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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die ungarische Sprache.

lich lassen sich noch viele Wörter aufzählen, welche sich entweder nicht gut in
die gemachten Kategorien einstellen lassen oder, da die Wörterbücher sie nicht
enthalten, ganz neuen Datums zu sein scheine" und der individuellen Vorliebe
des Schriftstellers ihre Anwendung verdanken. Besonders die Romane Jokais
sind reich mit Wörtern deutschen Ursprungs gemischt. Als Beispiele einiger
Wörter dieser beiden Arten mögen dienen iris, frisch, silva, fein, isvök, Speck,
Millis,, Schinken, odsit, Abschied (beim Militär), istiib, Stab, rg,^, Riß
(Zeichnung), dörmÄvi, firmeln, xusspän, Buchsbaum, 16nrmg, Löhnung,
8tcMrrmss, Ausstattung, iinäm-, Mieder.

Die ungarische Sprache enthält aber noch einen deutlicheren Beweis für
das Schuldverhältnis, in welchem sie zum Deutschen steht. Diesen liefern
die einzelnen, meist zusammengesetzten Wörter, welche dem Beispiele der ent¬
sprechenden deutschen in der Übertragung der Bedeutung gefolgt sind. In
Analogien sür diesen Gehorsam einem fremden Idiom gegenüber dürfte dem
Ungarischen so leicht keine andere Sprache an die Seite zu stelle" sein. Als
Beleg möge" folgende Wörter dienen, welche den eigentlichen und figürlichen
Sinn der deutschen besitzen: l>og,ein.i, eingeben, vövöirvi, einnehmen (Arznei),
0882ötg,i'tMti, zusammenhalten, einig sein, rs8?vvvö, teilnehmend, xa-
l^tolni, bemänteln von va1Ü8t, Mantel, IräMni, Hausirer von Haus,
lriMAulick, Stimmung von Ksurg', Stimme, tMk.Ma, Hühnerauge, tÄmon-
ä-M, aufsagen, kündigen, olvs.8in, zählen, lejen, wählst, anderthalb,
c,8c>nig.8Wp, wunderschön, öltünMs.rg.0, Kleidungsstück, dore^, Wurm,
Kind, örsAöin, mein Alter, Vater, 8^insn^a,8Won^ Windsbraut, (ein
besonders anfMiges Beispiel, weil unser Wort bekanntlich mit Braut, 8vcmW,
gar nichts zu thun hat), tivläviKg', Mondschein, Glatze, IrgMalWillg-A,
Morgenstern, Streitkolben, lölcösööum, abdanken, vMWüts8, Zauber¬
schlag, WslrMW, Windrose, KsinsWÜvoK, Flegeljahre. Eine halbe Ana¬
logie zu diesen Wörtern giebt das in Deutschland gebräuchliche abscheuliche Wort
Preiskurant, in welchem der französische Ausdruck halb übersetzt, halb ge¬
blieben ist.

Den deutlichsten Beweis aber für das, was die ungarische Sprache der
unsrigen verdankt, enthalten die zahlreichen Redensarten, zum Teil die krassesten
Germanismen, welche im Ungarischen vollständiges Bürgerrecht erlangt ha¬
ben und so gebraucht werden, als wenn sie in der Denkwerkstätte des eignen
Sprachgeistes erfunden worden wären. Wen" sich im Deutschen vereinzelte
Beispiele einiger dem Französischen nachgebildeter Wendungen finden, so trifft man
sie doch zum Glück uur in der Tagespresse, wo sie durch die Nothwendigkeit,
möglichst schnell zu schreibe", einigermaßen entschuldigt werden, obgleich es wün¬
schenswert wäre, dem Sinn derselben, z. B. as longus main und tsnir g.u
ocmrg,ut., anders wiederzugeben als: von langer Hand und auf dem
Laufenden erhalten. Aber die betreffenden ungarischen Redensarten


Die ungarische Sprache.

lich lassen sich noch viele Wörter aufzählen, welche sich entweder nicht gut in
die gemachten Kategorien einstellen lassen oder, da die Wörterbücher sie nicht
enthalten, ganz neuen Datums zu sein scheine» und der individuellen Vorliebe
des Schriftstellers ihre Anwendung verdanken. Besonders die Romane Jokais
sind reich mit Wörtern deutschen Ursprungs gemischt. Als Beispiele einiger
Wörter dieser beiden Arten mögen dienen iris, frisch, silva, fein, isvök, Speck,
Millis,, Schinken, odsit, Abschied (beim Militär), istiib, Stab, rg,^, Riß
(Zeichnung), dörmÄvi, firmeln, xusspän, Buchsbaum, 16nrmg, Löhnung,
8tcMrrmss, Ausstattung, iinäm-, Mieder.

Die ungarische Sprache enthält aber noch einen deutlicheren Beweis für
das Schuldverhältnis, in welchem sie zum Deutschen steht. Diesen liefern
die einzelnen, meist zusammengesetzten Wörter, welche dem Beispiele der ent¬
sprechenden deutschen in der Übertragung der Bedeutung gefolgt sind. In
Analogien sür diesen Gehorsam einem fremden Idiom gegenüber dürfte dem
Ungarischen so leicht keine andere Sprache an die Seite zu stelle» sein. Als
Beleg möge» folgende Wörter dienen, welche den eigentlichen und figürlichen
Sinn der deutschen besitzen: l>og,ein.i, eingeben, vövöirvi, einnehmen (Arznei),
0882ötg,i'tMti, zusammenhalten, einig sein, rs8?vvvö, teilnehmend, xa-
l^tolni, bemänteln von va1Ü8t, Mantel, IräMni, Hausirer von Haus,
lriMAulick, Stimmung von Ksurg', Stimme, tMk.Ma, Hühnerauge, tÄmon-
ä-M, aufsagen, kündigen, olvs.8in, zählen, lejen, wählst, anderthalb,
c,8c>nig.8Wp, wunderschön, öltünMs.rg.0, Kleidungsstück, dore^, Wurm,
Kind, örsAöin, mein Alter, Vater, 8^insn^a,8Won^ Windsbraut, (ein
besonders anfMiges Beispiel, weil unser Wort bekanntlich mit Braut, 8vcmW,
gar nichts zu thun hat), tivläviKg', Mondschein, Glatze, IrgMalWillg-A,
Morgenstern, Streitkolben, lölcösööum, abdanken, vMWüts8, Zauber¬
schlag, WslrMW, Windrose, KsinsWÜvoK, Flegeljahre. Eine halbe Ana¬
logie zu diesen Wörtern giebt das in Deutschland gebräuchliche abscheuliche Wort
Preiskurant, in welchem der französische Ausdruck halb übersetzt, halb ge¬
blieben ist.

