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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die große Kunstausstellung in Berlin.

die Berliner als die Weimaraner, haben ihre Mitwirkung an den in Witten-
berg, Erfurt und anderswo geplanten Festzügen zugesagt. Solche Maskeraden
sind immer des Beifalls sicher oder schließen doch kein so großes Risiko in sich
wie umfangreiche Historienbilder, die mit höheren Ansprüchen auftreten und
doch im Grunde nicht mehr sind als ein inhaltsloses Maskenspiel. Freilich
darf man bei der Beurteilung des Verhältnisses der bildenden Künste zu Luther
die Thatfache nicht außer Acht lassen, daß die zeichnenden wie die plastischen
Künste kaum jemals für einen Mann schon dei dessen Lebzeiten soviel gethan
haben wie für Luther. Mnu darf behaupten, daß seit den Zeiten Hadrians,
der das ganze römische Reich mit Statuen und Büsten überschwemmen ließ,
kein einzelner Mann wieder durch die Kunst in gleichen Maße verherrlicht
worden ist wie Luther. Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, dessen Er¬
klärung den Geschichtsphilosophen beschäftigen mag, daß die populärste aller
Künste, der Holzschnitt, zu Luthers Zeiten seine höchste Entwicklung und Blüte
erreichte, und daß diese Kunst, indem sie sich in den Dienst des Reformators
stellte, außerordentlich viel zur Popularisirung seiner Persönlichkeit und zur
Verbreitung seiner Gedanken beitrug. Es ist bekannt, mit welcher Begeisterung
Dürer, !mit welcher innigen Liebe Lucas Cranach an dem Gottesmanne hing,
und mit vielen minder berühmten Künstlern, deren Äußerungen uns nicht über¬
liefert worden sind, wird es sich nicht anders verhalten haben. Die Künstler
beschränkten sich allerdings überwiegend aus das Porträt einerseits und auf
das politisch-religiöse Tendenzbild andrerseits, welches man mit unsrer heutigen
Karikatur vergleichen kann, nur daß den Künstlern des sechzehnten Jahrhunderts
das subjektive Moment des modernen Witzes abging, daß sie aus jener unbe¬
kümmerten Naivetät Heransschilfen, welche die charakteristische Eigentümlichkeit
der ganzen Renaissnneekunst ist. Im 17. und 18. Jahrhundert trat die Gestalt
Luthers sür die bildenden Künste ganz in den Hintergrund. Der dreißigjährige Krieg
und die widerlichen Streitigkeiten zwischen den Lutheranern und den Reformirten,
welche letzteren sich in dem Eiferer Calvin einen Privatluther zurechtgemacht
hatten, mögen die Hauptursachen gewesen sein. Andre Ursachen wird man aber
in der allgemeinen Lage der Kunst zu suchen haben, welche in jenen beiden
Jahrhunderten in deutschen Landen fast ausschließlich die Dienerin katholischer
Fürsten war. Erst das Nefvrmationsjubiläum von 1817 und die dadurch er¬
weckte Begeisterung der protestantischen Fürsten von Nord- und Mitteldeutsch¬
land führte die Kunst von neuem auf Luther hin. Aus der Düsseldorfer Schule
gingen trotz ihrer vorzugsweise romantisch-katholischen Richtung jene umfang¬
reichen Historienbilder hervor, mit denen insbesondere die Namen Lessings und
Julius Hübners verknüpft sind. Die Wandmalerei nahm ebenfalls an der Ver¬
herrlichung Luthers Teil. Aber das waren am Ende nur künstliche Blüten,
welche ihren Duft und ihren Farbenglanz nicht auf die Dauer behaupten konnten.
Die pvpularisirende und agitatorische Rolle des Holzschnitts übernahm in unserm


Die große Kunstausstellung in Berlin.

