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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Notiz.

den Ton Scheffels zu treffen, aber meistens hat er weder von dein Anschauungsreichtum
noch von der eigentümlichen Anmut der poetischen Vortragsweise seines Meisters
einen Kegriff. Bei Scheffel hilft die leichte, spielende, ironische Art über die Un¬
Wahrscheinlichkeiten der Fabel hinweg, bei Brombncher ist alles bitter ernsthaft, und
jede Armseligkeit der Fabel oder platte Trivialität der Form tritt dadurch besonders
hervor. Der Spielmann Walter hat mit weltschmcrzlicher Miene und mit Versen
vom Kaliber der nachstehenden:


Bin ein Spielmann wild und fremd,
Ohne Heimat, ohne Recht,
Bin verstoßen ganz und gar
Aus dem menschlichen Geschlecht.
Und mein Auge darf uicht schauen
Holder Frauen schöne Zier,
Niemals wirket Minne süß,
Niemals, niemals winkt sie mir.
Ach, und einmal wagt ichs doch,
Schaut' ein süßes Frauenbild,
Und da regte 's Herz sich laut,
Pochte mir so rasch und wild

das Herz der schönen Gertrud von Rosenegg gewonnen, welche um deswillen
die Werbung des benachbarten Ritters Otto von Schönberg widerwillig und kalt¬
sinnig anschaut. Sobald der Burgherr Unrat merkt, erinnert er sich seiner ritter¬
lichen Pflichten sogut wie der alte Freiherr im "Trompeter von Säkkingen" und
wirft den unbefugten Bewerber gleichfalls zum Hause hinaus, Nun aber begünstigt
das Glück den Helden Brombachers besser als denjenigen Scheffels, der "Trompeter"
muß erst nach Rom fahren, jahrelang ringen und schmerzlich entbehren, ein be¬
rühmter Musiker und päpstlicher Kapellmeister werden, der "Spielmann" braucht
nur in die Hütte eines Einsiedlers "zwischen Rosenegg und Schönberg" hinunter-
zusteigeu, um zu erfahren, daß er nichts weniger als ein armer Spielmann, sondern
so ritterlich und hochgeboren sei wie der Herr von Rosenegg selber. Er ist nicht
Walter Schönhaar, sondern Walter von Staufen, ist bei der Ermordung seines
Vaters und der Zerstörung der väterlichen Burg (durch den alten Schönberg) von
einem treuen Knappen (jetzt dem Einsiedler) in der üblichen Weise gerettet worden
und hat jetzt nichts weiter nötig, als seinen rechtmäßigen Namen und sein Wappen
anzunehmen, um als vollbürtigcr Bewerber um Gertrud auftreten zu können. Bei
der Plötzlichkeit, mit welcher die Schandthaten derer von Schönberg ans Licht
kommen, darf man sich auch uicht allzusehr darüber wundern, daß der Alte, sobald
ihm nur seine Vergehen vorgehalten werden, entseelt vom Rosse zur Erde sinkt,
der Junge aber so davon stürmt, daß niemand je wieder etwas von ihm hört.
Dann folgt die Verlobung Walters mit Gertrud und die Schlußstrophe:


Armer Spielmnun wild und fremd,
Bist nicht recht- und heimatlos,
Freiheit, Minne, Namen, Stand
Warf das Glück dir in den Schoß.
Singe jetzt von Minne treu;
Sing' von ihrer süßen Lust,
Hol' die schönsten Töne vor
Aus der freudbewegtcn Brust.
Reine Liebe ohne Leid,
Altes Lied aus alter Zeit.
Laßt die Saiten voller rauschen,
Laut dein hohes Lied erschallen,

Notiz.

den Ton Scheffels zu treffen, aber meistens hat er weder von dein Anschauungsreichtum
noch von der eigentümlichen Anmut der poetischen Vortragsweise seines Meisters
einen Kegriff. Bei Scheffel hilft die leichte, spielende, ironische Art über die Un¬
Wahrscheinlichkeiten der Fabel hinweg, bei Brombncher ist alles bitter ernsthaft, und
jede Armseligkeit der Fabel oder platte Trivialität der Form tritt dadurch besonders
hervor. Der Spielmann Walter hat mit weltschmcrzlicher Miene und mit Versen
vom Kaliber der nachstehenden:


Bin ein Spielmann wild und fremd,
Ohne Heimat, ohne Recht,
Bin verstoßen ganz und gar
Aus dem menschlichen Geschlecht.
Und mein Auge darf uicht schauen
Holder Frauen schöne Zier,
Niemals wirket Minne süß,
Niemals, niemals winkt sie mir.
Ach, und einmal wagt ichs doch,
Schaut' ein süßes Frauenbild,
Und da regte 's Herz sich laut,
Pochte mir so rasch und wild

