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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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(österreichische lOirren.

Aber unklugerweise bestritt man im Gemeinderat und im Landesschulrat der
Regierung das Recht, die Eröffnung der tschechischen Schule zu gestatten, und
stellte sich damit auf einen unhaltbaren Boden. Ja wenn dem Jammerinanne
Maaßen, welcher sich in seiner Eigenschaft als Rektor der Universität Wien be¬
fugt und verpflichtet fühlte, im Landtage eine Predigt über die Herrschsucht der
Deutschen zu halten, wenn diesem "wahrhaften Österreicher" aus Mecklenburg
wäre zu helfen gewesen, so würde die unglaubliche Taktlosigkeit einzelner Er¬
wiederungen das besorgt habe". Doch er war noch ungeschickter, und die kurze,
würdige Erklärung seiner Universitätskollegen, von welcher sich nur einige Slawen
und Vorsichtige ausgeschlossen hatten, gab ihm vollends den Rest. Wie gewöhn¬
lich, mutmaße man eigensüchtige Absichten in dem Auftreten Maaßens, wahr¬
scheinlich mit Unrecht. Seine Laufbahn, seine ultrakonservative publizistische
Thätigkeit gemeinschaftlich mit Flvrencourt in den Jahren 1848 ff., sein eben¬
falls mit jenem ausgeführter Übertritt zum Katholizismus, sein Anschluß an
die Altkatholiken zeigen ihn vielmehr als einen jener guten Menschen und schlechten
Politiker, welche immer bereit sind, die Donqnixotelcmze für ein angeblich unter¬
drücktes Recht einzulegen, ohne zu bedenken, ob sie nicht das gemeine Wesen
dadurch verletzen. Daß zwischen Deutschen und Tschechen Kricgszusmud be¬
steht, daß die Gegner Wind und Sonne für sich haben, daß sie nach alter Hus-
sitenart im Namen der Freiheit alles, was nicht zu ihrer Blntfahne schwört,
vernichten möchten (die Juugtschechen SM" MraM, die Alttschechcn stückweise und
unter versöhnlichem Zuspruch) -- das sieht er nicht oder will es nicht sehen, wie
der Junker von la Mancha nicht seyen wollte, daß die Gefangenen die Eisen
verdientermaßen trugen.

Freilich scheint in Prag neuerdings die Besorgnis aufgetaucht zu sem,
daß der Lärm des von Tscheche", Polen, Sloveneu und Ultramontanen arrangirten
Kesseltreibens jenseits der Grenze vernommen werden und einen schlechten Ein¬
druck machen könnte. Darum spricht Rieger den Deutschen stets gemütlich zu,
wie der He.hu dem Regenwurm: "Nur nicht ängstlich!" Und über die Grenze
hinüber beteuert das Organ der Statthalterci, ganz Böhmen schwärme für das
Bündnis mit Deutschland. Ein besondres Fernrohr muß man auf dem Hmd-
schin haben! Gewiß lassen die Herrn Tschechen. Alte und Junge, es sich gern
gefallen, wenn in preußischen Zeitungen der Verfassungspartei vorgehalten wird,
daß sie sich als regierungsunfähig erwiesen, die jetzige Politik erzwungen habe -
was leider wahr ist Aber deutsch bleibt deutsch, jenseits wie diesseits der
schwarzgelben Schranken, gegen alles Deutsche wird glühender Haß gehegt und
genährt und qeschürt, und noch nie haben die Prager Herren verheimlicht
wohin sich ihre Sympathie wenden würde, falls einmal Dentschland mit Rußland
oder Frankreich in Konflikt geraten sollte. Etwas andres wäre es. wenn sie
einmal die tschechische Bevölkerung in Ruhe lassen wollten. Zwischen den
Parlamentsrednern und deu Zeituugsschreibern auf der eiuen, und dem Mob,


(österreichische lOirren.

Aber unklugerweise bestritt man im Gemeinderat und im Landesschulrat der
Regierung das Recht, die Eröffnung der tschechischen Schule zu gestatten, und
stellte sich damit auf einen unhaltbaren Boden. Ja wenn dem Jammerinanne
Maaßen, welcher sich in seiner Eigenschaft als Rektor der Universität Wien be¬
fugt und verpflichtet fühlte, im Landtage eine Predigt über die Herrschsucht der
Deutschen zu halten, wenn diesem „wahrhaften Österreicher" aus Mecklenburg
wäre zu helfen gewesen, so würde die unglaubliche Taktlosigkeit einzelner Er¬
wiederungen das besorgt habe». Doch er war noch ungeschickter, und die kurze,
würdige Erklärung seiner Universitätskollegen, von welcher sich nur einige Slawen
und Vorsichtige ausgeschlossen hatten, gab ihm vollends den Rest. Wie gewöhn¬
lich, mutmaße man eigensüchtige Absichten in dem Auftreten Maaßens, wahr¬
scheinlich mit Unrecht. Seine Laufbahn, seine ultrakonservative publizistische
Thätigkeit gemeinschaftlich mit Flvrencourt in den Jahren 1848 ff., sein eben¬
falls mit jenem ausgeführter Übertritt zum Katholizismus, sein Anschluß an
die Altkatholiken zeigen ihn vielmehr als einen jener guten Menschen und schlechten
Politiker, welche immer bereit sind, die Donqnixotelcmze für ein angeblich unter¬
drücktes Recht einzulegen, ohne zu bedenken, ob sie nicht das gemeine Wesen
dadurch verletzen. Daß zwischen Deutschen und Tschechen Kricgszusmud be¬
steht, daß die Gegner Wind und Sonne für sich haben, daß sie nach alter Hus-
sitenart im Namen der Freiheit alles, was nicht zu ihrer Blntfahne schwört,
vernichten möchten (die Juugtschechen SM« MraM, die Alttschechcn stückweise und
unter versöhnlichem Zuspruch) — das sieht er nicht oder will es nicht sehen, wie
der Junker von la Mancha nicht seyen wollte, daß die Gefangenen die Eisen
verdientermaßen trugen.

Freilich scheint in Prag neuerdings die Besorgnis aufgetaucht zu sem,
daß der Lärm des von Tscheche», Polen, Sloveneu und Ultramontanen arrangirten
Kesseltreibens jenseits der Grenze vernommen werden und einen schlechten Ein¬
druck machen könnte. Darum spricht Rieger den Deutschen stets gemütlich zu,
wie der He.hu dem Regenwurm: „Nur nicht ängstlich!" Und über die Grenze
hinüber beteuert das Organ der Statthalterci, ganz Böhmen schwärme für das
Bündnis mit Deutschland. Ein besondres Fernrohr muß man auf dem Hmd-
schin haben! Gewiß lassen die Herrn Tschechen. Alte und Junge, es sich gern
gefallen, wenn in preußischen Zeitungen der Verfassungspartei vorgehalten wird,
daß sie sich als regierungsunfähig erwiesen, die jetzige Politik erzwungen habe -
was leider wahr ist Aber deutsch bleibt deutsch, jenseits wie diesseits der
schwarzgelben Schranken, gegen alles Deutsche wird glühender Haß gehegt und
genährt und qeschürt, und noch nie haben die Prager Herren verheimlicht
wohin sich ihre Sympathie wenden würde, falls einmal Dentschland mit Rußland
oder Frankreich in Konflikt geraten sollte. Etwas andres wäre es. wenn sie
einmal die tschechische Bevölkerung in Ruhe lassen wollten. Zwischen den
Parlamentsrednern und deu Zeituugsschreibern auf der eiuen, und dem Mob,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/333>, abgerufen am 08.09.2024.