Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.Die Grafen von Altenschwerdr. befürchten muß, unser schöner Plan ans einmal im Wasser zerrinnen. Aber freilich Meine liebste Gräfin, es kann ja im entferntesten nicht von so etwas die Gräfin Sibylle hatte schon lange die leidenschaftliche Erregung, von der Gräfin Sibylle seufzte und blickte eine Weile stumm vor sich nieder, während Diesem Manne nun will ich mich rückhaltlos anvertraue", fuhr sie fort. Die Grafen von Altenschwerdr. befürchten muß, unser schöner Plan ans einmal im Wasser zerrinnen. Aber freilich Meine liebste Gräfin, es kann ja im entferntesten nicht von so etwas die Gräfin Sibylle hatte schon lange die leidenschaftliche Erregung, von der Gräfin Sibylle seufzte und blickte eine Weile stumm vor sich nieder, während Diesem Manne nun will ich mich rückhaltlos anvertraue», fuhr sie fort. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0574" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153323"/> <fw type="header" place="top"> Die Grafen von Altenschwerdr.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2207" prev="#ID_2206"> befürchten muß, unser schöner Plan ans einmal im Wasser zerrinnen. Aber freilich<lb/> ist es besser, daß gleich jetzt, ehe das Unglück weiter fortschreitet, völlige<lb/> Klarheit stattfindet. 'Wünschen Sie Dorotheens Herzenstriebe, dem romantischen<lb/> Gefühl eines kunstschwärmenden jungen Mädchens nachzugeben, so sprechen Sie<lb/> es aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_2208"> Meine liebste Gräfin, es kann ja im entferntesten nicht von so etwas die<lb/> Rede sein. Ich bitte Sie, sprechen Sie kein Wort weiter über eine Eventualität,<lb/> die ganz außerhalb meines Ideenkreises liegt. Der sogenannte Geist der Zeit<lb/> mit seinen Theorien von Gleichheit der Rechte und Aufhebung der von Gott<lb/> eingesetzten Unterschiede zwischen den Ständen wird, so lange ich lebe, in Schloß<lb/> Eichhausen keinen Eingang finden. Es handelt sich hier um etwas ganz andres.<lb/> Die Neigung meiner Tochter, wenn sie wirklich so arg ist, wie wir fürchten<lb/> zu müssen glauben, kann, wie Sie ganz richtig andeuten, nur eine Jugend¬<lb/> schwärmerei sein und hat sich gegenüber dem väterlichen Willen zu beugen.<lb/> Wenn Dietrich etwas davon erführe, was ich, wie gesagt, ganz in Ihr Ermessen<lb/> stelle, so mag er dies in Gcgenrechnung mit seinen eignen Jugendthorheiten<lb/> stellen, nu denen es ja wohl, wie ich ihn beurteile, uicht gefehlt haben wird.<lb/> Bei cilledem aber will ich genau wissen, wie wir mit dem Herrn Eschenburg<lb/> daran sind. Ich kenne meine Tochter. Ich halte es für ganz unmöglich, daß<lb/> Sie für jemanden, der nichts taugte und gar ein Schwindler wäre, zärtliche<lb/> Gefühle hegen sollte. Ich bin es ihrem Charakter wie dem des Herrn Eschen¬<lb/> burg selber schuldig, diese fatale Angelegenheit nicht auf sich selbst beruhen zu<lb/> lassen, sondern zum Austrag zu bringen. Ein Ende will ich dem Verhältnis<lb/> zwischen beiden machen, so wie so, aber es soll in aller Offenheit geschehen, und<lb/> deshalb will ich mit dem jungen Manne selber sprechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2209"> Gräfin Sibylle hatte schon lange die leidenschaftliche Erregung, von der<lb/> sie für einen Augenblick hingerissen worden war, in ihr tiefstes Herz wieder<lb/> verschlossen und die Miene der feinfühligen und zärtlich besorgten Frau ange¬<lb/> nommen. Sie beschloß jetzt, wo es ihr unvermeidlich erschien, daß der Baron<lb/> sich mit Eberharde aussprechen werde, einen großen und kühnen Schlag zu thu«.<lb/> Sie rückte mit ihrem Sessel noch näher an den Baron heran, legte mit einer<lb/> ihr eigentümlichen Geberde stolzer Vertraulichkeit ihre linke Hand auf die Hand<lb/> des allen Herrn, blickte ihn mit träumerischen und glühenden Angen an und<lb/> sagte leise und langsam: Ich weiß nicht — es ist ein gewisses Etwas in mir,<lb/> ums mich treibt, Ihnen gegenüber kein Geheimnis zu haben, sondern Sie hinein¬<lb/> blicken zu lassen in die lange verschlossenen Fächer meines innersten Herzens.<lb/> Es treibt mich, Ihnen den Schmerz meines Lebens zu offenbaren, eines Lebens,<lb/> das einstmals glaubte einer echten Liebe begegnet zu sein, bis es sich schmerzlich<lb/> enttäuscht zurückzog in sich selbst und an der Welt verzweifeln zu müssen glaubte,<lb/> bis es endlich doch noch einem Manne —</p><lb/> <p xml:id="ID_2210"> Gräfin Sibylle seufzte und blickte eine Weile stumm vor sich nieder, während<lb/> der Baron sie erstaunt und erwartungsvoll betrachtete.</p><lb/> <p xml:id="ID_2211" next="#ID_2212"> Diesem Manne nun will ich mich rückhaltlos anvertraue», fuhr sie fort.<lb/> Ich stand in der ersten Blüte meiner Jahre, in einer phantasievollen Zeit, wie<lb/> jetzt Dorothea sie durchzumachen hat, als sich mir der Graf Altenschwerdr<lb/> näherte und ich glaubte, in ihm den Angelpunkt meines Daseins gefunden zu<lb/> haben. Er war ein liebenswürdiger und geistreicher Kavalier, aber ach, ich<lb/> ging in meiner Unerfcchrcnheit einer schrecklichen Enttäuschung entgegen. Er gehörte<lb/> nicht zu den festen Charakteren, welche durch die Unerschütterlichkeit ihrer Grund-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0574]
Die Grafen von Altenschwerdr.
