Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Hie ungarische Sprache.

Wörter sind durchweg Postpvsitioneu, und weil es, wie wir schon oben betont,
organisch gebildete Kasus nicht giebt, hat die PostPosition immer den Nomi¬
nativ vor sich. Vor unserm Hause heißt also NMUiiK eiste, gerade in der
umgekehrten Ordnung wie im Deutschen, v) Die Taufnamen sind keine Vor¬
namen, sondern werden dem Familiennamen nachgesetzt. Der bekannte Roman¬
schriftsteller Maurus Jokai heißt demnach bei seinen Landsleuten ^6Kgi Nor.
Diese Umstellung findet sich, jedoch nur wenn man zu oder vou bekannten
Personen spricht, auch im Italienischen und in einigen Gegenden Deutschlands.

Als etwas höchst eigentümliches auf syntaktischen Gebiete ist ferner zu
erwähnen, daß das zielende Zeitwort, wenn es ein Objekt regiert, eine andre
Endung annimmt als ohne ein solches; ich schlage heißt alleinstehend verek,
mit einem Zusätze aber, also etwa deu Hund, verein. Beide Zeitworts¬
formen werden durch alle Zeiten und Personenformen verschieden abgewandelt.
Das ziellose Zeitwort hat selbstverständlich die erstere Endung.

Die eigentümliche Wortstellung tritt im Ungarischen besonders im Vergleich
mit den Sprachen hervor, die das abhängige Wort stets dein regierenden
nachsetzen (z. B. das Französische), und bei denen auch, was im Ungarischen
nicht der Fall ist, das Eigenschaftswort seinem Hauptworte meistens folgt. So
heißt ihr vor Spionenaugeu versteckter Inhalt KemL^ero. sist elrsMU
en-tÄmii, franz. son ocmtsnu oaeue äevg,ut clss veux ä'ssxion, nur daß
die französischen Wörter den ungarischen in der umgekehrten Reihenfolge ent¬
sprechen. Dieselbe Erscheinung haben wir sogar in folgendem, aus sieben Wör¬
tern bestehenden Beispiele:


Ungarisch: u> Ksrdssvs nriiäalom bnIc>M tmWondöi'ILso At^it vlcModt Kis,"^
Franz. wörll.: rvsxsotit ävrna,imo insolvsni tsrwtor os-uso "tskoit,

Während man doch in der That umgekehrt sagt: 1s clslloit xM 1iZ ksrwisr
insolvent Su äoiriiüns resxeoM, im Deutschen, mit eiuer zwischen den beiden
verglichenen Sprachen die Mitte haltenden Stellung: der von dem zahlungs¬
unfähigen Pächter der betreffenden Herrschaft verursachte Ausfall.
Schon im Deutschen können wir uns nicht verhehlen, daß die eigentümlich ver¬
schränkte Wortstellung die Klarheit des Gedankens und die Leichtigkeit des münd¬
lichen Ausdrucks, besonders im Vergleich mit dem lichtvollen, logischen franzö¬
sischen Verfahren, nicht unwesentlich erschwert; in erhöhtem Maße aber trifft
dies augenscheinlich beim Ungarischen zu. Dafür ist aber auch eine korrekte
deutsche oder ungarische Sprechweise weit mehr ein Denktnrnier, eben wegen der
Notwendigkeit, das kommende schon lange vorher im Auge zu haben, als das
eins aus dem andern herleitende Französische.


3. Wortschatz und Phraseologie.

In diesem Kapitel wollen wir uns, des Zweckes und der Umgebung unsers
Aufsatzes eingedenk, auf das beschränken, was am ehesten geeignet ist, bei ge-


Hie ungarische Sprache.

Wörter sind durchweg Postpvsitioneu, und weil es, wie wir schon oben betont,
organisch gebildete Kasus nicht giebt, hat die PostPosition immer den Nomi¬
nativ vor sich. Vor unserm Hause heißt also NMUiiK eiste, gerade in der
umgekehrten Ordnung wie im Deutschen, v) Die Taufnamen sind keine Vor¬
namen, sondern werden dem Familiennamen nachgesetzt. Der bekannte Roman¬
schriftsteller Maurus Jokai heißt demnach bei seinen Landsleuten ^6Kgi Nor.
Diese Umstellung findet sich, jedoch nur wenn man zu oder vou bekannten
Personen spricht, auch im Italienischen und in einigen Gegenden Deutschlands.

Als etwas höchst eigentümliches auf syntaktischen Gebiete ist ferner zu
erwähnen, daß das zielende Zeitwort, wenn es ein Objekt regiert, eine andre
Endung annimmt als ohne ein solches; ich schlage heißt alleinstehend verek,
mit einem Zusätze aber, also etwa deu Hund, verein. Beide Zeitworts¬
formen werden durch alle Zeiten und Personenformen verschieden abgewandelt.
Das ziellose Zeitwort hat selbstverständlich die erstere Endung.

