Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Grafen von Altenschrverdt.
August Niemann ( Roman vonGotha).
(Fortsetzung.)

illiceut beobachtete nachdenklich die traurige Geberde und die matte
Art des Sprechens ihrer Freundin und schien plötzlich von einem
neuen Gedanken beseelt zu werden.

Du sagtest, dein Vater wolle deinen Brief mit einem eignen
zusammen noch heute fortschicken? fragte sie.

Dorothea nickte mit dem Kopfe.

Dein Herr Eschenburg müßte ein rechter Narr sein, wenn er gleich auf
euer Verlangen einginge, sagte Millicent.

Dorothea zuckte die Achseln. Ich habe ihn einfach gebeten, mir mein Wort
zurückzugeben. Was kann er anders thun, als darauf eingehen?

Wenn sie dich nicht durch ihre Quälereien dumm gemacht hätten, würdest
du wohl auf den Gedanken kommen, daß er etwas andres thun könnte.

Was meinst du? fragte Dorothea, mit neu erwachenden Interesse empor¬
blickend.

Wenn er nun nicht antwortete? Oder wenn er antwortete, es fiele ihm
garnicht ein, dir dein Wort zurückzugeben, weil er wüßte, du wärest zu deiner
Bitte gezwungen?

Dann -- dann -- rief Dorothea, du liest mir meine geheime Hoffnung
aus dem Herzen, liebe Millicent -- dann würde ich, wenn ich katholisch wäre,
in ein Kloster gehen, so aber als alte Jungfer sterben, die in diesem traurige"
Schlosse nie aufhören wird, um ihr Verlornes Glück zu weinen.

Nun will ich dir etwas sagen: Ich werde jetzt sofort nach Scholldorf
fahren, ehe noch eure verflixten Briefe dorthin kommen, und ich werde deinem
Maler ein Licht über die Situation aufstecken. Er sieht garnicht so einfältig
aus, wie du dir ihn vorstellst.

Ich bitte dich, Millicent -- was willst du thun?

Bleib nur ruhig hier sitzen, sagte Millicent, ihre Freundin zum Sopha
zurückdrängend. Leg dich ein bischen nieder und weine dich aus. Du bist ja
ganz außer dir. Laß mich nur machen.




Die Grafen von Altenschrverdt.
August Niemann ( Roman vonGotha).
(Fortsetzung.)

illiceut beobachtete nachdenklich die traurige Geberde und die matte
Art des Sprechens ihrer Freundin und schien plötzlich von einem
neuen Gedanken beseelt zu werden.

Du sagtest, dein Vater wolle deinen Brief mit einem eignen
zusammen noch heute fortschicken? fragte sie.

Dorothea nickte mit dem Kopfe.

Dein Herr Eschenburg müßte ein rechter Narr sein, wenn er gleich auf
euer Verlangen einginge, sagte Millicent.

Dorothea zuckte die Achseln. Ich habe ihn einfach gebeten, mir mein Wort
zurückzugeben. Was kann er anders thun, als darauf eingehen?

Wenn sie dich nicht durch ihre Quälereien dumm gemacht hätten, würdest
du wohl auf den Gedanken kommen, daß er etwas andres thun könnte.

Was meinst du? fragte Dorothea, mit neu erwachenden Interesse empor¬
blickend.

Wenn er nun nicht antwortete? Oder wenn er antwortete, es fiele ihm
garnicht ein, dir dein Wort zurückzugeben, weil er wüßte, du wärest zu deiner
Bitte gezwungen?

Dann — dann — rief Dorothea, du liest mir meine geheime Hoffnung
aus dem Herzen, liebe Millicent — dann würde ich, wenn ich katholisch wäre,
in ein Kloster gehen, so aber als alte Jungfer sterben, die in diesem traurige»
Schlosse nie aufhören wird, um ihr Verlornes Glück zu weinen.

Nun will ich dir etwas sagen: Ich werde jetzt sofort nach Scholldorf
fahren, ehe noch eure verflixten Briefe dorthin kommen, und ich werde deinem
Maler ein Licht über die Situation aufstecken. Er sieht garnicht so einfältig
aus, wie du dir ihn vorstellst.

Ich bitte dich, Millicent — was willst du thun?

