Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.Zur Politik Friedrich Wilhelms IV. von Preußen. wartete und mit Vorbedacht die Revolution auch ihre materiellen Konsequenzen Wie natürlich, nehmen die kirchlichen Bestrebungen des Königs einen großen Ein englischer Schriftsteller faßt das Urteil über Friedrich Wilhelm IV. Zur Politik Friedrich Wilhelms IV. von Preußen. wartete und mit Vorbedacht die Revolution auch ihre materiellen Konsequenzen Wie natürlich, nehmen die kirchlichen Bestrebungen des Königs einen großen Ein englischer Schriftsteller faßt das Urteil über Friedrich Wilhelm IV. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0191" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153638"/> <fw type="header" place="top"> Zur Politik Friedrich Wilhelms IV. von Preußen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_805" prev="#ID_804"> wartete und mit Vorbedacht die Revolution auch ihre materiellen Konsequenzen<lb/> ziehen ließ, „weil er wußte, daß die große träge Masse, welche sich so gern die<lb/> «Konservativen» nennt, auf diesem Gebiete am gefühlvollsten ist und daß selbige<lb/> an dieser Wunden Stelle berührt werden müsse, um sie zu einem thätigen Wider¬<lb/> stande gegen die Revolution aufzustacheln." Andrerseits aber blieb der König<lb/> allen Anfechtungen gegenüber, die ihn zu eiuer Zurücknahme der Verfassung<lb/> anzustacheln suchten, fest; der Verfasser betont mehrmals, daß diese Anstache-<lb/> lung nicht von der vielverleumdeten pietistischen Umgebung des Königs aus¬<lb/> gegangen sei, diese vielmehr in dieser Hinsicht tren zum Könige gehalten habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_806"> Wie natürlich, nehmen die kirchlichen Bestrebungen des Königs einen großen<lb/> Raum ein; wie tiefe Studien derselbe gerade über die schwierigsten Fragen der<lb/> Heilslehre gemacht hat, ergiebt der als Anhang beigefügte Briefwechsel des Königs<lb/> mit dem Bischof Gobat von Jerusalem. Den Schluß des interessanten Buches<lb/> bildet die Leidensgeschichte des Königs in seiner schweren Krankheit.</p><lb/> <p xml:id="ID_807"> Ein englischer Schriftsteller faßt das Urteil über Friedrich Wilhelm IV.<lb/> dahin zusammen: „Ein Mann von Genie und Bildung und, was selten ist, von<lb/> Lauterkeit des Charakters und wahrer Frömmigkeit, ein Mann von edlem, reinem<lb/> und durchsichtigem Wesen, fähig der Freundschaft, der Sympathie und der Herab¬<lb/> lassung und doch zugleich sich seiner Stellung so vollkommen bewußt, daß er<lb/> alle Zudringlichkeit von sich fern hielt; dabei war er von scharfem Unterscheidungs¬<lb/> vermögen, aber veränderlich und — vielleicht bis zum Fehlerhafter — eifrig,<lb/> doch mit einigen treuen Ratgebern und einer klugen und frommen Gemahlin<lb/> gesegnet." Dieses Urteil sucht der Verfasser durch seine Schrift überall zu be¬<lb/> stätigen, aber er weiß von Fehlern und Mängeln nichts zu berichten, und eben<lb/> deshalb wird man in dem Buche keine vollkommene Quelle jeuer eigentümlichen<lb/> Zeit, in der sich Preußens Geschicke trotz aller Widerwärtigkeiten so wunderbar<lb/> entfaltet haben, sehen können. Wenn wir auch nicht verkennen, daß ein großer<lb/> Teil der Thätigkeit Friedrich Wilhelms IV. mittelbar höchst bedeutende Folgen<lb/> für seinen Staat und das ganze Reich gehabt hat, so ist es doch ganz unrichtig,<lb/> wenn der Verfasser, „natürlich unbeschadet der sonstigen großen Verschiedenheit<lb/> der betreffenden Persönlichkeiten, die Thätigkeit des Königs in Bezug auf seinen<lb/> kaiserlichen Nachfolger in mannichfachen Beziehungen in Parallele stellt mit der<lb/> Arbeit Friedrich Wilhelms I. für seinen großen Sohn."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0191]
Zur Politik Friedrich Wilhelms IV. von Preußen.
wartete und mit Vorbedacht die Revolution auch ihre materiellen Konsequenzen
ziehen ließ, „weil er wußte, daß die große träge Masse, welche sich so gern die
«Konservativen» nennt, auf diesem Gebiete am gefühlvollsten ist und daß selbige
an dieser Wunden Stelle berührt werden müsse, um sie zu einem thätigen Wider¬
stande gegen die Revolution aufzustacheln." Andrerseits aber blieb der König
allen Anfechtungen gegenüber, die ihn zu eiuer Zurücknahme der Verfassung
anzustacheln suchten, fest; der Verfasser betont mehrmals, daß diese Anstache-
lung nicht von der vielverleumdeten pietistischen Umgebung des Königs aus¬
gegangen sei, diese vielmehr in dieser Hinsicht tren zum Könige gehalten habe.
Wie natürlich, nehmen die kirchlichen Bestrebungen des Königs einen großen
Raum ein; wie tiefe Studien derselbe gerade über die schwierigsten Fragen der
Heilslehre gemacht hat, ergiebt der als Anhang beigefügte Briefwechsel des Königs
mit dem Bischof Gobat von Jerusalem. Den Schluß des interessanten Buches
bildet die Leidensgeschichte des Königs in seiner schweren Krankheit.
Ein englischer Schriftsteller faßt das Urteil über Friedrich Wilhelm IV.
dahin zusammen: „Ein Mann von Genie und Bildung und, was selten ist, von
Lauterkeit des Charakters und wahrer Frömmigkeit, ein Mann von edlem, reinem
und durchsichtigem Wesen, fähig der Freundschaft, der Sympathie und der Herab¬
lassung und doch zugleich sich seiner Stellung so vollkommen bewußt, daß er
alle Zudringlichkeit von sich fern hielt; dabei war er von scharfem Unterscheidungs¬
vermögen, aber veränderlich und — vielleicht bis zum Fehlerhafter — eifrig,
doch mit einigen treuen Ratgebern und einer klugen und frommen Gemahlin
gesegnet." Dieses Urteil sucht der Verfasser durch seine Schrift überall zu be¬
stätigen, aber er weiß von Fehlern und Mängeln nichts zu berichten, und eben
deshalb wird man in dem Buche keine vollkommene Quelle jeuer eigentümlichen
Zeit, in der sich Preußens Geschicke trotz aller Widerwärtigkeiten so wunderbar
entfaltet haben, sehen können. Wenn wir auch nicht verkennen, daß ein großer
Teil der Thätigkeit Friedrich Wilhelms IV. mittelbar höchst bedeutende Folgen
für seinen Staat und das ganze Reich gehabt hat, so ist es doch ganz unrichtig,
wenn der Verfasser, „natürlich unbeschadet der sonstigen großen Verschiedenheit
der betreffenden Persönlichkeiten, die Thätigkeit des Königs in Bezug auf seinen
kaiserlichen Nachfolger in mannichfachen Beziehungen in Parallele stellt mit der
Arbeit Friedrich Wilhelms I. für seinen großen Sohn."
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