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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Jllustrirte Prachtwerke des 1^5. und Jahrhunderts.

Konrad Dinkmuth, bei welchem 1486 Thomas Lirers Schwäbische Chronik
erschien. Der unbekannte Meister der darin enthaltenen Bilder hat es verstanden,
der Landschaft zum ersten male künstlerische Bedeutung zu verleihen.

Mit der Lirerschen Chronik vielfach verwandt ist ein Prachtwerk, welches
in demselben Jahre (1486) in Mainz entstand: Breidenbachs Reise nach dem
heiligen Grabe. Es waren besonders günstige Umstände, welche dasselbe ins
Leben riefe". Bernhard von Breitenbach, ans dem altadelichen Geschlechte der
Breitenbach-Büresheim, im Jahre 1450 Domherr von Mainz und später noch
zu vielen andern hohen Würden emporgestiegen, hatte in seinen jüngern Jahren
lustig gelebt. Spätere Jahre hatten ihn zu dem Entschlüsse gebracht, durch eine
Wallfahrt in das Land der Erlösung sich mit Gott auszusöhnen. Am Se. Markus¬
tag -- 25 April -- 1483 trat er von Oppenheim in Gesellschaft eines Grafen
Johann von Solms und eines Ritters Philipp von Bieler die Reise an. Es
begleitete ihn als Maler, um die Merkwürdigkeiten des fremden Landes an
Ort und Stelle aufnehmen zu können, der in Utrecht geborne, in Mainz lebende
Erhard Reuwich. Über Venedig, Korfu, Rhodos, Cypern fuhren die Pilger
ins heilige Land, besichtigten Jerusalem und seine Umgebung und hatten auch
für die Völker, welche damals das heilige Land bewohnten, ein offenes Auge.
Von allen Städten und Gebäuden, welche sie sahen, fertigte Reuwich große
Prospekte. Im Jahre 1484 kamen sie nach Mainz zurück. Breitenbach begann
seine Reisebeschreibung, und Reuwich fügte seinen auf der Reise gemachten
Zeichnungen noch ein herrliches von Laubwerk umgebenes Titelblatt hinzu. Im
Jahre 1486 vollendete Rcuwich, der sich binnen kurzem aus einem vortrefflichen
Maler in einen ebenso geschickten Buchdrucker verwandelte, den Druck der
Reisebeschreibung und den Schnitt der Zeichnungen. Das Ganze erschien bei
ihm zuerst lateinisch als Oxusouluin sg-notg-rum pergArinki-tionum g.et vMöranäuiu
OnriLti LSMlvKrura und dann noch in demselben Jahre deutsch uuter dem
Titel "Die heyligeu reysen geu Jherusalem." Die Holzschnitte des Buches
haben schon früh die Aufmerksamkeit der Kunstkenner auf sich gelenkt, von
denen einer sie "Ccmalettos Pinsel würdig" erklärte, und sind in der That die vor¬
züglichsten Illustrationen, deren Deutschland in dieser Zeit sich rühmen kann.
Die Ansichten der Städte -- nebenbei die ersten auf Autopsie beruhenden topo¬
graphischen Darstellungen -- und die Bilder aus dem Miterleben des Orients
atmen eine Wahrheit und Naturtreue, wie sie in späterer Zeit nur von wenigen
Reisebeschreibern wieder erreicht wurde.

Einige Jahre später wurden die Blicke der Zeitgenossen von Augsburg,
Ulm, Köln und Mainz hinweg auf Nürnberg gelenkt, wo damals Anton
Koburger eine reiche Wirksamkeit entfaltete und zu seinen buchhändlerischen
Unternehmungen die Nürnberger Maler Michel Wohlgemuth und Wilhelm
Pleydenwurff heranzog. Das erste im Koburgerschen Verlag erschienene Werk,
dessen Illustration von Wohlgemuth geleitet wurde, ist der 1491 gedruckte


Jllustrirte Prachtwerke des 1^5. und Jahrhunderts.

