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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Gemischte (Lhen.

le' Frage über die Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen ist
neuerdings infolge von Anordnungen katholischer Bischöfe und des
Erlasses des evangelischen Oberkirchenrates zu Berlin in den wei¬
testen Kreisen lebhaft erwogen und besprochen worden. Es wird
deshalb nur natürlich erscheinen, wenn auch die grünen Blätter
zu dieser für viele Familien so wichtigen und bedeutungsvollen Frage Stellung
nehmen und ihr Votum abgeben.

Unser Volk ist nun einmal durch Gottes Fügung ein konfessionell ge¬
mischtes, und wenn auch die Majorität für die Reformation und die protestan¬
tische Kirche gewonnen ist und ihr zugehört, so ist doch eine sehr respektable
Minorität vorhanden, welche mit Treue und Zähigkeit der römisch-katholischen
Kirche anhängt und diese ihre Anhänglichkeit und ihren festgeschlossenen Zu¬
sammenhalt in den letzten zehn Jahren zur Evidenz bekundet hat.

Da nun in weiten Strichen unsers Vaterlandes die beiden christlichen Kon¬
fessionen in- und miteinander zu wohnen und zu leben den Beruf haben, so ist
es unvermeidlich, daß die Konfessionen auch in Haus, Familie, Ehe, Verwandt¬
schaft in engsten Kontakt treten. Mögen die Leiter und Hirten beider Kirchen
es sich noch so sehr angelegen sein lassen, die kirchlichen und konfessionellen
Grenzen scharf zu ziehen, mögen sie noch so lebhaft und dringlich vor Ein¬
gehung gemischter Ehen warnen und davon abmahnen, wir haben uns längst
darauf eingerichtet und werden es auch in Zukunft thun müssen, daß in vielen
Ehen und Familien die protestantische und die katholische Kirche in die engste
und innigste Berührung treten. Das wird auch nach den jüngsten Zeiten der
Spannung, des Kampfes und des Widerstreits der Gegensätze (Kulturkampf und
seine Konsequenzen) so bleiben, und keine Macht der Welt, auch die im Kampfe
so wohlbewährte, straffe und der Disziplin sonst wahrlich nicht ermangelnde der
römischen Kurie nicht, wird es zu verhindern in der Lage sein, daß evangelische
Männer und katholische Frauen, katholische Jungfrauen und protestantische Jüng¬
linge sich die Hand zur Schließung einer Ehe, zur Begründung eines Haus¬
standes reichen. Mit diesen Faktoren wird, wie bisher, so auch weiterhin zu
rechnen sein.

Aus diesen Prämissen erhebt sich aber die weitere Frage, die uns hier
vorzugsweise beschäftigen soll und die so viele Gemüter und Herzen seit Jahr¬
zehnten in Spannung versetzt und wider einander erregt hat: Wie soll es mit
der religiös-kirchlichen Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen gehalten
werden? Welcher Konfession sollen die Sprößlinge, Söhne und Töchter, aus


Gemischte (Lhen.

le' Frage über die Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen ist
neuerdings infolge von Anordnungen katholischer Bischöfe und des
Erlasses des evangelischen Oberkirchenrates zu Berlin in den wei¬
testen Kreisen lebhaft erwogen und besprochen worden. Es wird
deshalb nur natürlich erscheinen, wenn auch die grünen Blätter
zu dieser für viele Familien so wichtigen und bedeutungsvollen Frage Stellung
nehmen und ihr Votum abgeben.

Unser Volk ist nun einmal durch Gottes Fügung ein konfessionell ge¬
mischtes, und wenn auch die Majorität für die Reformation und die protestan¬
tische Kirche gewonnen ist und ihr zugehört, so ist doch eine sehr respektable
Minorität vorhanden, welche mit Treue und Zähigkeit der römisch-katholischen
Kirche anhängt und diese ihre Anhänglichkeit und ihren festgeschlossenen Zu¬
sammenhalt in den letzten zehn Jahren zur Evidenz bekundet hat.

