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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Lilglmid und dio lliadagiiskarfrago.

daraufhin erhuben wird, daß vor länger als einem Menschenalter mit halbwilden
lokalen Häuptlingen, die sich damals im Aufstände befanden, aber bald zum Ge¬
horsam zurückgeführt wurden und jetzt tot siud, Verträge vereinbart worden,
die geheim blieben und von Frankreich selbst in andern Verträgen als nicht vor¬
handen betrachtet, ja mittelbar verleugnet wurden.

In den soeben veröffentlichten Pnrlamentspapieren wird die Sache Ma¬
dagaskars durch die erwähnten Gesandten, die nach ihrem Pariser Aufenthalte
eine Zeit lang in England verweilten und dort den Ministern Vorstellungen
machten, in überzeugender Weise verteidigt. Sie beziehen sich in einer Darlegung
derselben, die Lord Granville überreicht wurde, auf die Basis des französischen
Protektorats über die Insel. "Wir möchten, so schreiben sie, darauf hinweisen,
daß die einzige Rechtfertigung, welche die französische Regierung für ihr gegen¬
wärtiges Verlangen nach einem Protektorat über einen großen Teil der nord¬
westlichen Küste vorzubringen weiß, sich auf die Thatsache gründet, daß im
Jahre 1841 mit den Häuptlingen zweier rebellischen Stämme dieser Gegend Ver¬
träge abgeschlossen worden sein sollen, welche Frankreich das oberste Schutzrecht über
dieses Gebiet eigeräumt hätten. Wenn man aber in Betracht zieht, daß diese
Stämme sich damals im Aufstande befanden, daß die in Rede stehenden Ge¬
genden sich siebzehn Jahre vorher der Herrschaft des Königs Radcnna I. unter-
worfen hatten, daß sie seitdem ohne Unterbrechung unsrer Regierung Unterthan
geblieben sind, und-daß von den Franzosen dieser vorgeschützten Rechte in unserm
Vertrage von 1868 mit ihnen keinerlei Erwähnung gethan worden ist, so liegt
es klar auf der Huld, daß besagte Rechte von deu Franzosen selbst mehr als
vierzig Jahre thatsächlich aufgegeben gewesen siud. Aber selbst dann, wenn das
nicht der Fall gewesen wäre, bedarf es keines Beweises, um zu erkennen, daß
keine zivilisirte Nation jemals das Recht eines Teiles ihres Volkes anerkennen
kann, bei einem Aufstände irgend einen Teil des Gebietes der Nation einer
fremden Macht abzutreten. Britische Kreuzer, die zur Verhinderung des Sklaven¬
handels ausgesandt waren, habe" allezeit freien Zugang zu den Rheden, Häfen
und Küstenflüssen des Gebietes gehabt, das Frankreich jetzt beansprucht. Ein
großbritcmuischer Konsul ist dort gelandet und hat seine Obliegenheiten ausgeübt,
ohne zuvor die Erlaubnis Frankreichs dazu nachgesucht zu haben. Ein fran¬
zösischer Konsnlarbecunter hat in Modschauga, welcher Ort in dem von Frank¬
reich beanspruchten Landstriche gelegen ist, seinen Wohnsitz aufgeschlagen. sDieser
Landstrich galt somit bei der Pariser Regierung als Auslands Ein zweiter
französischer Konsnlarbeamter. Herr Laborde, klagte im Jahre 1874 den Hova-
beamten zu Ampasibitika an, dort zu hohe Zölle zu erheben." sNicht, über¬
haupt Zölle zu erheben; denn er hatte zu letzterem nach der Ansicht des Fran¬
zosen die Befugnis, die ihn, nicht zugestanden hätte, wenn die Gegend als
französisches Gebiet zu betrachten gewesen wcire.j


Lilglmid und dio lliadagiiskarfrago.

daraufhin erhuben wird, daß vor länger als einem Menschenalter mit halbwilden
lokalen Häuptlingen, die sich damals im Aufstände befanden, aber bald zum Ge¬
horsam zurückgeführt wurden und jetzt tot siud, Verträge vereinbart worden,
die geheim blieben und von Frankreich selbst in andern Verträgen als nicht vor¬
handen betrachtet, ja mittelbar verleugnet wurden.

In den soeben veröffentlichten Pnrlamentspapieren wird die Sache Ma¬
dagaskars durch die erwähnten Gesandten, die nach ihrem Pariser Aufenthalte
eine Zeit lang in England verweilten und dort den Ministern Vorstellungen
machten, in überzeugender Weise verteidigt. Sie beziehen sich in einer Darlegung
derselben, die Lord Granville überreicht wurde, auf die Basis des französischen
Protektorats über die Insel. „Wir möchten, so schreiben sie, darauf hinweisen,
daß die einzige Rechtfertigung, welche die französische Regierung für ihr gegen¬
wärtiges Verlangen nach einem Protektorat über einen großen Teil der nord¬
westlichen Küste vorzubringen weiß, sich auf die Thatsache gründet, daß im
Jahre 1841 mit den Häuptlingen zweier rebellischen Stämme dieser Gegend Ver¬
träge abgeschlossen worden sein sollen, welche Frankreich das oberste Schutzrecht über
dieses Gebiet eigeräumt hätten. Wenn man aber in Betracht zieht, daß diese
Stämme sich damals im Aufstande befanden, daß die in Rede stehenden Ge¬
genden sich siebzehn Jahre vorher der Herrschaft des Königs Radcnna I. unter-
worfen hatten, daß sie seitdem ohne Unterbrechung unsrer Regierung Unterthan
geblieben sind, und-daß von den Franzosen dieser vorgeschützten Rechte in unserm
Vertrage von 1868 mit ihnen keinerlei Erwähnung gethan worden ist, so liegt
es klar auf der Huld, daß besagte Rechte von deu Franzosen selbst mehr als
vierzig Jahre thatsächlich aufgegeben gewesen siud. Aber selbst dann, wenn das
nicht der Fall gewesen wäre, bedarf es keines Beweises, um zu erkennen, daß
keine zivilisirte Nation jemals das Recht eines Teiles ihres Volkes anerkennen
kann, bei einem Aufstände irgend einen Teil des Gebietes der Nation einer
fremden Macht abzutreten. Britische Kreuzer, die zur Verhinderung des Sklaven¬
handels ausgesandt waren, habe» allezeit freien Zugang zu den Rheden, Häfen
und Küstenflüssen des Gebietes gehabt, das Frankreich jetzt beansprucht. Ein
großbritcmuischer Konsul ist dort gelandet und hat seine Obliegenheiten ausgeübt,
ohne zuvor die Erlaubnis Frankreichs dazu nachgesucht zu haben. Ein fran¬
zösischer Konsnlarbecunter hat in Modschauga, welcher Ort in dem von Frank¬
reich beanspruchten Landstriche gelegen ist, seinen Wohnsitz aufgeschlagen. sDieser
Landstrich galt somit bei der Pariser Regierung als Auslands Ein zweiter
französischer Konsnlarbeamter. Herr Laborde, klagte im Jahre 1874 den Hova-
beamten zu Ampasibitika an, dort zu hohe Zölle zu erheben." sNicht, über¬
haupt Zölle zu erheben; denn er hatte zu letzterem nach der Ansicht des Fran¬
zosen die Befugnis, die ihn, nicht zugestanden hätte, wenn die Gegend als
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/69>, abgerufen am 03.07.2024.