Bleib nur ruhig hier sitzen, sagte Millicent, ihre Freundin zum Sopha
zurückdrängend. Leg dich ein bischen nieder und weine dich aus. Du bist ja
ganz außer dir. Laß mich nur machen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153497"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Grafen von Altenschrverdt.<lb/><note type="byline"> August Niemann (</note> Roman vonGotha).<lb/>
(Fortsetzung.)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_118"> illiceut beobachtete nachdenklich die traurige Geberde und die matte<lb/>
Art des Sprechens ihrer Freundin und schien plötzlich von einem<lb/>
neuen Gedanken beseelt zu werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_119"> Du sagtest, dein Vater wolle deinen Brief mit einem eignen<lb/>
zusammen noch heute fortschicken? fragte sie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_120"> Dorothea nickte mit dem Kopfe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_121"> Dein Herr Eschenburg müßte ein rechter Narr sein, wenn er gleich auf<lb/>
euer Verlangen einginge, sagte Millicent.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_122"> Dorothea zuckte die Achseln. Ich habe ihn einfach gebeten, mir mein Wort<lb/>
zurückzugeben.  Was kann er anders thun, als darauf eingehen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_123"> Wenn sie dich nicht durch ihre Quälereien dumm gemacht hätten, würdest<lb/>
du wohl auf den Gedanken kommen, daß er etwas andres thun könnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_124"> Was meinst du? fragte Dorothea, mit neu erwachenden Interesse empor¬<lb/>
blickend.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_125"> Wenn er nun nicht antwortete? Oder wenn er antwortete, es fiele ihm<lb/>
garnicht ein, dir dein Wort zurückzugeben, weil er wüßte, du wärest zu deiner<lb/>
Bitte gezwungen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_126"> Dann &#x2014; dann &#x2014; rief Dorothea, du liest mir meine geheime Hoffnung<lb/>
aus dem Herzen, liebe Millicent &#x2014; dann würde ich, wenn ich katholisch wäre,<lb/>
in ein Kloster gehen, so aber als alte Jungfer sterben, die in diesem traurige»<lb/>
Schlosse nie aufhören wird, um ihr Verlornes Glück zu weinen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_127"> Nun will ich dir etwas sagen: Ich werde jetzt sofort nach Scholldorf<lb/>
fahren, ehe noch eure verflixten Briefe dorthin kommen, und ich werde deinem<lb/>
Maler ein Licht über die Situation aufstecken. Er sieht garnicht so einfältig<lb/>
aus, wie du dir ihn vorstellst.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_128"> Ich bitte dich, Millicent &#x2014; was willst du thun?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_129"> Bleib nur ruhig hier sitzen, sagte Millicent, ihre Freundin zum Sopha<lb/>
zurückdrängend. Leg dich ein bischen nieder und weine dich aus. Du bist ja<lb/>
ganz außer dir.  Laß mich nur machen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0048] Die Grafen von Altenschrverdt. August Niemann ( Roman vonGotha). (Fortsetzung.) illiceut beobachtete nachdenklich die traurige Geberde und die matte Art des Sprechens ihrer Freundin und schien plötzlich von einem neuen Gedanken beseelt zu werden. Du sagtest, dein Vater wolle deinen Brief mit einem eignen zusammen noch heute fortschicken? fragte sie. Dorothea nickte mit dem Kopfe. Dein Herr Eschenburg müßte ein rechter Narr sein, wenn er gleich auf euer Verlangen einginge, sagte Millicent. Dorothea zuckte die Achseln. Ich habe ihn einfach gebeten, mir mein Wort zurückzugeben. Was kann er anders thun, als darauf eingehen? Wenn sie dich nicht durch ihre Quälereien dumm gemacht hätten, würdest du wohl auf den Gedanken kommen, daß er etwas andres thun könnte. Was meinst du? fragte Dorothea, mit neu erwachenden Interesse empor¬ blickend. Wenn er nun nicht antwortete? Oder wenn er antwortete, es fiele ihm garnicht ein, dir dein Wort zurückzugeben, weil er wüßte, du wärest zu deiner Bitte gezwungen? Dann — dann — rief Dorothea, du liest mir meine geheime Hoffnung aus dem Herzen, liebe Millicent — dann würde ich, wenn ich katholisch wäre, in ein Kloster gehen, so aber als alte Jungfer sterben, die in diesem traurige» Schlosse nie aufhören wird, um ihr Verlornes Glück zu weinen. Nun will ich dir etwas sagen: Ich werde jetzt sofort nach Scholldorf fahren, ehe noch eure verflixten Briefe dorthin kommen, und ich werde deinem Maler ein Licht über die Situation aufstecken. Er sieht garnicht so einfältig aus, wie du dir ihn vorstellst. Ich bitte dich, Millicent — was willst du thun? Bleib nur ruhig hier sitzen, sagte Millicent, ihre Freundin zum Sopha zurückdrängend. Leg dich ein bischen nieder und weine dich aus. Du bist ja ganz außer dir. Laß mich nur machen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/48
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/48>, abgerufen am 08.09.2024.