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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal.

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Gemischte Ghen.

solchen Ehen folgen? Wollte der Schreiber dieser Zeilen die Familiengeschichte
nur einer Anzahl von gemischten Ehen, die ihm gerade näher bekannt geworden
sind, hier mitteilen, er würde ein trauriges und dunkles Gemälde entrollen
müssen. Die Fäden des Dramas würden vielfach aus nicht gehaltenen Ver¬
sprechungen, Überredung, Überlistung, Trotz, Streit, Entfremdung der Herzen ze.
zusammengewoben sein. Und diese Erfahrungen und Erlebnisse sind nicht etwa
vereinzelte; sie werden vielseitig bestätigt. Vorher getroffene Übereinkünfte und
eingegangene Versprechungen wurden durch die Thränen und Bitten, den Trotz
und die List mancher Frauen, hie und da auch durch die Wortbrüchigkeit und
Unzuverlässigkeit der Männer nachher unwirksam gemacht, zumal wenn die
Maxime geltend gemacht wurde, daß der evangelischen Kirche - nach echt jesui¬
tischen Grundsätzen -- das gegebene Wort zu halten uicht notwendig sei. Kinder
wurden hinter dem Rücken und sogar gegen den Willen ihrer Väter oder
Mütter in den ersten Tagen nach ihrer Geburt zur Taufe in ein Nachbarhaus
getragen, wo sich der katholische Pastor eingefunden hatte. Katholische Mütter
trotzten dem Willen ihrer Männer, indem sie sich tagelang zu Bette legten und
dem Manne Pflege und Aufwartung verweigerten, lediglich um ihn mürbe zu
machen und ihren eignen Willen durchzusetzen. Welche Einflüsse werden von
seiten der Verwandtschaft, zumal der weiblichen, wenn sie unter dem Druck und
der Einwirkung der Kirche steht, in Bewegung gesetzt! Alles rennt und läuft,
Muhmen und Basen, Schwiegermütter, Nichten und Schwestern, um in inasorsrn
soelssias Klormw mit wirksam zu sein und sich durch solche emsige Betriebsam¬
keit einen Stuhl im Himmel zu erwirken. Und allen diesen Machinationen,
Einflüsterungen, Ränken, Pfiffen und Schlichen gegenüber steht nicht selten ein
Mann und Vater, der wohl gesonnen wäre, seiner Kirche Anhänglichkeit auch
durch die Kindererziehung zu beweisen, der sich aber in diesem Bestreben isolirt,
verlassen, vou deu Gegnern überholt und überlistet sieht. Noch öfter und zahl¬
reicher indeß sind die Fälle, wo besonders bei protestantischen Männern und
Vätern sich sträfliche Indolenz und bedauernswerte Indifferenz in hohem Maße
finden. Der Männer ohne protestantisches Ehrgefühl und Gewissen, ohne Kraft,
Beharrlichkeit und auch Widersetzlichkeiten oder widrigen Einflüssen begegnende
Charakterstärke haben wir leider nur zu viel. Wie manchmal hat bei gemischten
Ehen der Protestantismus eines schwachen charakterlosen Mannes die Flucht
ergriffen vor dem Reichtum, der guten Vermögenslage, den Einflüsterungen und
Ränken eines der römischen Kirche ergebenen Weibes!

Wir sind der Meinung, daß, so schwierig es immerhin sein mag und so
ungern man sich in das innerste Heiligtum der Glaubeusstellung einer Familie
hineinmengen möge, der Staat durch gesetzliche Bestimmungen hier feste Normen
und Regeln treffen und aufstellen sollte. Und welche?

Die von einigen geteilte Anschauung, wonach die Mutter für sämtliche
Kinder Kirche und Konfession bestimmen soll, vermögen wir uns nicht anzueignen;


Gemischte Ghen.

solchen Ehen folgen? Wollte der Schreiber dieser Zeilen die Familiengeschichte
nur einer Anzahl von gemischten Ehen, die ihm gerade näher bekannt geworden
sind, hier mitteilen, er würde ein trauriges und dunkles Gemälde entrollen
müssen. Die Fäden des Dramas würden vielfach aus nicht gehaltenen Ver¬
sprechungen, Überredung, Überlistung, Trotz, Streit, Entfremdung der Herzen ze.
zusammengewoben sein. Und diese Erfahrungen und Erlebnisse sind nicht etwa
vereinzelte; sie werden vielseitig bestätigt. Vorher getroffene Übereinkünfte und
eingegangene Versprechungen wurden durch die Thränen und Bitten, den Trotz
und die List mancher Frauen, hie und da auch durch die Wortbrüchigkeit und
Unzuverlässigkeit der Männer nachher unwirksam gemacht, zumal wenn die
Maxime geltend gemacht wurde, daß der evangelischen Kirche - nach echt jesui¬
tischen Grundsätzen — das gegebene Wort zu halten uicht notwendig sei. Kinder
wurden hinter dem Rücken und sogar gegen den Willen ihrer Väter oder
Mütter in den ersten Tagen nach ihrer Geburt zur Taufe in ein Nachbarhaus
getragen, wo sich der katholische Pastor eingefunden hatte. Katholische Mütter
trotzten dem Willen ihrer Männer, indem sie sich tagelang zu Bette legten und
dem Manne Pflege und Aufwartung verweigerten, lediglich um ihn mürbe zu
machen und ihren eignen Willen durchzusetzen. Welche Einflüsse werden von
seiten der Verwandtschaft, zumal der weiblichen, wenn sie unter dem Druck und
der Einwirkung der Kirche steht, in Bewegung gesetzt! Alles rennt und läuft,
Muhmen und Basen, Schwiegermütter, Nichten und Schwestern, um in inasorsrn
soelssias Klormw mit wirksam zu sein und sich durch solche emsige Betriebsam¬
keit einen Stuhl im Himmel zu erwirken. Und allen diesen Machinationen,
Einflüsterungen, Ränken, Pfiffen und Schlichen gegenüber steht nicht selten ein
Mann und Vater, der wohl gesonnen wäre, seiner Kirche Anhänglichkeit auch
durch die Kindererziehung zu beweisen, der sich aber in diesem Bestreben isolirt,
verlassen, vou deu Gegnern überholt und überlistet sieht. Noch öfter und zahl¬
reicher indeß sind die Fälle, wo besonders bei protestantischen Männern und
Vätern sich sträfliche Indolenz und bedauernswerte Indifferenz in hohem Maße
finden. Der Männer ohne protestantisches Ehrgefühl und Gewissen, ohne Kraft,
Beharrlichkeit und auch Widersetzlichkeiten oder widrigen Einflüssen begegnende
Charakterstärke haben wir leider nur zu viel. Wie manchmal hat bei gemischten
Ehen der Protestantismus eines schwachen charakterlosen Mannes die Flucht
ergriffen vor dem Reichtum, der guten Vermögenslage, den Einflüsterungen und
Ränken eines der römischen Kirche ergebenen Weibes!