Da nun in weiten Strichen unsers Vaterlandes die beiden christlichen Kon¬
fessionen in- und miteinander zu wohnen und zu leben den Beruf haben, so ist
es unvermeidlich, daß die Konfessionen auch in Haus, Familie, Ehe, Verwandt¬
schaft in engsten Kontakt treten. Mögen die Leiter und Hirten beider Kirchen
es sich noch so sehr angelegen sein lassen, die kirchlichen und konfessionellen
Grenzen scharf zu ziehen, mögen sie noch so lebhaft und dringlich vor Ein¬
gehung gemischter Ehen warnen und davon abmahnen, wir haben uns längst
darauf eingerichtet und werden es auch in Zukunft thun müssen, daß in vielen
Ehen und Familien die protestantische und die katholische Kirche in die engste
und innigste Berührung treten. Das wird auch nach den jüngsten Zeiten der
Spannung, des Kampfes und des Widerstreits der Gegensätze (Kulturkampf und
seine Konsequenzen) so bleiben, und keine Macht der Welt, auch die im Kampfe
so wohlbewährte, straffe und der Disziplin sonst wahrlich nicht ermangelnde der
römischen Kurie nicht, wird es zu verhindern in der Lage sein, daß evangelische
Männer und katholische Frauen, katholische Jungfrauen und protestantische Jüng¬
linge sich die Hand zur Schließung einer Ehe, zur Begründung eines Haus¬
standes reichen. Mit diesen Faktoren wird, wie bisher, so auch weiterhin zu
rechnen sein.

Aus diesen Prämissen erhebt sich aber die weitere Frage, die uns hier
vorzugsweise beschäftigen soll und die so viele Gemüter und Herzen seit Jahr¬
zehnten in Spannung versetzt und wider einander erregt hat: Wie soll es mit
der religiös-kirchlichen Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen gehalten
werden? Welcher Konfession sollen die Sprößlinge, Söhne und Töchter, aus


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[0131] Gemischte (Lhen. le' Frage über die Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen ist neuerdings infolge von Anordnungen katholischer Bischöfe und des Erlasses des evangelischen Oberkirchenrates zu Berlin in den wei¬ testen Kreisen lebhaft erwogen und besprochen worden. Es wird deshalb nur natürlich erscheinen, wenn auch die grünen Blätter zu dieser für viele Familien so wichtigen und bedeutungsvollen Frage Stellung nehmen und ihr Votum abgeben. Unser Volk ist nun einmal durch Gottes Fügung ein konfessionell ge¬ mischtes, und wenn auch die Majorität für die Reformation und die protestan¬ tische Kirche gewonnen ist und ihr zugehört, so ist doch eine sehr respektable Minorität vorhanden, welche mit Treue und Zähigkeit der römisch-katholischen Kirche anhängt und diese ihre Anhänglichkeit und ihren festgeschlossenen Zu¬ sammenhalt in den letzten zehn Jahren zur Evidenz bekundet hat. Da nun in weiten Strichen unsers Vaterlandes die beiden christlichen Kon¬ fessionen in- und miteinander zu wohnen und zu leben den Beruf haben, so ist es unvermeidlich, daß die Konfessionen auch in Haus, Familie, Ehe, Verwandt¬ schaft in engsten Kontakt treten. Mögen die Leiter und Hirten beider Kirchen es sich noch so sehr angelegen sein lassen, die kirchlichen und konfessionellen Grenzen scharf zu ziehen, mögen sie noch so lebhaft und dringlich vor Ein¬ gehung gemischter Ehen warnen und davon abmahnen, wir haben uns längst darauf eingerichtet und werden es auch in Zukunft thun müssen, daß in vielen Ehen und Familien die protestantische und die katholische Kirche in die engste und innigste Berührung treten. Das wird auch nach den jüngsten Zeiten der Spannung, des Kampfes und des Widerstreits der Gegensätze (Kulturkampf und seine Konsequenzen) so bleiben, und keine Macht der Welt, auch die im Kampfe so wohlbewährte, straffe und der Disziplin sonst wahrlich nicht ermangelnde der römischen Kurie nicht, wird es zu verhindern in der Lage sein, daß evangelische Männer und katholische Frauen, katholische Jungfrauen und protestantische Jüng¬ linge sich die Hand zur Schließung einer Ehe, zur Begründung eines Haus¬ standes reichen. Mit diesen Faktoren wird, wie bisher, so auch weiterhin zu rechnen sein. Aus diesen Prämissen erhebt sich aber die weitere Frage, die uns hier vorzugsweise beschäftigen soll und die so viele Gemüter und Herzen seit Jahr¬ zehnten in Spannung versetzt und wider einander erregt hat: Wie soll es mit der religiös-kirchlichen Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen gehalten werden? Welcher Konfession sollen die Sprößlinge, Söhne und Töchter, aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/131>, abgerufen am 08.09.2024.