befürchten muß, unser schöner Plan ans einmal im Wasser zerrinnen. Aber freilich
ist es besser, daß gleich jetzt, ehe das Unglück weiter fortschreitet, völlige
Klarheit stattfindet. 'Wünschen Sie Dorotheens Herzenstriebe, dem romantischen
Gefühl eines kunstschwärmenden jungen Mädchens nachzugeben, so sprechen Sie
es aus.
Meine liebste Gräfin, es kann ja im entferntesten nicht von so etwas die
Rede sein. Ich bitte Sie, sprechen Sie kein Wort weiter über eine Eventualität,
die ganz außerhalb meines Ideenkreises liegt. Der sogenannte Geist der Zeit
mit seinen Theorien von Gleichheit der Rechte und Aufhebung der von Gott
eingesetzten Unterschiede zwischen den Ständen wird, so lange ich lebe, in Schloß
Eichhausen keinen Eingang finden. Es handelt sich hier um etwas ganz andres.
Die Neigung meiner Tochter, wenn sie wirklich so arg ist, wie wir fürchten
zu müssen glauben, kann, wie Sie ganz richtig andeuten, nur eine Jugend¬
schwärmerei sein und hat sich gegenüber dem väterlichen Willen zu beugen.
Wenn Dietrich etwas davon erführe, was ich, wie gesagt, ganz in Ihr Ermessen
stelle, so mag er dies in Gcgenrechnung mit seinen eignen Jugendthorheiten
stellen, nu denen es ja wohl, wie ich ihn beurteile, uicht gefehlt haben wird.
Bei cilledem aber will ich genau wissen, wie wir mit dem Herrn Eschenburg
daran sind. Ich kenne meine Tochter. Ich halte es für ganz unmöglich, daß
Sie für jemanden, der nichts taugte und gar ein Schwindler wäre, zärtliche
Gefühle hegen sollte. Ich bin es ihrem Charakter wie dem des Herrn Eschen¬
burg selber schuldig, diese fatale Angelegenheit nicht auf sich selbst beruhen zu
lassen, sondern zum Austrag zu bringen. Ein Ende will ich dem Verhältnis
zwischen beiden machen, so wie so, aber es soll in aller Offenheit geschehen, und
deshalb will ich mit dem jungen Manne selber sprechen.
Gräfin Sibylle hatte schon lange die leidenschaftliche Erregung, von der
sie für einen Augenblick hingerissen worden war, in ihr tiefstes Herz wieder
verschlossen und die Miene der feinfühligen und zärtlich besorgten Frau ange¬
nommen. Sie beschloß jetzt, wo es ihr unvermeidlich erschien, daß der Baron
sich mit Eberharde aussprechen werde, einen großen und kühnen Schlag zu thu«.
Sie rückte mit ihrem Sessel noch näher an den Baron heran, legte mit einer
ihr eigentümlichen Geberde stolzer Vertraulichkeit ihre linke Hand auf die Hand
des allen Herrn, blickte ihn mit träumerischen und glühenden Angen an und
sagte leise und langsam: Ich weiß nicht — es ist ein gewisses Etwas in mir,
ums mich treibt, Ihnen gegenüber kein Geheimnis zu haben, sondern Sie hinein¬
blicken zu lassen in die lange verschlossenen Fächer meines innersten Herzens.
Es treibt mich, Ihnen den Schmerz meines Lebens zu offenbaren, eines Lebens,
das einstmals glaubte einer echten Liebe begegnet zu sein, bis es sich schmerzlich
enttäuscht zurückzog in sich selbst und an der Welt verzweifeln zu müssen glaubte,
bis es endlich doch noch einem Manne —
Gräfin Sibylle seufzte und blickte eine Weile stumm vor sich nieder, während
der Baron sie erstaunt und erwartungsvoll betrachtete.
Diesem Manne nun will ich mich rückhaltlos anvertraue», fuhr sie fort.
Ich stand in der ersten Blüte meiner Jahre, in einer phantasievollen Zeit, wie
jetzt Dorothea sie durchzumachen hat, als sich mir der Graf Altenschwerdr
näherte und ich glaubte, in ihm den Angelpunkt meines Daseins gefunden zu
haben. Er war ein liebenswürdiger und geistreicher Kavalier, aber ach, ich
ging in meiner Unerfcchrcnheit einer schrecklichen Enttäuschung entgegen. Er gehörte
nicht zu den festen Charakteren, welche durch die Unerschütterlichkeit ihrer Grund-
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