Die eigentümliche Wortstellung tritt im Ungarischen besonders im Vergleich
mit den Sprachen hervor, die das abhängige Wort stets dein regierenden
nachsetzen (z. B. das Französische), und bei denen auch, was im Ungarischen
nicht der Fall ist, das Eigenschaftswort seinem Hauptworte meistens folgt. So
heißt ihr vor Spionenaugeu versteckter Inhalt KemL^ero. sist elrsMU
en-tÄmii, franz. son ocmtsnu oaeue äevg,ut clss veux ä'ssxion, nur daß
die französischen Wörter den ungarischen in der umgekehrten Reihenfolge ent¬
sprechen. Dieselbe Erscheinung haben wir sogar in folgendem, aus sieben Wör¬
tern bestehenden Beispiele:


Ungarisch: u> Ksrdssvs nriiäalom bnIc>M tmWondöi'ILso At^it vlcModt Kis,»^
Franz. wörll.: rvsxsotit ävrna,imo insolvsni tsrwtor os-uso «tskoit,

Während man doch in der That umgekehrt sagt: 1s clslloit xM 1iZ ksrwisr
insolvent Su äoiriiüns resxeoM, im Deutschen, mit eiuer zwischen den beiden
verglichenen Sprachen die Mitte haltenden Stellung: der von dem zahlungs¬
unfähigen Pächter der betreffenden Herrschaft verursachte Ausfall.
Schon im Deutschen können wir uns nicht verhehlen, daß die eigentümlich ver¬
schränkte Wortstellung die Klarheit des Gedankens und die Leichtigkeit des münd¬
lichen Ausdrucks, besonders im Vergleich mit dem lichtvollen, logischen franzö¬
sischen Verfahren, nicht unwesentlich erschwert; in erhöhtem Maße aber trifft
dies augenscheinlich beim Ungarischen zu. Dafür ist aber auch eine korrekte
deutsche oder ungarische Sprechweise weit mehr ein Denktnrnier, eben wegen der
Notwendigkeit, das kommende schon lange vorher im Auge zu haben, als das
eins aus dem andern herleitende Französische.


