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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Der Pariser Salon.

Deutschland weiß, besser als die Herren Jurymitglieder, den Schein vom Wesen
zu trennen, und wenn man in Deutschland französische Bilder kauft, so sind es
nur solche aus der Schule von Fontainebleau, welche heute bereits der Ver¬
gangenheit angehört. Rousseau, Troyon, Diaz, Dupre und Millet werden auch
in Deutschland nach ihren Verdiensten geschätzt, nur daß den deutschen Kunst¬
liebhabern nicht jene fabelhaften Summen zu Gebote stehen, mit welchen man
heute in Paris die Rousseaus und Mittels bezahlt. In französischen Bronzen
und Terracvtten geht das Geschäft mit Deutschland schon erheblich besser, ob¬
wohl der Absatz sich wieder verringert hat, seitdem die Bronzewaarcnindustrie
und neuerdings auch die Keramik, die erstere durch die Berliner, die letztere
durch die rheinischen Fabrikanten, einen sehr bemerkenswerten und achtbaren Auf¬
schwung genommen. Hinsichtlich der Modelle haben beide Industriezweige die
französischen bereits überflügelt. Die Franzosen verschwenden auch gar nicht
mehr Zeit und Mühe damit, ihre für das Ausland bestimmten Wanderaus¬
stellungen mit Rücksicht auf die Verkäuflichkeit der Kunstwerke zu arrangiren.
Da der Staat als der offizielle Unternehmer dieser Ausstellungen auftritt, fo
werden meist nur solche Werke auserwählt, die sich im Besitze des Staates be¬
finden. Der Staat geht aber, und zwar mit Recht, von der Ansicht aus, daß
er zunächst die Verpflichtung hat, die Kranäs xeiuwrs, die Malerei großen
Stils, zu fördern, und deshalb werden vom Staate vorzugsweise jene großen
Maschinen erworben, auf welchen junge Leute an biblischen, mythologischen und
historischen Stoffen zu zeigen suchen, was sie auf der Le^is ä"8 bsaux-arts
von den in der klassischen Tradition ergrauten und erstarrten Professoren ge¬
lernt haben. Der Staat hat von jeher diesen Grundsatz befolgt, und daher ist
es gekommen, daß jene großen Jünger der Natur, deren Werke jetzt mit den
höchsten Preisen bezahlt werden, garnicht oder unwürdig in den Staatsgalerien
vertreten sind. Was von ihren Werken im Louvre und im Luxembourg vor¬
handen ist, ist überdies meist durch Legate an den Staat gefallen.

Eine solche vom Staate zusammengesetzte Wanderausstellung giebt also
keinen richtigen Begriff von der französischen Kunst der Gegenwart. Will man
sich einen solchen machen, so darf man nicht versäumen, alljährlich den "Salon"
zu besuchen, der seit drei Jahren, seitdem die Künstler an Stelle des Staates
die Leitung desselben übernommen haben, in Wirklichkeit ein ganz unverfälschtes
Bild von den Leistungen der französischen Kunst giebt. Die Aufnahmejury
waltet ihres Amtes mit der erdenklichsten Milde, und obwohl sie in diesem
Jahre etwas weniger milde verfahren sein soll als im vorigen, ist dennoch die
außerordentliche Zahl von 4943 Kunstwerken in die Räume des Industrie-
Palastes hineingeflutet. Die Thatsache, daß während der dreijährigen Allein¬
herrschaft der Künstler jeder Salon hinter seinem Vorgänger zurückgeblieben ist,
wird dieser übergroßen Konnivenz zur Last gelegt. Wenn aber während dieses
Zeitraumes wirklich hervorragende Werke zur Reife gelangt sind, so würde ihnen


Der Pariser Salon.

Deutschland weiß, besser als die Herren Jurymitglieder, den Schein vom Wesen
zu trennen, und wenn man in Deutschland französische Bilder kauft, so sind es
nur solche aus der Schule von Fontainebleau, welche heute bereits der Ver¬
gangenheit angehört. Rousseau, Troyon, Diaz, Dupre und Millet werden auch
in Deutschland nach ihren Verdiensten geschätzt, nur daß den deutschen Kunst¬
liebhabern nicht jene fabelhaften Summen zu Gebote stehen, mit welchen man
heute in Paris die Rousseaus und Mittels bezahlt. In französischen Bronzen
und Terracvtten geht das Geschäft mit Deutschland schon erheblich besser, ob¬
wohl der Absatz sich wieder verringert hat, seitdem die Bronzewaarcnindustrie
und neuerdings auch die Keramik, die erstere durch die Berliner, die letztere
durch die rheinischen Fabrikanten, einen sehr bemerkenswerten und achtbaren Auf¬
schwung genommen. Hinsichtlich der Modelle haben beide Industriezweige die
französischen bereits überflügelt. Die Franzosen verschwenden auch gar nicht
mehr Zeit und Mühe damit, ihre für das Ausland bestimmten Wanderaus¬
stellungen mit Rücksicht auf die Verkäuflichkeit der Kunstwerke zu arrangiren.
Da der Staat als der offizielle Unternehmer dieser Ausstellungen auftritt, fo
werden meist nur solche Werke auserwählt, die sich im Besitze des Staates be¬
finden. Der Staat geht aber, und zwar mit Recht, von der Ansicht aus, daß
er zunächst die Verpflichtung hat, die Kranäs xeiuwrs, die Malerei großen
Stils, zu fördern, und deshalb werden vom Staate vorzugsweise jene großen
Maschinen erworben, auf welchen junge Leute an biblischen, mythologischen und
historischen Stoffen zu zeigen suchen, was sie auf der Le^is ä«8 bsaux-arts
von den in der klassischen Tradition ergrauten und erstarrten Professoren ge¬
lernt haben. Der Staat hat von jeher diesen Grundsatz befolgt, und daher ist
es gekommen, daß jene großen Jünger der Natur, deren Werke jetzt mit den
höchsten Preisen bezahlt werden, garnicht oder unwürdig in den Staatsgalerien
vertreten sind. Was von ihren Werken im Louvre und im Luxembourg vor¬
handen ist, ist überdies meist durch Legate an den Staat gefallen.

Eine solche vom Staate zusammengesetzte Wanderausstellung giebt also
keinen richtigen Begriff von der französischen Kunst der Gegenwart. Will man
sich einen solchen machen, so darf man nicht versäumen, alljährlich den „Salon"
zu besuchen, der seit drei Jahren, seitdem die Künstler an Stelle des Staates
die Leitung desselben übernommen haben, in Wirklichkeit ein ganz unverfälschtes
Bild von den Leistungen der französischen Kunst giebt. Die Aufnahmejury
waltet ihres Amtes mit der erdenklichsten Milde, und obwohl sie in diesem
Jahre etwas weniger milde verfahren sein soll als im vorigen, ist dennoch die
außerordentliche Zahl von 4943 Kunstwerken in die Räume des Industrie-
Palastes hineingeflutet. Die Thatsache, daß während der dreijährigen Allein¬
herrschaft der Künstler jeder Salon hinter seinem Vorgänger zurückgeblieben ist,
wird dieser übergroßen Konnivenz zur Last gelegt. Wenn aber während dieses
Zeitraumes wirklich hervorragende Werke zur Reife gelangt sind, so würde ihnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/200>, abgerufen am 08.09.2024.