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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Jllustrirte Prachtwerke des 1^5. und 1^6. Jahrhunderts.

man die unerhörtesten Anforderungen an den Leser stellte. Ein wenige Zenti¬
meter hohes Bildchen mit ein paar Thürmen wird auf der einen Seite als
Rom, auf der andern als Trier, auf der dritten als Athen, auf der vierte"
als Köln oder Jerusalem vorgeführt. Zu viel größerer Bedeutung kam das
Jllustrcitionswesen in Köln durch den Drucker Heinrich Quentcl, den Gründer
der Quentelschen Offizin, die an anderthalbhundert Jahre den segenvollsten Ein¬
fluß auf das wissenschaftliche Streben am Niederrhein ausübte. Bei ihm er¬
schien um 1480 die Kölnische Bibel, eins der bedeutendsten Prachtwerke des
15. Jahrhunderts, dessen Wert erst dann klar hervortritt, wenn man es mit
der Augsburger Bibel vergleicht. Die Holzschnitte der letztern waren wenige
Zentimenter hoch, ganz in Spielkartenmanier gehalten, und beschränkten sich auf
rohe Wiedergabe der Umrißlinien, die einzelnen Holzstöcke wurden in der lang¬
weiligsten Weise wiederholt, eine streng sachliche Illustration war garnicht an¬
gestrebt. Hier zum erstenmal wird die Bibel mit großen mehrfignrigen Holz¬
schnitten illustrirt, keiner wird wiederholt, eine Fülle neuer Motive tritt uns
entgegen. Über den Meister, der seine Arbeiten als Nachahmungen der Tafel¬
bilder bezeichnet, "wie sie von alters her in Kirchen und Klöstern gemalt
stehen," hat man die verschiedensten Vermutungen aufgestellt, ohne jedoch zu
einem sichern Resultate zu kommen.*)

Eine großartige Entwicklung im Illustrationswesen begann seit dem Jahre
1480. In Augsburg, das in den siebziger Jahren alle andern Städte an Frucht¬
barkeit übertroffen hatte, wirkte damals der Buchdrucker Anton Sorg, der in
Ulrich von Reichenthals 1483 erschienener "Beschreibung des Konzils von Kose-
mitz" ein sowohl historisch wie künstlerisch merkwürdiges Produkt lieferte. Ihm '
schlössen sich Hans Schönsverger an und Erhard Natdolt, der in den Jahren
1475 bis 1485 in Venedig gelebt hatte und besonders deshalb merkwürdig ist,
weil er italienischen Jnitialenschmuck nach Deutschland brachte. Auch bei der
Anfertigung der figürlichen Darstellungen hat er sich der besten Kräfte bedient
und namentlich in der künstlerischen Ausschmückung voi? Misfallen und Bre-
viarien, die er teils für die Augsburger Diözese, teils für auswärtige Bistümer
druckte, großes geleistet.

Wie Augsburg, so wußte auch Ulm in den folgenden Jahren seine Stellung
zu behaupten. Den beiden ersten Prachtwerksdruckern, Ludwig Hohenwang und
Johannes Zainer, trat ums Jahr 1482 Leonhard Holl zur Seite, der die
Kosmographie des Ptolemäus, das erste Buch mit großen, in Holz geschnittenen
Landkarten druckte. Zu uoch größerer Bedeutung kam aber das Ulmer Illu-
strationswesen durch die Thätigkeit des zweiten, seit 1432 thätigen Druckers



*) Des Nähern werde ich darüber in meiner demnächst im Verlage von Georg Hirth in
München erscheinenden "Geschichte der deutschen Buchillustration im Zeitalter der Gothik
und der Frührenaissance" handeln.
Jllustrirte Prachtwerke des 1^5. und 1^6. Jahrhunderts.

man die unerhörtesten Anforderungen an den Leser stellte. Ein wenige Zenti¬
meter hohes Bildchen mit ein paar Thürmen wird auf der einen Seite als
Rom, auf der andern als Trier, auf der dritten als Athen, auf der vierte»
als Köln oder Jerusalem vorgeführt. Zu viel größerer Bedeutung kam das
Jllustrcitionswesen in Köln durch den Drucker Heinrich Quentcl, den Gründer
der Quentelschen Offizin, die an anderthalbhundert Jahre den segenvollsten Ein¬
fluß auf das wissenschaftliche Streben am Niederrhein ausübte. Bei ihm er¬
schien um 1480 die Kölnische Bibel, eins der bedeutendsten Prachtwerke des
15. Jahrhunderts, dessen Wert erst dann klar hervortritt, wenn man es mit
der Augsburger Bibel vergleicht. Die Holzschnitte der letztern waren wenige
Zentimenter hoch, ganz in Spielkartenmanier gehalten, und beschränkten sich auf
rohe Wiedergabe der Umrißlinien, die einzelnen Holzstöcke wurden in der lang¬
weiligsten Weise wiederholt, eine streng sachliche Illustration war garnicht an¬
gestrebt. Hier zum erstenmal wird die Bibel mit großen mehrfignrigen Holz¬
schnitten illustrirt, keiner wird wiederholt, eine Fülle neuer Motive tritt uns
entgegen. Über den Meister, der seine Arbeiten als Nachahmungen der Tafel¬
bilder bezeichnet, „wie sie von alters her in Kirchen und Klöstern gemalt
stehen," hat man die verschiedensten Vermutungen aufgestellt, ohne jedoch zu
einem sichern Resultate zu kommen.*)

Eine großartige Entwicklung im Illustrationswesen begann seit dem Jahre
1480. In Augsburg, das in den siebziger Jahren alle andern Städte an Frucht¬
barkeit übertroffen hatte, wirkte damals der Buchdrucker Anton Sorg, der in
Ulrich von Reichenthals 1483 erschienener „Beschreibung des Konzils von Kose-
mitz" ein sowohl historisch wie künstlerisch merkwürdiges Produkt lieferte. Ihm '
schlössen sich Hans Schönsverger an und Erhard Natdolt, der in den Jahren
1475 bis 1485 in Venedig gelebt hatte und besonders deshalb merkwürdig ist,
weil er italienischen Jnitialenschmuck nach Deutschland brachte. Auch bei der
Anfertigung der figürlichen Darstellungen hat er sich der besten Kräfte bedient
und namentlich in der künstlerischen Ausschmückung voi? Misfallen und Bre-
viarien, die er teils für die Augsburger Diözese, teils für auswärtige Bistümer
druckte, großes geleistet.

Wie Augsburg, so wußte auch Ulm in den folgenden Jahren seine Stellung
zu behaupten. Den beiden ersten Prachtwerksdruckern, Ludwig Hohenwang und
Johannes Zainer, trat ums Jahr 1482 Leonhard Holl zur Seite, der die
Kosmographie des Ptolemäus, das erste Buch mit großen, in Holz geschnittenen
Landkarten druckte. Zu uoch größerer Bedeutung kam aber das Ulmer Illu-
strationswesen durch die Thätigkeit des zweiten, seit 1432 thätigen Druckers



*) Des Nähern werde ich darüber in meiner demnächst im Verlage von Georg Hirth in
München erscheinenden „Geschichte der deutschen Buchillustration im Zeitalter der Gothik
und der Frührenaissance" handeln.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/142>, abgerufen am 08.09.2024.