3. Wortschatz und Phraseologie.

In diesem Kapitel wollen wir uns, des Zweckes und der Umgebung unsers
Aufsatzes eingedenk, auf das beschränken, was am ehesten geeignet ist, bei ge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0075" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/152832"/>
            <fw type="header" place="top"> Hie ungarische Sprache.</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_264" prev="#ID_263"> Wörter sind durchweg Postpvsitioneu, und weil es, wie wir schon oben betont,<lb/>
organisch gebildete Kasus nicht giebt, hat die PostPosition immer den Nomi¬<lb/>
nativ vor sich. Vor unserm Hause heißt also NMUiiK eiste, gerade in der<lb/>
umgekehrten Ordnung wie im Deutschen, v) Die Taufnamen sind keine Vor¬<lb/>
namen, sondern werden dem Familiennamen nachgesetzt. Der bekannte Roman¬<lb/>
schriftsteller Maurus Jokai heißt demnach bei seinen Landsleuten ^6Kgi Nor.<lb/>
Diese Umstellung findet sich, jedoch nur wenn man zu oder vou bekannten<lb/>
Personen spricht, auch im Italienischen und in einigen Gegenden Deutschlands.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_265"> Als etwas höchst eigentümliches auf syntaktischen Gebiete ist ferner zu<lb/>
erwähnen, daß das zielende Zeitwort, wenn es ein Objekt regiert, eine andre<lb/>
Endung annimmt als ohne ein solches; ich schlage heißt alleinstehend verek,<lb/>
mit einem Zusätze aber, also etwa deu Hund, verein. Beide Zeitworts¬<lb/>
formen werden durch alle Zeiten und Personenformen verschieden abgewandelt.<lb/>
Das ziellose Zeitwort hat selbstverständlich die erstere Endung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_266" next="#ID_267"> Die eigentümliche Wortstellung tritt im Ungarischen besonders im Vergleich<lb/>
mit den Sprachen hervor, die das abhängige Wort stets dein regierenden<lb/>
nachsetzen (z. B. das Französische), und bei denen auch, was im Ungarischen<lb/>
nicht der Fall ist, das Eigenschaftswort seinem Hauptworte meistens folgt. So<lb/>
heißt ihr vor Spionenaugeu versteckter Inhalt KemL^ero. sist elrsMU<lb/>
en-tÄmii, franz. son ocmtsnu oaeue äevg,ut clss veux ä'ssxion, nur daß<lb/>
die französischen Wörter den ungarischen in der umgekehrten Reihenfolge ent¬<lb/>
sprechen. Dieselbe Erscheinung haben wir sogar in folgendem, aus sieben Wör¬<lb/>
tern bestehenden Beispiele:</p><lb/>
            <quote> Ungarisch:    u&gt; Ksrdssvs nriiäalom bnIc&gt;M tmWondöi'ILso At^it vlcModt Kis,»^<lb/>
Franz. wörll.: rvsxsotit ävrna,imo insolvsni tsrwtor    os-uso «tskoit,</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_267" prev="#ID_266"> Während man doch in der That umgekehrt sagt: 1s clslloit xM 1iZ ksrwisr<lb/>
insolvent Su äoiriiüns resxeoM, im Deutschen, mit eiuer zwischen den beiden<lb/>
verglichenen Sprachen die Mitte haltenden Stellung: der von dem zahlungs¬<lb/>
unfähigen Pächter der betreffenden Herrschaft verursachte Ausfall.<lb/>
Schon im Deutschen können wir uns nicht verhehlen, daß die eigentümlich ver¬<lb/>
schränkte Wortstellung die Klarheit des Gedankens und die Leichtigkeit des münd¬<lb/>
lichen Ausdrucks, besonders im Vergleich mit dem lichtvollen, logischen franzö¬<lb/>
sischen Verfahren, nicht unwesentlich erschwert; in erhöhtem Maße aber trifft<lb/>
dies augenscheinlich beim Ungarischen zu. Dafür ist aber auch eine korrekte<lb/>
deutsche oder ungarische Sprechweise weit mehr ein Denktnrnier, eben wegen der<lb/>
Notwendigkeit, das kommende schon lange vorher im Auge zu haben, als das<lb/>
eins aus dem andern herleitende Französische.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 3. Wortschatz und Phraseologie.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_268" next="#ID_269"> In diesem Kapitel wollen wir uns, des Zweckes und der Umgebung unsers<lb/>
Aufsatzes eingedenk, auf das beschränken, was am ehesten geeignet ist, bei ge-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0075] Hie ungarische Sprache. Wörter sind durchweg Postpvsitioneu, und weil es, wie wir schon oben betont, organisch gebildete Kasus nicht giebt, hat die PostPosition immer den Nomi¬ nativ vor sich. Vor unserm Hause heißt also NMUiiK eiste, gerade in der umgekehrten Ordnung wie im Deutschen, v) Die Taufnamen sind keine Vor¬ namen, sondern werden dem Familiennamen nachgesetzt. Der bekannte Roman¬ schriftsteller Maurus Jokai heißt demnach bei seinen Landsleuten ^6Kgi Nor. Diese Umstellung findet sich, jedoch nur wenn man zu oder vou bekannten Personen spricht, auch im Italienischen und in einigen Gegenden Deutschlands. Als etwas höchst eigentümliches auf syntaktischen Gebiete ist ferner zu erwähnen, daß das zielende Zeitwort, wenn es ein Objekt regiert, eine andre Endung annimmt als ohne ein solches; ich schlage heißt alleinstehend verek, mit einem Zusätze aber, also etwa deu Hund, verein. Beide Zeitworts¬ formen werden durch alle Zeiten und Personenformen verschieden abgewandelt. Das ziellose Zeitwort hat selbstverständlich die erstere Endung. Die eigentümliche Wortstellung tritt im Ungarischen besonders im Vergleich mit den Sprachen hervor, die das abhängige Wort stets dein regierenden nachsetzen (z. B. das Französische), und bei denen auch, was im Ungarischen nicht der Fall ist, das Eigenschaftswort seinem Hauptworte meistens folgt. So heißt ihr vor Spionenaugeu versteckter Inhalt KemL^ero. sist elrsMU en-tÄmii, franz. son ocmtsnu oaeue äevg,ut clss veux ä'ssxion, nur daß die französischen Wörter den ungarischen in der umgekehrten Reihenfolge ent¬ sprechen. Dieselbe Erscheinung haben wir sogar in folgendem, aus sieben Wör¬ tern bestehenden Beispiele: Ungarisch: u> Ksrdssvs nriiäalom bnIc>M tmWondöi'ILso At^it vlcModt Kis,»^ Franz. wörll.: rvsxsotit ävrna,imo insolvsni tsrwtor os-uso «tskoit, Während man doch in der That umgekehrt sagt: 1s clslloit xM 1iZ ksrwisr insolvent Su äoiriiüns resxeoM, im Deutschen, mit eiuer zwischen den beiden verglichenen Sprachen die Mitte haltenden Stellung: der von dem zahlungs¬ unfähigen Pächter der betreffenden Herrschaft verursachte Ausfall. Schon im Deutschen können wir uns nicht verhehlen, daß die eigentümlich ver¬ schränkte Wortstellung die Klarheit des Gedankens und die Leichtigkeit des münd¬ lichen Ausdrucks, besonders im Vergleich mit dem lichtvollen, logischen franzö¬ sischen Verfahren, nicht unwesentlich erschwert; in erhöhtem Maße aber trifft dies augenscheinlich beim Ungarischen zu. Dafür ist aber auch eine korrekte deutsche oder ungarische Sprechweise weit mehr ein Denktnrnier, eben wegen der Notwendigkeit, das kommende schon lange vorher im Auge zu haben, als das eins aus dem andern herleitende Französische. 3. Wortschatz und Phraseologie. In diesem Kapitel wollen wir uns, des Zweckes und der Umgebung unsers Aufsatzes eingedenk, auf das beschränken, was am ehesten geeignet ist, bei ge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/75
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/75>, abgerufen am 03.07.2024.