Wir sind der Meinung, daß, so schwierig es immerhin sein mag und so
ungern man sich in das innerste Heiligtum der Glaubeusstellung einer Familie
hineinmengen möge, der Staat durch gesetzliche Bestimmungen hier feste Normen
und Regeln treffen und aufstellen sollte. Und welche?

Die von einigen geteilte Anschauung, wonach die Mutter für sämtliche
Kinder Kirche und Konfession bestimmen soll, vermögen wir uns nicht anzueignen;


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[0132] Gemischte Ghen. solchen Ehen folgen? Wollte der Schreiber dieser Zeilen die Familiengeschichte nur einer Anzahl von gemischten Ehen, die ihm gerade näher bekannt geworden sind, hier mitteilen, er würde ein trauriges und dunkles Gemälde entrollen müssen. Die Fäden des Dramas würden vielfach aus nicht gehaltenen Ver¬ sprechungen, Überredung, Überlistung, Trotz, Streit, Entfremdung der Herzen ze. zusammengewoben sein. Und diese Erfahrungen und Erlebnisse sind nicht etwa vereinzelte; sie werden vielseitig bestätigt. Vorher getroffene Übereinkünfte und eingegangene Versprechungen wurden durch die Thränen und Bitten, den Trotz und die List mancher Frauen, hie und da auch durch die Wortbrüchigkeit und Unzuverlässigkeit der Männer nachher unwirksam gemacht, zumal wenn die Maxime geltend gemacht wurde, daß der evangelischen Kirche - nach echt jesui¬ tischen Grundsätzen — das gegebene Wort zu halten uicht notwendig sei. Kinder wurden hinter dem Rücken und sogar gegen den Willen ihrer Väter oder Mütter in den ersten Tagen nach ihrer Geburt zur Taufe in ein Nachbarhaus getragen, wo sich der katholische Pastor eingefunden hatte. Katholische Mütter trotzten dem Willen ihrer Männer, indem sie sich tagelang zu Bette legten und dem Manne Pflege und Aufwartung verweigerten, lediglich um ihn mürbe zu machen und ihren eignen Willen durchzusetzen. Welche Einflüsse werden von seiten der Verwandtschaft, zumal der weiblichen, wenn sie unter dem Druck und der Einwirkung der Kirche steht, in Bewegung gesetzt! Alles rennt und läuft, Muhmen und Basen, Schwiegermütter, Nichten und Schwestern, um in inasorsrn soelssias Klormw mit wirksam zu sein und sich durch solche emsige Betriebsam¬ keit einen Stuhl im Himmel zu erwirken. Und allen diesen Machinationen, Einflüsterungen, Ränken, Pfiffen und Schlichen gegenüber steht nicht selten ein Mann und Vater, der wohl gesonnen wäre, seiner Kirche Anhänglichkeit auch durch die Kindererziehung zu beweisen, der sich aber in diesem Bestreben isolirt, verlassen, vou deu Gegnern überholt und überlistet sieht. Noch öfter und zahl¬ reicher indeß sind die Fälle, wo besonders bei protestantischen Männern und Vätern sich sträfliche Indolenz und bedauernswerte Indifferenz in hohem Maße finden. Der Männer ohne protestantisches Ehrgefühl und Gewissen, ohne Kraft, Beharrlichkeit und auch Widersetzlichkeiten oder widrigen Einflüssen begegnende Charakterstärke haben wir leider nur zu viel. Wie manchmal hat bei gemischten Ehen der Protestantismus eines schwachen charakterlosen Mannes die Flucht ergriffen vor dem Reichtum, der guten Vermögenslage, den Einflüsterungen und Ränken eines der römischen Kirche ergebenen Weibes! Wir sind der Meinung, daß, so schwierig es immerhin sein mag und so ungern man sich in das innerste Heiligtum der Glaubeusstellung einer Familie hineinmengen möge, der Staat durch gesetzliche Bestimmungen hier feste Normen und Regeln treffen und aufstellen sollte. Und welche? Die von einigen geteilte Anschauung, wonach die Mutter für sämtliche Kinder Kirche und Konfession bestimmen soll, vermögen wir uns nicht anzueignen;

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_153446/132>, abgerufen am 08.09.2024.