Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.Musikalische Erziehung. und bevölkert sich wieder für uns, wenn wir sie lesen. Nicht mehr mitten unter Musikalische Erziehung. von rv. Freudenberg. eher den Einfluß der Musik auf die Erziehung und Bildung herr¬ Es ist bekannt, wie in diesem Punkte namentlich die Griechen dachten und Musikalische Erziehung. und bevölkert sich wieder für uns, wenn wir sie lesen. Nicht mehr mitten unter Musikalische Erziehung. von rv. Freudenberg. eher den Einfluß der Musik auf die Erziehung und Bildung herr¬ Es ist bekannt, wie in diesem Punkte namentlich die Griechen dachten und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0613" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153362"/> <fw type="header" place="top"> Musikalische Erziehung.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2348" prev="#ID_2347"> und bevölkert sich wieder für uns, wenn wir sie lesen. Nicht mehr mitten unter<lb/> mühselig der Asche, die sie seit achtzehn Jahrhunderten bedeckte, entrissenen<lb/> Ruinen stehen wir, sondern in einer lebenden Stadt. Wenn wir sie durch¬<lb/> wandern, lehrt sie uns selbst, weit besser als Bücher, was in einer römischen<lb/> Provinzialstadt des ersten Jahrhunderts unsrer Zeitrechnung die Menschen<lb/> trieben, wie sie dachten und wie ihr gesamtes Leben sich abspielte. Denn hier,<lb/> wenn irgendwo, hatten die Wände Ohren; was sie damals gehört, heute erzählen<lb/> sie es uns: die Steine reden.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Musikalische Erziehung.<lb/><note type="byline"> von rv. Freudenberg.</note></head><lb/> <p xml:id="ID_2349"> eher den Einfluß der Musik auf die Erziehung und Bildung herr¬<lb/> schen gar verschiedne Ansichten. Viele glauben an eine veredelnde<lb/> Macht der Kunst, viele halten die Beschäftigung mit der Kunst<lb/> für alle diejenigen, die sich ihr nicht speziell widmen wollen, als<lb/> eine den übrigen Aufgaben der Erziehung und Geistesbildung ge¬<lb/> fährliche Sache, nur geeignet, zu zerstreuen und zu verweichlichen, noch andre<lb/> sehen sie für einen ganz unnützen Zeitvertreib an. Alle drei Ansichten sind<lb/> vollkommen richtig, aber nur unter einer Voraussetzung: der Einfluß, den die<lb/> Kunst auf den Menschen ausübt, entspricht genau dem Geiste, mit welchem sie<lb/> betrieben wird. Sie besitzt weder die Macht, ein trocknes, poesieloses Gemüt<lb/> zu beglücken, noch ist sie ohne Gefahr für denjenigen, der Plan- und wahllos<lb/> zu bloßen Zwecken der Unterhaltung nach allem greift, was diesen Zwecken dient,<lb/> aber sie ist auch die Zauberrute, die dem reichen Gemüte die herrlichsten Schätze<lb/> seines innern Lebens enthüllt und es mit einer gegen alles Gemeine und<lb/> Niedrige unzugänglichen Mauer umgiebt. Wenn sich also auch ihr Einfluß auf<lb/> das geistige Leben innerhalb der angegebenen Grenzen in unzähligen Abstufungen<lb/> dokumentirt, so steht doch soviel fest, daß ihr Einfluß dort, wo er sich geltend<lb/> macht, die Zentralstätte des geistigen Lebens, das Gemüt und die Phantasie<lb/> trifft, von der Gesinnungen und Entschlüsse weit mehr direkt abhängig sind<lb/> als von den Errungenschaften des Wissens, und darauf beruht die Wichtigkeit,<lb/> die man der Kunst zu verschiednen Zeiten in höherm Maße, als es jetzt geschieht,<lb/> für die Erziehung beigemessen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2350" next="#ID_2351"> Es ist bekannt, wie in diesem Punkte namentlich die Griechen dachten und<lb/> handelten. Weniger bekannt oder wenigstens allgemein anerkannt ist es, daß</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0613]
Musikalische Erziehung.
und bevölkert sich wieder für uns, wenn wir sie lesen. Nicht mehr mitten unter
mühselig der Asche, die sie seit achtzehn Jahrhunderten bedeckte, entrissenen
Ruinen stehen wir, sondern in einer lebenden Stadt. Wenn wir sie durch¬
wandern, lehrt sie uns selbst, weit besser als Bücher, was in einer römischen
Provinzialstadt des ersten Jahrhunderts unsrer Zeitrechnung die Menschen
trieben, wie sie dachten und wie ihr gesamtes Leben sich abspielte. Denn hier,
wenn irgendwo, hatten die Wände Ohren; was sie damals gehört, heute erzählen
sie es uns: die Steine reden.
Musikalische Erziehung.
von rv. Freudenberg.
eher den Einfluß der Musik auf die Erziehung und Bildung herr¬
schen gar verschiedne Ansichten. Viele glauben an eine veredelnde
Macht der Kunst, viele halten die Beschäftigung mit der Kunst
für alle diejenigen, die sich ihr nicht speziell widmen wollen, als
eine den übrigen Aufgaben der Erziehung und Geistesbildung ge¬
fährliche Sache, nur geeignet, zu zerstreuen und zu verweichlichen, noch andre
sehen sie für einen ganz unnützen Zeitvertreib an. Alle drei Ansichten sind
vollkommen richtig, aber nur unter einer Voraussetzung: der Einfluß, den die
Kunst auf den Menschen ausübt, entspricht genau dem Geiste, mit welchem sie
betrieben wird. Sie besitzt weder die Macht, ein trocknes, poesieloses Gemüt
zu beglücken, noch ist sie ohne Gefahr für denjenigen, der Plan- und wahllos
zu bloßen Zwecken der Unterhaltung nach allem greift, was diesen Zwecken dient,
aber sie ist auch die Zauberrute, die dem reichen Gemüte die herrlichsten Schätze
seines innern Lebens enthüllt und es mit einer gegen alles Gemeine und
Niedrige unzugänglichen Mauer umgiebt. Wenn sich also auch ihr Einfluß auf
das geistige Leben innerhalb der angegebenen Grenzen in unzähligen Abstufungen
dokumentirt, so steht doch soviel fest, daß ihr Einfluß dort, wo er sich geltend
macht, die Zentralstätte des geistigen Lebens, das Gemüt und die Phantasie
trifft, von der Gesinnungen und Entschlüsse weit mehr direkt abhängig sind
als von den Errungenschaften des Wissens, und darauf beruht die Wichtigkeit,
die man der Kunst zu verschiednen Zeiten in höherm Maße, als es jetzt geschieht,
für die Erziehung beigemessen hat.
Es ist bekannt, wie in diesem Punkte namentlich die Griechen dachten und
handelten. Weniger bekannt oder wenigstens allgemein anerkannt ist es, daß
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