das Herz der schönen Gertrud von Rosenegg gewonnen, welche um deswillen
die Werbung des benachbarten Ritters Otto von Schönberg widerwillig und kalt¬
sinnig anschaut. Sobald der Burgherr Unrat merkt, erinnert er sich seiner ritter¬
lichen Pflichten sogut wie der alte Freiherr im „Trompeter von Säkkingen" und
wirft den unbefugten Bewerber gleichfalls zum Hause hinaus, Nun aber begünstigt
das Glück den Helden Brombachers besser als denjenigen Scheffels, der „Trompeter"
muß erst nach Rom fahren, jahrelang ringen und schmerzlich entbehren, ein be¬
rühmter Musiker und päpstlicher Kapellmeister werden, der „Spielmann" braucht
nur in die Hütte eines Einsiedlers „zwischen Rosenegg und Schönberg" hinunter-
zusteigeu, um zu erfahren, daß er nichts weniger als ein armer Spielmann, sondern
so ritterlich und hochgeboren sei wie der Herr von Rosenegg selber. Er ist nicht
Walter Schönhaar, sondern Walter von Staufen, ist bei der Ermordung seines
Vaters und der Zerstörung der väterlichen Burg (durch den alten Schönberg) von
einem treuen Knappen (jetzt dem Einsiedler) in der üblichen Weise gerettet worden
und hat jetzt nichts weiter nötig, als seinen rechtmäßigen Namen und sein Wappen
anzunehmen, um als vollbürtigcr Bewerber um Gertrud auftreten zu können. Bei
der Plötzlichkeit, mit welcher die Schandthaten derer von Schönberg ans Licht
kommen, darf man sich auch uicht allzusehr darüber wundern, daß der Alte, sobald
ihm nur seine Vergehen vorgehalten werden, entseelt vom Rosse zur Erde sinkt,
der Junge aber so davon stürmt, daß niemand je wieder etwas von ihm hört.
Dann folgt die Verlobung Walters mit Gertrud und die Schlußstrophe:


Armer Spielmnun wild und fremd,
Bist nicht recht- und heimatlos,
Freiheit, Minne, Namen, Stand
Warf das Glück dir in den Schoß.
Singe jetzt von Minne treu;
Sing' von ihrer süßen Lust,
Hol' die schönsten Töne vor
Aus der freudbewegtcn Brust.
Reine Liebe ohne Leid,
Altes Lied aus alter Zeit.
Laßt die Saiten voller rauschen,
Laut dein hohes Lied erschallen,

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[0429] Notiz. den Ton Scheffels zu treffen, aber meistens hat er weder von dein Anschauungsreichtum noch von der eigentümlichen Anmut der poetischen Vortragsweise seines Meisters einen Kegriff. Bei Scheffel hilft die leichte, spielende, ironische Art über die Un¬ Wahrscheinlichkeiten der Fabel hinweg, bei Brombncher ist alles bitter ernsthaft, und jede Armseligkeit der Fabel oder platte Trivialität der Form tritt dadurch besonders hervor. Der Spielmann Walter hat mit weltschmcrzlicher Miene und mit Versen vom Kaliber der nachstehenden: Bin ein Spielmann wild und fremd, Ohne Heimat, ohne Recht, Bin verstoßen ganz und gar Aus dem menschlichen Geschlecht. Und mein Auge darf uicht schauen Holder Frauen schöne Zier, Niemals wirket Minne süß, Niemals, niemals winkt sie mir. Ach, und einmal wagt ichs doch, Schaut' ein süßes Frauenbild, Und da regte 's Herz sich laut, Pochte mir so rasch und wild das Herz der schönen Gertrud von Rosenegg gewonnen, welche um deswillen die Werbung des benachbarten Ritters Otto von Schönberg widerwillig und kalt¬ sinnig anschaut. Sobald der Burgherr Unrat merkt, erinnert er sich seiner ritter¬ lichen Pflichten sogut wie der alte Freiherr im „Trompeter von Säkkingen" und wirft den unbefugten Bewerber gleichfalls zum Hause hinaus, Nun aber begünstigt das Glück den Helden Brombachers besser als denjenigen Scheffels, der „Trompeter" muß erst nach Rom fahren, jahrelang ringen und schmerzlich entbehren, ein be¬ rühmter Musiker und päpstlicher Kapellmeister werden, der „Spielmann" braucht nur in die Hütte eines Einsiedlers „zwischen Rosenegg und Schönberg" hinunter- zusteigeu, um zu erfahren, daß er nichts weniger als ein armer Spielmann, sondern so ritterlich und hochgeboren sei wie der Herr von Rosenegg selber. Er ist nicht Walter Schönhaar, sondern Walter von Staufen, ist bei der Ermordung seines Vaters und der Zerstörung der väterlichen Burg (durch den alten Schönberg) von einem treuen Knappen (jetzt dem Einsiedler) in der üblichen Weise gerettet worden und hat jetzt nichts weiter nötig, als seinen rechtmäßigen Namen und sein Wappen anzunehmen, um als vollbürtigcr Bewerber um Gertrud auftreten zu können. Bei der Plötzlichkeit, mit welcher die Schandthaten derer von Schönberg ans Licht kommen, darf man sich auch uicht allzusehr darüber wundern, daß der Alte, sobald ihm nur seine Vergehen vorgehalten werden, entseelt vom Rosse zur Erde sinkt, der Junge aber so davon stürmt, daß niemand je wieder etwas von ihm hört. Dann folgt die Verlobung Walters mit Gertrud und die Schlußstrophe: Armer Spielmnun wild und fremd, Bist nicht recht- und heimatlos, Freiheit, Minne, Namen, Stand Warf das Glück dir in den Schoß. Singe jetzt von Minne treu; Sing' von ihrer süßen Lust, Hol' die schönsten Töne vor Aus der freudbewegtcn Brust. Reine Liebe ohne Leid, Altes Lied aus alter Zeit. Laßt die Saiten voller rauschen, Laut dein hohes Lied erschallen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/429>, abgerufen am 08.09.2024.