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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die ungarische Sprache.

also auch im Ungarischen, mehr oder weniger als gesonderter, leichtlöslicher Re¬
standteil hervor.

So kommt es, daß, was wir in den indoeuropäischen Sprachen vergeb¬
lich suchen würden, die Kasus des Singulars und Plurals, die Personen des
Aktivums und Passivums auf die gleichen Endungen, Suffixe genannt, aus¬
gehen, während der numerus des Hauptworts, das Genus des Zeitworts durch
dazwischentretende Silben bezeichnet werden. So ist z, B. t, oder se die Endung
des Ane. Sing, und Plur.; 8iM, Stuhl, hat im Ana, Sing. WvKst,, im Plur.
826KsKst, woraus wir deutlich sehen, daß die Mehrheit durch die Endung öl
ausgedrückt wird, wie denn in der That der Nom, Plur. s^ÄcsK heißt. Die
Endung der 1. Pers. Plur. ist rak; also heißt von on'ni, warten, vu.ruirk,
wir warten, vamtunlc, wir werden erwartet; der passivische Sinn liegt
immer in dem zwischen Stamm und Personalenduug eingeschobenen g,t.

In ähnlicher Weise, wie der passiven Charakter eines Zeitwortes durch ein
eingezwängtes at, angegeben wird, bildet man Zeitwörter mit dem Begriffe
lassen und können durch eingeschobnes we, und nat. Es heißt also von
LÄiMni, machen: osiu^loin, ich mache, osinMatol:, ich lasse machen,
Kg,toK, ich kann machen.

Besonders deutlich tritt der selbständige Charakter dieser Suffixa bei der
Deklination dann hervor, wenn mehrere zusammengehörige Wörter von dem¬
selben Worte regiert werden. Während jenes hohe Haus als Ane. im
Lateinischen illam g.Itg.rü clomum heißt, sodaß jedes einzelne Wort im
Ana. steht, weil die Endung so mit dem Stamme verschmolzen ist, daß sie nicht
mehr davon getrennt werden kann, heißt im Ungarischen der Nom. obiger Wörter
",2 iQÄAW da?, im Ana. würde jedes Wort, wenn es einzeln stünde, ein t
anhängen, aber in Verbindung mit einander erhält nur das letzte Wort das
Accusativsuffix, sodaß man w,gM8 In^g.t sagt.

Nach Grundzahlen steht das dazu gehörige Hauptwort merkwürdigerweise
in der Einheit. Dieser numerus erstreckt sich sogar noch auf das davon ab¬
hängige Relativpronomen, wenn es nicht Nominativ ist; in diesem Falle kehrt
man zu der naturgemäßen Mehrheit zurück, um nicht genötigt zu sein, auch
noch das Verbum das Relativsatzes im Singular zu gebrauchen.


2. Syntaktische Eigentümlichkeiten.

Auf diesem Gebiete, auf welches wir bereits mit dem zuletzt erwähnten
Beispiel vorgegriffen haben, gehen die uns besonders auffallenden eigenartigen
Erscheinungen aus dem schon oben hervorgehobenen Prinzip hervor, daß das
bestimmende Wort meistens hinter das bestimmte gesetzt wird. Nach diesem all¬
gemeinen Grundsatze finden besonders drei Erscheinungen leicht ihre Erklärung:
a) Das Possessivverhältnis wird nicht durch ein vorgesetztes Fürwort, sondern
durch ein Suffix ausgedrückt, z, B. d^nule, unser Haus, Die Verhältnis-


Die ungarische Sprache.

also auch im Ungarischen, mehr oder weniger als gesonderter, leichtlöslicher Re¬
standteil hervor.

So kommt es, daß, was wir in den indoeuropäischen Sprachen vergeb¬
lich suchen würden, die Kasus des Singulars und Plurals, die Personen des
Aktivums und Passivums auf die gleichen Endungen, Suffixe genannt, aus¬
gehen, während der numerus des Hauptworts, das Genus des Zeitworts durch
dazwischentretende Silben bezeichnet werden. So ist z, B. t, oder se die Endung
des Ane. Sing, und Plur.; 8iM, Stuhl, hat im Ana, Sing. WvKst,, im Plur.
826KsKst, woraus wir deutlich sehen, daß die Mehrheit durch die Endung öl
ausgedrückt wird, wie denn in der That der Nom, Plur. s^ÄcsK heißt. Die
Endung der 1. Pers. Plur. ist rak; also heißt von on'ni, warten, vu.ruirk,
wir warten, vamtunlc, wir werden erwartet; der passivische Sinn liegt
immer in dem zwischen Stamm und Personalenduug eingeschobenen g,t.

In ähnlicher Weise, wie der passiven Charakter eines Zeitwortes durch ein
eingezwängtes at, angegeben wird, bildet man Zeitwörter mit dem Begriffe
lassen und können durch eingeschobnes we, und nat. Es heißt also von
LÄiMni, machen: osiu^loin, ich mache, osinMatol:, ich lasse machen,
Kg,toK, ich kann machen.

