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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Der Pariser Salon.

ein gewisses System gebracht worden. Auf allen Gebieten, wo geistige oder
physische Kräfte miteinander ringen, ist das Prestige der französischen Nation
während des letzten Jahrzehnts allmählich erloschen. Nur wo in irgend einem
Winkel der Welt die ersten Pfühle zur Absteckung eines Weltausstellungsplatzes
eingeschlagen werden, erscheinen die Kommissäre Frankreichs mit dem traditionellen
Großmachtsdünkel, suchen sich die besten Räume aus, pflanzen ihre Trikoloren
und ihre Tafeln mit dein imponirenden R, ? ans und verschließen sich monate¬
lang hinter ihren Pfählen und Leinwcmdbnden, bis alle Nationen längst mit
ihren Arrangements fertig geworden sind und die Absicht erreicht worden ist,
die Neugierde der übrigen tributpflichtigen Welt nach den Offenbarungen der
großen Nation auf das Höchste zu spannen.

Die Franzosen lassen sich diesen Sport Millionen und aber Millionen
kosten. Ob sie etwas damit erreichen, ist eine Frage, welche sich nicht so schlagend
beantworten läßt, wie z. B. diejenige nach der Einwirkung der neuen deutschen
Zollpolitik auf unsre heimische Industrie, wozu uns die diesjährigen Handels¬
kammerberichte ein reiches, authentisches Material geliefert haben. Wir sind
für Frankreich auf die Stimmen der wenigen Männer angewiesen, welche den
Mut haben., einem verblendeten Volke die Wahrheit zu sagen, auf die Klagen
der Großindustriellen, welche an ihren! leeren Kassen den Ausfall merken, der
ihnen durch die schnell, aber gesund emporblühende deutsche Industrie verursacht
worden ist. Über die einzelnen Industriezweige, welche wir den Franzosen aus
den Händen gewunden haben, dringt aus leicht begreiflichen Gründen nur wenig
an die Öffentlichkeit. Vorläufig wird es noch durch das Geschäftsinteresse der
einzelnen Fabrikanten, unter welchen besonders die rheinischen in Betracht kommen,
bedingt, über die sich stetig und sicher vollziehende Umwälzung zu Gunsten
Deutschlands Stillschweigen zu beobachten, weil sich noch vieles in den Stadien
der Entwicklung befindet. Es sei hier nur mit einem Worte auf die deutsche
Seidenwanreuindustrie hingewiesen, welche, der höchsten Ausbildung fähig, schon
jetzt eine achtunggebietende Stellung neben der französischen erobert hat. Es
ist ein offenes Geheimnis, daß ein großer Teil der sogenannten französischen
oder Lyoner Seidenstoffe, welche sich die deutschen Damen, verführt durch die
schwindelhafter Anpreisungen der Pariser Bazare, aus Paris kommen lassen,
in den rheinischen Spinnereien gefertigt und in Frankreich nur ans "schwer"
gefärbt werden.

Daß die Franzosen mit ihren wandernden Kunstausstellungen ein schlechtes
Geschäft machen, ist jedenfalls außer aller Frage. Die ersten Medaillen tragen
sie ja überall davon. Dafür sorgt schon der deutsche Servilismus, der sich
nirgends so schmachvoll geberdet wie unter den Juroren der Kunstausstellungen.
Aber die französischen Gemälde und Skulpturen finden in Deutschland ver¬
hältnismäßig wenig Abnehmer. Damit sah es selbst in den dreißiger und
vierziger Jahren günstiger aus als jetzt. Das kunstliebende Publikum in


Der Pariser Salon.

ein gewisses System gebracht worden. Auf allen Gebieten, wo geistige oder
physische Kräfte miteinander ringen, ist das Prestige der französischen Nation
während des letzten Jahrzehnts allmählich erloschen. Nur wo in irgend einem
Winkel der Welt die ersten Pfühle zur Absteckung eines Weltausstellungsplatzes
eingeschlagen werden, erscheinen die Kommissäre Frankreichs mit dem traditionellen
Großmachtsdünkel, suchen sich die besten Räume aus, pflanzen ihre Trikoloren
und ihre Tafeln mit dein imponirenden R, ? ans und verschließen sich monate¬
lang hinter ihren Pfählen und Leinwcmdbnden, bis alle Nationen längst mit
ihren Arrangements fertig geworden sind und die Absicht erreicht worden ist,
die Neugierde der übrigen tributpflichtigen Welt nach den Offenbarungen der
großen Nation auf das Höchste zu spannen.