Konrad Dinkmuth, bei welchem 1486 Thomas Lirers Schwäbische Chronik
erschien. Der unbekannte Meister der darin enthaltenen Bilder hat es verstanden,
der Landschaft zum ersten male künstlerische Bedeutung zu verleihen.

Mit der Lirerschen Chronik vielfach verwandt ist ein Prachtwerk, welches
in demselben Jahre (1486) in Mainz entstand: Breidenbachs Reise nach dem
heiligen Grabe. Es waren besonders günstige Umstände, welche dasselbe ins
Leben riefe». Bernhard von Breitenbach, ans dem altadelichen Geschlechte der
Breitenbach-Büresheim, im Jahre 1450 Domherr von Mainz und später noch
zu vielen andern hohen Würden emporgestiegen, hatte in seinen jüngern Jahren
lustig gelebt. Spätere Jahre hatten ihn zu dem Entschlüsse gebracht, durch eine
Wallfahrt in das Land der Erlösung sich mit Gott auszusöhnen. Am Se. Markus¬
tag — 25 April — 1483 trat er von Oppenheim in Gesellschaft eines Grafen
Johann von Solms und eines Ritters Philipp von Bieler die Reise an. Es
begleitete ihn als Maler, um die Merkwürdigkeiten des fremden Landes an
Ort und Stelle aufnehmen zu können, der in Utrecht geborne, in Mainz lebende
Erhard Reuwich. Über Venedig, Korfu, Rhodos, Cypern fuhren die Pilger
ins heilige Land, besichtigten Jerusalem und seine Umgebung und hatten auch
für die Völker, welche damals das heilige Land bewohnten, ein offenes Auge.
Von allen Städten und Gebäuden, welche sie sahen, fertigte Reuwich große
Prospekte. Im Jahre 1484 kamen sie nach Mainz zurück. Breitenbach begann
seine Reisebeschreibung, und Reuwich fügte seinen auf der Reise gemachten
Zeichnungen noch ein herrliches von Laubwerk umgebenes Titelblatt hinzu. Im
Jahre 1486 vollendete Rcuwich, der sich binnen kurzem aus einem vortrefflichen
Maler in einen ebenso geschickten Buchdrucker verwandelte, den Druck der
Reisebeschreibung und den Schnitt der Zeichnungen. Das Ganze erschien bei
ihm zuerst lateinisch als Oxusouluin sg-notg-rum pergArinki-tionum g.et vMöranäuiu
OnriLti LSMlvKrura und dann noch in demselben Jahre deutsch uuter dem
Titel „Die heyligeu reysen geu Jherusalem." Die Holzschnitte des Buches
haben schon früh die Aufmerksamkeit der Kunstkenner auf sich gelenkt, von
denen einer sie „Ccmalettos Pinsel würdig" erklärte, und sind in der That die vor¬
züglichsten Illustrationen, deren Deutschland in dieser Zeit sich rühmen kann.
Die Ansichten der Städte — nebenbei die ersten auf Autopsie beruhenden topo¬
graphischen Darstellungen — und die Bilder aus dem Miterleben des Orients
atmen eine Wahrheit und Naturtreue, wie sie in späterer Zeit nur von wenigen
Reisebeschreibern wieder erreicht wurde.

Einige Jahre später wurden die Blicke der Zeitgenossen von Augsburg,
Ulm, Köln und Mainz hinweg auf Nürnberg gelenkt, wo damals Anton
Koburger eine reiche Wirksamkeit entfaltete und zu seinen buchhändlerischen
Unternehmungen die Nürnberger Maler Michel Wohlgemuth und Wilhelm
Pleydenwurff heranzog. Das erste im Koburgerschen Verlag erschienene Werk,
dessen Illustration von Wohlgemuth geleitet wurde, ist der 1491 gedruckte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/143>, abgerufen am 08.09.2024.