Besonders deutlich tritt der selbständige Charakter dieser Suffixa bei der
Deklination dann hervor, wenn mehrere zusammengehörige Wörter von dem¬
selben Worte regiert werden. Während jenes hohe Haus als Ane. im
Lateinischen illam g.Itg.rü clomum heißt, sodaß jedes einzelne Wort im
Ana. steht, weil die Endung so mit dem Stamme verschmolzen ist, daß sie nicht
mehr davon getrennt werden kann, heißt im Ungarischen der Nom. obiger Wörter
»,2 iQÄAW da?, im Ana. würde jedes Wort, wenn es einzeln stünde, ein t
anhängen, aber in Verbindung mit einander erhält nur das letzte Wort das
Accusativsuffix, sodaß man w,gM8 In^g.t sagt.

Nach Grundzahlen steht das dazu gehörige Hauptwort merkwürdigerweise
in der Einheit. Dieser numerus erstreckt sich sogar noch auf das davon ab¬
hängige Relativpronomen, wenn es nicht Nominativ ist; in diesem Falle kehrt
man zu der naturgemäßen Mehrheit zurück, um nicht genötigt zu sein, auch
noch das Verbum das Relativsatzes im Singular zu gebrauchen.


2. Syntaktische Eigentümlichkeiten.

Auf diesem Gebiete, auf welches wir bereits mit dem zuletzt erwähnten
Beispiel vorgegriffen haben, gehen die uns besonders auffallenden eigenartigen
Erscheinungen aus dem schon oben hervorgehobenen Prinzip hervor, daß das
bestimmende Wort meistens hinter das bestimmte gesetzt wird. Nach diesem all¬
gemeinen Grundsatze finden besonders drei Erscheinungen leicht ihre Erklärung:
a) Das Possessivverhältnis wird nicht durch ein vorgesetztes Fürwort, sondern
durch ein Suffix ausgedrückt, z, B. d^nule, unser Haus, Die Verhältnis-


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[0074] Die ungarische Sprache. also auch im Ungarischen, mehr oder weniger als gesonderter, leichtlöslicher Re¬ standteil hervor. So kommt es, daß, was wir in den indoeuropäischen Sprachen vergeb¬ lich suchen würden, die Kasus des Singulars und Plurals, die Personen des Aktivums und Passivums auf die gleichen Endungen, Suffixe genannt, aus¬ gehen, während der numerus des Hauptworts, das Genus des Zeitworts durch dazwischentretende Silben bezeichnet werden. So ist z, B. t, oder se die Endung des Ane. Sing, und Plur.; 8iM, Stuhl, hat im Ana, Sing. WvKst,, im Plur. 826KsKst, woraus wir deutlich sehen, daß die Mehrheit durch die Endung öl ausgedrückt wird, wie denn in der That der Nom, Plur. s^ÄcsK heißt. Die Endung der 1. Pers. Plur. ist rak; also heißt von on'ni, warten, vu.ruirk, wir warten, vamtunlc, wir werden erwartet; der passivische Sinn liegt immer in dem zwischen Stamm und Personalenduug eingeschobenen g,t. In ähnlicher Weise, wie der passiven Charakter eines Zeitwortes durch ein eingezwängtes at, angegeben wird, bildet man Zeitwörter mit dem Begriffe lassen und können durch eingeschobnes we, und nat. Es heißt also von LÄiMni, machen: osiu^loin, ich mache, osinMatol:, ich lasse machen, Kg,toK, ich kann machen. Besonders deutlich tritt der selbständige Charakter dieser Suffixa bei der Deklination dann hervor, wenn mehrere zusammengehörige Wörter von dem¬ selben Worte regiert werden. Während jenes hohe Haus als Ane. im Lateinischen illam g.Itg.rü clomum heißt, sodaß jedes einzelne Wort im Ana. steht, weil die Endung so mit dem Stamme verschmolzen ist, daß sie nicht mehr davon getrennt werden kann, heißt im Ungarischen der Nom. obiger Wörter »,2 iQÄAW da?, im Ana. würde jedes Wort, wenn es einzeln stünde, ein t anhängen, aber in Verbindung mit einander erhält nur das letzte Wort das Accusativsuffix, sodaß man w,gM8 In^g.t sagt. Nach Grundzahlen steht das dazu gehörige Hauptwort merkwürdigerweise in der Einheit. Dieser numerus erstreckt sich sogar noch auf das davon ab¬ hängige Relativpronomen, wenn es nicht Nominativ ist; in diesem Falle kehrt man zu der naturgemäßen Mehrheit zurück, um nicht genötigt zu sein, auch noch das Verbum das Relativsatzes im Singular zu gebrauchen. 2. Syntaktische Eigentümlichkeiten. Auf diesem Gebiete, auf welches wir bereits mit dem zuletzt erwähnten Beispiel vorgegriffen haben, gehen die uns besonders auffallenden eigenartigen Erscheinungen aus dem schon oben hervorgehobenen Prinzip hervor, daß das bestimmende Wort meistens hinter das bestimmte gesetzt wird. Nach diesem all¬ gemeinen Grundsatze finden besonders drei Erscheinungen leicht ihre Erklärung: a) Das Possessivverhältnis wird nicht durch ein vorgesetztes Fürwort, sondern durch ein Suffix ausgedrückt, z, B. d^nule, unser Haus, Die Verhältnis-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/74>, abgerufen am 01.07.2024.