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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Ver Pariser Salon.

doch die Masse der mittelmäßigen Arbeiten eine umso stärkere Folie verleihen
und sie müßten mit verdoppeltem Glänze aus der sie umgebenden Finsternis
hervorleuchten. Davon ist aber während der drei Jahre nichts zu bemerken ge¬
wesen. Man kann sich jetzt noch einmal in Amsterdam davon überzeugen, wo
die französische Kunstabteilung im wesentlichen aus den Elitewerken der Salons
von 1881 und 1832 zusammengestellt worden ist. Nicht also der Leitung der
Salons ist die ungünstige Physiognomie derselben zur Last zu legen, sondern
dieselbe entspringt aus dem allgemeinen Verfall, welchem die französische Kunst
seit dem Tode ihrer letzten Heroen entgegengeht. Baudry, Bonnae, Carolus
Duran, Baseler-Lepage, Laurens, Puvis de Chavaunes, Guillaume, Paul Dubois,
Cain, Barrias, die Helden der gegenwärtigen Generation, sind teils nicht be¬
deutend, teils nicht produktiv genug, um die Erinnerung an Delacroix, Gleyre,
Courbet, Daubigny, Millet, Rousseau, Barye, Carpecmx u. s. w. weniger schmerzlich
zu machen. Meissonnier läßt garnichts mehr von sich hören, und Detaille und
de Neuville, auf deren schönes Talent man große Hoffnungen gründete, haben
sich so ausschließlich dem lukrativen Geschäft der Panoramenmalerei gewidmet,
daß bei ihrer etwaigen Rückkehr zu den Staffeleibildern diese letztern schwerlich
von jene" etwas Profitiren werden.

Die Regierung würde demnach, wenn sie das Patronat des Salons be¬
halten hätte, nichts besseres zustande gebracht haben, als es den Künstlern ge¬
lungen ist. Sie wird übrigens selbst noch in diesem Jahre Gelegenheit haben,
die Probe auf das Exempel zu machen, da am 15. September der von ihr ins
Leben gerufene Elite-Salon, der Laton triöiuial, eröffnet wird, welcher eine
Auswahl der besten während der letzten drei Jahre entstandenen Kunstwerke ent¬
halten und in dreijährigen Zwischenräumen regelmäßig wiederkehren soll.

Während die Künstler sich über die Verleihung der Ehrenmedaille nicht
einigen konnten und diese höchste Auszeichnung des Salons in diesem Jahre
demnach umverteilt blieb, hat der Staat wie immer seiner Pflicht genügt und
Ankäufe für die öffentlichen Sammlungen gemacht, wobei er zumeist diejenigen
Künstler berücksichtigte, die eine Medaille erhalten hatten. Der Preis des Salons,
welcher ebenso wie die andern Reisestipendien von der Regierung verliehen wird,
fiel in diesem Jahre einem Schüler von Lefebvre und Boulanger, Georges
Rochegrosse zu, einem jungen Manne von vierundzwanzig Jahren, welcher
sich ganz innerhalb der Tradition hielt, indem er eine tragische Episode aus
der Eroberung Trojas zur Darstellung wählte. Das Beispiel Davids wirkt
trotz der Wandlungen, welche die französische Malerei seit seinem Tode durch¬
gemacht hat, noch heute so nachhaltig, daß es für die offizielle, d. h. die vom
Staat protegirte Malerei maßgebend geblieben ist. Sein pathetischer Vortrag,
seine Kompositionsmanier und seine Auffassung der Antike gelten noch heute
als mustergiltige Vorbilder, die zu erreichen das letzte Ziel der Zöglinge der
Kunstschule ist. Von den Romantikern hat diese akademische Historienmalerei


Grenzboten III. 1383. 25
Ver Pariser Salon.

doch die Masse der mittelmäßigen Arbeiten eine umso stärkere Folie verleihen
und sie müßten mit verdoppeltem Glänze aus der sie umgebenden Finsternis
hervorleuchten. Davon ist aber während der drei Jahre nichts zu bemerken ge¬
wesen. Man kann sich jetzt noch einmal in Amsterdam davon überzeugen, wo
die französische Kunstabteilung im wesentlichen aus den Elitewerken der Salons
von 1881 und 1832 zusammengestellt worden ist. Nicht also der Leitung der
Salons ist die ungünstige Physiognomie derselben zur Last zu legen, sondern
dieselbe entspringt aus dem allgemeinen Verfall, welchem die französische Kunst
seit dem Tode ihrer letzten Heroen entgegengeht. Baudry, Bonnae, Carolus
Duran, Baseler-Lepage, Laurens, Puvis de Chavaunes, Guillaume, Paul Dubois,
Cain, Barrias, die Helden der gegenwärtigen Generation, sind teils nicht be¬
deutend, teils nicht produktiv genug, um die Erinnerung an Delacroix, Gleyre,
Courbet, Daubigny, Millet, Rousseau, Barye, Carpecmx u. s. w. weniger schmerzlich
zu machen. Meissonnier läßt garnichts mehr von sich hören, und Detaille und
de Neuville, auf deren schönes Talent man große Hoffnungen gründete, haben
sich so ausschließlich dem lukrativen Geschäft der Panoramenmalerei gewidmet,
daß bei ihrer etwaigen Rückkehr zu den Staffeleibildern diese letztern schwerlich
von jene» etwas Profitiren werden.