Den deutlichsten Beweis aber für das, was die ungarische Sprache der
unsrigen verdankt, enthalten die zahlreichen Redensarten, zum Teil die krassesten
Germanismen, welche im Ungarischen vollständiges Bürgerrecht erlangt ha¬
ben und so gebraucht werden, als wenn sie in der Denkwerkstätte des eignen
Sprachgeistes erfunden worden wären. Wen» sich im Deutschen vereinzelte
Beispiele einiger dem Französischen nachgebildeter Wendungen finden, so trifft man
sie doch zum Glück uur in der Tagespresse, wo sie durch die Nothwendigkeit,
möglichst schnell zu schreibe», einigermaßen entschuldigt werden, obgleich es wün¬
schenswert wäre, dem Sinn derselben, z. B. as longus main und tsnir g.u
ocmrg,ut., anders wiederzugeben als: von langer Hand und auf dem
Laufenden erhalten. Aber die betreffenden ungarischen Redensarten


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[0078] Die ungarische Sprache. lich lassen sich noch viele Wörter aufzählen, welche sich entweder nicht gut in die gemachten Kategorien einstellen lassen oder, da die Wörterbücher sie nicht enthalten, ganz neuen Datums zu sein scheine» und der individuellen Vorliebe des Schriftstellers ihre Anwendung verdanken. Besonders die Romane Jokais sind reich mit Wörtern deutschen Ursprungs gemischt. Als Beispiele einiger Wörter dieser beiden Arten mögen dienen iris, frisch, silva, fein, isvök, Speck, Millis,, Schinken, odsit, Abschied (beim Militär), istiib, Stab, rg,^, Riß (Zeichnung), dörmÄvi, firmeln, xusspän, Buchsbaum, 16nrmg, Löhnung, 8tcMrrmss, Ausstattung, iinäm-, Mieder. Die ungarische Sprache enthält aber noch einen deutlicheren Beweis für das Schuldverhältnis, in welchem sie zum Deutschen steht. Diesen liefern die einzelnen, meist zusammengesetzten Wörter, welche dem Beispiele der ent¬ sprechenden deutschen in der Übertragung der Bedeutung gefolgt sind. In Analogien sür diesen Gehorsam einem fremden Idiom gegenüber dürfte dem Ungarischen so leicht keine andere Sprache an die Seite zu stelle» sein. Als Beleg möge» folgende Wörter dienen, welche den eigentlichen und figürlichen Sinn der deutschen besitzen: l>og,ein.i, eingeben, vövöirvi, einnehmen (Arznei), 0882ötg,i'tMti, zusammenhalten, einig sein, rs8?vvvö, teilnehmend, xa- l^tolni, bemänteln von va1Ü8t, Mantel, IräMni, Hausirer von Haus, lriMAulick, Stimmung von Ksurg', Stimme, tMk.Ma, Hühnerauge, tÄmon- ä-M, aufsagen, kündigen, olvs.8in, zählen, lejen, wählst, anderthalb, c,8c>nig.8Wp, wunderschön, öltünMs.rg.0, Kleidungsstück, dore^, Wurm, Kind, örsAöin, mein Alter, Vater, 8^insn^a,8Won^ Windsbraut, (ein besonders anfMiges Beispiel, weil unser Wort bekanntlich mit Braut, 8vcmW, gar nichts zu thun hat), tivläviKg', Mondschein, Glatze, IrgMalWillg-A, Morgenstern, Streitkolben, lölcösööum, abdanken, vMWüts8, Zauber¬ schlag, WslrMW, Windrose, KsinsWÜvoK, Flegeljahre. Eine halbe Ana¬ logie zu diesen Wörtern giebt das in Deutschland gebräuchliche abscheuliche Wort Preiskurant, in welchem der französische Ausdruck halb übersetzt, halb ge¬ blieben ist. Den deutlichsten Beweis aber für das, was die ungarische Sprache der unsrigen verdankt, enthalten die zahlreichen Redensarten, zum Teil die krassesten Germanismen, welche im Ungarischen vollständiges Bürgerrecht erlangt ha¬ ben und so gebraucht werden, als wenn sie in der Denkwerkstätte des eignen Sprachgeistes erfunden worden wären. Wen» sich im Deutschen vereinzelte Beispiele einiger dem Französischen nachgebildeter Wendungen finden, so trifft man sie doch zum Glück uur in der Tagespresse, wo sie durch die Nothwendigkeit, möglichst schnell zu schreibe», einigermaßen entschuldigt werden, obgleich es wün¬ schenswert wäre, dem Sinn derselben, z. B. as longus main und tsnir g.u ocmrg,ut., anders wiederzugeben als: von langer Hand und auf dem Laufenden erhalten. Aber die betreffenden ungarischen Redensarten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/78>, abgerufen am 03.07.2024.