich gern zwanzig Jahre
wegschminken möchten, um im Trüben zu fischen, Damen, die viele Ansprüche
machen, aber nichts zuzusetzen haben, Damen, die sich in friedliche Häuser dränge»,
um Unfrieden zu stiften, Damen, die ihre Söhne und sich selbst gut anbringen
möchten, und genau wissen, wo Bartel den Most holt. Solche Gäste können
mir gewogen bleiben!

Die Gräfin hatte vergeblich versucht, Millicent zu unterbrechen. Millicents
Zunge konnte unter Umständen noch geschwinder laufen als die ihres Bruders
Rudolf, und es war keine Lücke zwischen ihren Worten groß genug, um eine
spaltende Silbe hineinzuzwängen. So waren beide, indem das junge Mädchen
seinen Weg fortsetzte und die Gräfin ihr zur Seite blieb, vor des Barons Thür
angelangt, und hier nahm die Gräfin ihren Vorteil wahr, stellte sich gerade vor
Millieent hin und rief mit so lauter Stimme, daß es im Zimmer zu hören
sein mußte: Welche Unverschämtheit! Wie können Sie sich unterstehen, mir auf
meine freundliche Frage so grob zu antworten? Wissen Sie nicht, wer ich bin?
Ist das der Respekt, den Sie der Gräfin von Altenschwerdt schuldig sind?

Sie hatte nicht umsonst gerufen, denn jetzt öffnete sich die Thür, und Baron
Sextus erschien mit drohendem Gesicht auf der Schwelle.

Was giebt es? fragte er. Worüber haben Sie sich zu beklagen, meine
Gnädigste?'

Äh, Pardon, daß ich Sie gestört habe, lieber Bnrvn, antwortete die Gräfin.
Es war wirklich nicht meine Absicht, Ihre Aufmerksamkeit auf eine solche Baga
telle zu lenken, welche zu beachten ganz unter Ihrer Würde ist. Aber da Sie
es einmal gehört haben — ich versuchte nur diesem jungen Dinge, welches den
Postillon d'Amour zu mache» liebt, den Kopf zurechtzusetzen. Natürlich ge¬
fielen meine Vorstellungen der Mamsell nicht, und wir gaben keine artigen Ant¬
worten.

Kommen Sie doch einmal herein, Millicent, sagte der Baron. Darf ich
Sie auch bitten, gnädige Gräfin?

Die Gräfin schritt stolzen Ganges in das Zimmer, und Millicent kam
hinter ihr her.

Es ist mir außer allem Zweifel, sagte die Gräfin, daß dieses gefällige Per-
sönchen den Zwischenträger in einem gewissen bedauerlichen Verhältnis spielt.
Ich treffe sie eben zum Ausgehen gekleidet, hastig dahinlaufend, während es
durchaus uicht die Tageszeit ist, zu welcher sie Spaziergciuge zu machen hat.

Bitte, sagte Baron Sextus, lassen Sie mich der Sache nachforschen. Wie
ist das, Millicent, haben Sie sich derartiges zu Schulden kommen lassen und
der Frau Gräfin unartig geantwortet?

Millicent hatte ihre Augen von der Gräfin zum Baron und vom Baron
zur Gräfin wandern lassen und machte durchaus keine eingeschüchterte
Miene.

Herr Baron, sagte sie, ich bin so lange ich lebe bei Ihnen gewesen, und es ist in
allen den Jahren nichts Verdrießliches zwischen uns vorgefallen. Aber es ist
vielleicht gut, daß es so gekommen ist wie jetzt, und daß Sie mich fragen. Denn
sonst hätte ich vielleicht meine Ansicht über die Wirtschaft, die jetzt im schlösse
herrscht, länger bei mir behalten, als ich es schließlich verantworten könnte.
Seitdem die Frau Gräfin uns die Ehre erweist, uns zu besuchen, ist es gerade