Die Regierung würde demnach, wenn sie das Patronat des Salons be¬
halten hätte, nichts besseres zustande gebracht haben, als es den Künstlern ge¬
lungen ist. Sie wird übrigens selbst noch in diesem Jahre Gelegenheit haben,
die Probe auf das Exempel zu machen, da am 15. September der von ihr ins
Leben gerufene Elite-Salon, der Laton triöiuial, eröffnet wird, welcher eine
Auswahl der besten während der letzten drei Jahre entstandenen Kunstwerke ent¬
halten und in dreijährigen Zwischenräumen regelmäßig wiederkehren soll.

Während die Künstler sich über die Verleihung der Ehrenmedaille nicht
einigen konnten und diese höchste Auszeichnung des Salons in diesem Jahre
demnach umverteilt blieb, hat der Staat wie immer seiner Pflicht genügt und
Ankäufe für die öffentlichen Sammlungen gemacht, wobei er zumeist diejenigen
Künstler berücksichtigte, die eine Medaille erhalten hatten. Der Preis des Salons,
welcher ebenso wie die andern Reisestipendien von der Regierung verliehen wird,
fiel in diesem Jahre einem Schüler von Lefebvre und Boulanger, Georges
Rochegrosse zu, einem jungen Manne von vierundzwanzig Jahren, welcher
sich ganz innerhalb der Tradition hielt, indem er eine tragische Episode aus
der Eroberung Trojas zur Darstellung wählte. Das Beispiel Davids wirkt
trotz der Wandlungen, welche die französische Malerei seit seinem Tode durch¬
gemacht hat, noch heute so nachhaltig, daß es für die offizielle, d. h. die vom
Staat protegirte Malerei maßgebend geblieben ist. Sein pathetischer Vortrag,
seine Kompositionsmanier und seine Auffassung der Antike gelten noch heute
als mustergiltige Vorbilder, die zu erreichen das letzte Ziel der Zöglinge der
Kunstschule ist. Von den Romantikern hat diese akademische Historienmalerei


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[0201] Ver Pariser Salon. doch die Masse der mittelmäßigen Arbeiten eine umso stärkere Folie verleihen und sie müßten mit verdoppeltem Glänze aus der sie umgebenden Finsternis hervorleuchten. Davon ist aber während der drei Jahre nichts zu bemerken ge¬ wesen. Man kann sich jetzt noch einmal in Amsterdam davon überzeugen, wo die französische Kunstabteilung im wesentlichen aus den Elitewerken der Salons von 1881 und 1832 zusammengestellt worden ist. Nicht also der Leitung der Salons ist die ungünstige Physiognomie derselben zur Last zu legen, sondern dieselbe entspringt aus dem allgemeinen Verfall, welchem die französische Kunst seit dem Tode ihrer letzten Heroen entgegengeht. Baudry, Bonnae, Carolus Duran, Baseler-Lepage, Laurens, Puvis de Chavaunes, Guillaume, Paul Dubois, Cain, Barrias, die Helden der gegenwärtigen Generation, sind teils nicht be¬ deutend, teils nicht produktiv genug, um die Erinnerung an Delacroix, Gleyre, Courbet, Daubigny, Millet, Rousseau, Barye, Carpecmx u. s. w. weniger schmerzlich zu machen. Meissonnier läßt garnichts mehr von sich hören, und Detaille und de Neuville, auf deren schönes Talent man große Hoffnungen gründete, haben sich so ausschließlich dem lukrativen Geschäft der Panoramenmalerei gewidmet, daß bei ihrer etwaigen Rückkehr zu den Staffeleibildern diese letztern schwerlich von jene» etwas Profitiren werden. Die Regierung würde demnach, wenn sie das Patronat des Salons be¬ halten hätte, nichts besseres zustande gebracht haben, als es den Künstlern ge¬ lungen ist. Sie wird übrigens selbst noch in diesem Jahre Gelegenheit haben, die Probe auf das Exempel zu machen, da am 15. September der von ihr ins Leben gerufene Elite-Salon, der Laton triöiuial, eröffnet wird, welcher eine Auswahl der besten während der letzten drei Jahre entstandenen Kunstwerke ent¬ halten und in dreijährigen Zwischenräumen regelmäßig wiederkehren soll. Während die Künstler sich über die Verleihung der Ehrenmedaille nicht einigen konnten und diese höchste Auszeichnung des Salons in diesem Jahre demnach umverteilt blieb, hat der Staat wie immer seiner Pflicht genügt und Ankäufe für die öffentlichen Sammlungen gemacht, wobei er zumeist diejenigen Künstler berücksichtigte, die eine Medaille erhalten hatten. Der Preis des Salons, welcher ebenso wie die andern Reisestipendien von der Regierung verliehen wird, fiel in diesem Jahre einem Schüler von Lefebvre und Boulanger, Georges Rochegrosse zu, einem jungen Manne von vierundzwanzig Jahren, welcher sich ganz innerhalb der Tradition hielt, indem er eine tragische Episode aus der Eroberung Trojas zur Darstellung wählte. Das Beispiel Davids wirkt trotz der Wandlungen, welche die französische Malerei seit seinem Tode durch¬ gemacht hat, noch heute so nachhaltig, daß es für die offizielle, d. h. die vom Staat protegirte Malerei maßgebend geblieben ist. Sein pathetischer Vortrag, seine Kompositionsmanier und seine Auffassung der Antike gelten noch heute als mustergiltige Vorbilder, die zu erreichen das letzte Ziel der Zöglinge der Kunstschule ist. Von den Romantikern hat diese akademische Historienmalerei Grenzboten III. 1383. 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/201>, abgerufen am 08.09.2024.