Die Franzosen lassen sich diesen Sport Millionen und aber Millionen
kosten. Ob sie etwas damit erreichen, ist eine Frage, welche sich nicht so schlagend
beantworten läßt, wie z. B. diejenige nach der Einwirkung der neuen deutschen
Zollpolitik auf unsre heimische Industrie, wozu uns die diesjährigen Handels¬
kammerberichte ein reiches, authentisches Material geliefert haben. Wir sind
für Frankreich auf die Stimmen der wenigen Männer angewiesen, welche den
Mut haben., einem verblendeten Volke die Wahrheit zu sagen, auf die Klagen
der Großindustriellen, welche an ihren! leeren Kassen den Ausfall merken, der
ihnen durch die schnell, aber gesund emporblühende deutsche Industrie verursacht
worden ist. Über die einzelnen Industriezweige, welche wir den Franzosen aus
den Händen gewunden haben, dringt aus leicht begreiflichen Gründen nur wenig
an die Öffentlichkeit. Vorläufig wird es noch durch das Geschäftsinteresse der
einzelnen Fabrikanten, unter welchen besonders die rheinischen in Betracht kommen,
bedingt, über die sich stetig und sicher vollziehende Umwälzung zu Gunsten
Deutschlands Stillschweigen zu beobachten, weil sich noch vieles in den Stadien
der Entwicklung befindet. Es sei hier nur mit einem Worte auf die deutsche
Seidenwanreuindustrie hingewiesen, welche, der höchsten Ausbildung fähig, schon
jetzt eine achtunggebietende Stellung neben der französischen erobert hat. Es
ist ein offenes Geheimnis, daß ein großer Teil der sogenannten französischen
oder Lyoner Seidenstoffe, welche sich die deutschen Damen, verführt durch die
schwindelhafter Anpreisungen der Pariser Bazare, aus Paris kommen lassen,
in den rheinischen Spinnereien gefertigt und in Frankreich nur ans „schwer"
gefärbt werden.

Daß die Franzosen mit ihren wandernden Kunstausstellungen ein schlechtes
Geschäft machen, ist jedenfalls außer aller Frage. Die ersten Medaillen tragen
sie ja überall davon. Dafür sorgt schon der deutsche Servilismus, der sich
nirgends so schmachvoll geberdet wie unter den Juroren der Kunstausstellungen.
Aber die französischen Gemälde und Skulpturen finden in Deutschland ver¬
hältnismäßig wenig Abnehmer. Damit sah es selbst in den dreißiger und
vierziger Jahren günstiger aus als jetzt. Das kunstliebende Publikum in


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[0199] Der Pariser Salon. ein gewisses System gebracht worden. Auf allen Gebieten, wo geistige oder physische Kräfte miteinander ringen, ist das Prestige der französischen Nation während des letzten Jahrzehnts allmählich erloschen. Nur wo in irgend einem Winkel der Welt die ersten Pfühle zur Absteckung eines Weltausstellungsplatzes eingeschlagen werden, erscheinen die Kommissäre Frankreichs mit dem traditionellen Großmachtsdünkel, suchen sich die besten Räume aus, pflanzen ihre Trikoloren und ihre Tafeln mit dein imponirenden R, ? ans und verschließen sich monate¬ lang hinter ihren Pfählen und Leinwcmdbnden, bis alle Nationen längst mit ihren Arrangements fertig geworden sind und die Absicht erreicht worden ist, die Neugierde der übrigen tributpflichtigen Welt nach den Offenbarungen der großen Nation auf das Höchste zu spannen. Die Franzosen lassen sich diesen Sport Millionen und aber Millionen kosten. Ob sie etwas damit erreichen, ist eine Frage, welche sich nicht so schlagend beantworten läßt, wie z. B. diejenige nach der Einwirkung der neuen deutschen Zollpolitik auf unsre heimische Industrie, wozu uns die diesjährigen Handels¬ kammerberichte ein reiches, authentisches Material geliefert haben. Wir sind für Frankreich auf die Stimmen der wenigen Männer angewiesen, welche den Mut haben., einem verblendeten Volke die Wahrheit zu sagen, auf die Klagen der Großindustriellen, welche an ihren! leeren Kassen den Ausfall merken, der ihnen durch die schnell, aber gesund emporblühende deutsche Industrie verursacht worden ist. Über die einzelnen Industriezweige, welche wir den Franzosen aus den Händen gewunden haben, dringt aus leicht begreiflichen Gründen nur wenig an die Öffentlichkeit. Vorläufig wird es noch durch das Geschäftsinteresse der einzelnen Fabrikanten, unter welchen besonders die rheinischen in Betracht kommen, bedingt, über die sich stetig und sicher vollziehende Umwälzung zu Gunsten Deutschlands Stillschweigen zu beobachten, weil sich noch vieles in den Stadien der Entwicklung befindet. Es sei hier nur mit einem Worte auf die deutsche Seidenwanreuindustrie hingewiesen, welche, der höchsten Ausbildung fähig, schon jetzt eine achtunggebietende Stellung neben der französischen erobert hat. Es ist ein offenes Geheimnis, daß ein großer Teil der sogenannten französischen oder Lyoner Seidenstoffe, welche sich die deutschen Damen, verführt durch die schwindelhafter Anpreisungen der Pariser Bazare, aus Paris kommen lassen, in den rheinischen Spinnereien gefertigt und in Frankreich nur ans „schwer" gefärbt werden. Daß die Franzosen mit ihren wandernden Kunstausstellungen ein schlechtes Geschäft machen, ist jedenfalls außer aller Frage. Die ersten Medaillen tragen sie ja überall davon. Dafür sorgt schon der deutsche Servilismus, der sich nirgends so schmachvoll geberdet wie unter den Juroren der Kunstausstellungen. Aber die französischen Gemälde und Skulpturen finden in Deutschland ver¬ hältnismäßig wenig Abnehmer. Damit sah es selbst in den dreißiger und vierziger Jahren günstiger aus als jetzt. Das kunstliebende Publikum in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/199>, abgerufen am 08.09.2024.