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[0050] Die Grafen von Altenschwerdt. Das können Sie,,, und er wird Ihnen antworten, daß ich nicht zu den Domestiken gehöre. Übrigens bin ich gegen anständige Gäste immer gefällig gewesen. Aber es giebt auch andre Leute, Damen, die sich gern zwanzig Jahre wegschminken möchten, um im Trüben zu fischen, Damen, die viele Ansprüche machen, aber nichts zuzusetzen haben, Damen, die sich in friedliche Häuser dränge», um Unfrieden zu stiften, Damen, die ihre Söhne und sich selbst gut anbringen möchten, und genau wissen, wo Bartel den Most holt. Solche Gäste können mir gewogen bleiben! Die Gräfin hatte vergeblich versucht, Millicent zu unterbrechen. Millicents Zunge konnte unter Umständen noch geschwinder laufen als die ihres Bruders Rudolf, und es war keine Lücke zwischen ihren Worten groß genug, um eine spaltende Silbe hineinzuzwängen. So waren beide, indem das junge Mädchen seinen Weg fortsetzte und die Gräfin ihr zur Seite blieb, vor des Barons Thür angelangt, und hier nahm die Gräfin ihren Vorteil wahr, stellte sich gerade vor Millieent hin und rief mit so lauter Stimme, daß es im Zimmer zu hören sein mußte: Welche Unverschämtheit! Wie können Sie sich unterstehen, mir auf meine freundliche Frage so grob zu antworten? Wissen Sie nicht, wer ich bin? Ist das der Respekt, den Sie der Gräfin von Altenschwerdt schuldig sind? Sie hatte nicht umsonst gerufen, denn jetzt öffnete sich die Thür, und Baron Sextus erschien mit drohendem Gesicht auf der Schwelle. Was giebt es? fragte er. Worüber haben Sie sich zu beklagen, meine Gnädigste?' Äh, Pardon, daß ich Sie gestört habe, lieber Bnrvn, antwortete die Gräfin. Es war wirklich nicht meine Absicht, Ihre Aufmerksamkeit auf eine solche Baga telle zu lenken, welche zu beachten ganz unter Ihrer Würde ist. Aber da Sie es einmal gehört haben — ich versuchte nur diesem jungen Dinge, welches den Postillon d'Amour zu mache» liebt, den Kopf zurechtzusetzen. Natürlich ge¬ fielen meine Vorstellungen der Mamsell nicht, und wir gaben keine artigen Ant¬ worten. Kommen Sie doch einmal herein, Millicent, sagte der Baron. Darf ich Sie auch bitten, gnädige Gräfin? Die Gräfin schritt stolzen Ganges in das Zimmer, und Millicent kam hinter ihr her. Es ist mir außer allem Zweifel, sagte die Gräfin, daß dieses gefällige Per- sönchen den Zwischenträger in einem gewissen bedauerlichen Verhältnis spielt. Ich treffe sie eben zum Ausgehen gekleidet, hastig dahinlaufend, während es durchaus uicht die Tageszeit ist, zu welcher sie Spaziergciuge zu machen hat. Bitte, sagte Baron Sextus, lassen Sie mich der Sache nachforschen. Wie ist das, Millicent, haben Sie sich derartiges zu Schulden kommen lassen und der Frau Gräfin unartig geantwortet? Millicent hatte ihre Augen von der Gräfin zum Baron und vom Baron zur Gräfin wandern lassen und machte durchaus keine eingeschüchterte Miene. Herr Baron, sagte sie, ich bin so lange ich lebe bei Ihnen gewesen, und es ist in allen den Jahren nichts Verdrießliches zwischen uns vorgefallen. Aber es ist vielleicht gut, daß es so gekommen ist wie jetzt, und daß Sie mich fragen. Denn sonst hätte ich vielleicht meine Ansicht über die Wirtschaft, die jetzt im schlösse herrscht, länger bei mir behalten, als ich es schließlich verantworten könnte. Seitdem die Frau Gräfin uns die Ehre erweist, uns zu besuchen, ist es gerade

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/50>, abgerufen am 05.12.2024.