die Berliner als die Weimaraner, haben ihre Mitwirkung an den in Witten-
berg, Erfurt und anderswo geplanten Festzügen zugesagt. Solche Maskeraden
sind immer des Beifalls sicher oder schließen doch kein so großes Risiko in sich
wie umfangreiche Historienbilder, die mit höheren Ansprüchen auftreten und
doch im Grunde nicht mehr sind als ein inhaltsloses Maskenspiel. Freilich
darf man bei der Beurteilung des Verhältnisses der bildenden Künste zu Luther
die Thatfache nicht außer Acht lassen, daß die zeichnenden wie die plastischen
Künste kaum jemals für einen Mann schon dei dessen Lebzeiten soviel gethan
haben wie für Luther. Mnu darf behaupten, daß seit den Zeiten Hadrians,
der das ganze römische Reich mit Statuen und Büsten überschwemmen ließ,
kein einzelner Mann wieder durch die Kunst in gleichen Maße verherrlicht
worden ist wie Luther. Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, dessen Er¬
klärung den Geschichtsphilosophen beschäftigen mag, daß die populärste aller
Künste, der Holzschnitt, zu Luthers Zeiten seine höchste Entwicklung und Blüte
erreichte, und daß diese Kunst, indem sie sich in den Dienst des Reformators
stellte, außerordentlich viel zur Popularisirung seiner Persönlichkeit und zur
Verbreitung seiner Gedanken beitrug. Es ist bekannt, mit welcher Begeisterung
Dürer, !mit welcher innigen Liebe Lucas Cranach an dem Gottesmanne hing,
und mit vielen minder berühmten Künstlern, deren Äußerungen uns nicht über¬
liefert worden sind, wird es sich nicht anders verhalten haben. Die Künstler
beschränkten sich allerdings überwiegend aus das Porträt einerseits und auf
das politisch-religiöse Tendenzbild andrerseits, welches man mit unsrer heutigen
Karikatur vergleichen kann, nur daß den Künstlern des sechzehnten Jahrhunderts
das subjektive Moment des modernen Witzes abging, daß sie aus jener unbe¬
kümmerten Naivetät Heransschilfen, welche die charakteristische Eigentümlichkeit
der ganzen Renaissnneekunst ist. Im 17. und 18. Jahrhundert trat die Gestalt
Luthers sür die bildenden Künste ganz in den Hintergrund. Der dreißigjährige Krieg
und die widerlichen Streitigkeiten zwischen den Lutheranern und den Reformirten,
welche letzteren sich in dem Eiferer Calvin einen Privatluther zurechtgemacht
hatten, mögen die Hauptursachen gewesen sein. Andre Ursachen wird man aber
in der allgemeinen Lage der Kunst zu suchen haben, welche in jenen beiden
Jahrhunderten in deutschen Landen fast ausschließlich die Dienerin katholischer
Fürsten war. Erst das Nefvrmationsjubiläum von 1817 und die dadurch er¬
weckte Begeisterung der protestantischen Fürsten von Nord- und Mitteldeutsch¬
land führte die Kunst von neuem auf Luther hin. Aus der Düsseldorfer Schule
gingen trotz ihrer vorzugsweise romantisch-katholischen Richtung jene umfang¬
reichen Historienbilder hervor, mit denen insbesondere die Namen Lessings und
Julius Hübners verknüpft sind. Die Wandmalerei nahm ebenfalls an der Ver¬
herrlichung Luthers Teil. Aber das waren am Ende nur künstliche Blüten,
welche ihren Duft und ihren Farbenglanz nicht auf die Dauer behaupten konnten.
Die pvpularisirende und agitatorische Rolle des Holzschnitts übernahm in unserm


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[0519] Die große Kunstausstellung in Berlin. die Berliner als die Weimaraner, haben ihre Mitwirkung an den in Witten- berg, Erfurt und anderswo geplanten Festzügen zugesagt. Solche Maskeraden sind immer des Beifalls sicher oder schließen doch kein so großes Risiko in sich wie umfangreiche Historienbilder, die mit höheren Ansprüchen auftreten und doch im Grunde nicht mehr sind als ein inhaltsloses Maskenspiel. Freilich darf man bei der Beurteilung des Verhältnisses der bildenden Künste zu Luther die Thatfache nicht außer Acht lassen, daß die zeichnenden wie die plastischen Künste kaum jemals für einen Mann schon dei dessen Lebzeiten soviel gethan haben wie für Luther. Mnu darf behaupten, daß seit den Zeiten Hadrians, der das ganze römische Reich mit Statuen und Büsten überschwemmen ließ, kein einzelner Mann wieder durch die Kunst in gleichen Maße verherrlicht worden ist wie Luther. Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, dessen Er¬ klärung den Geschichtsphilosophen beschäftigen mag, daß die populärste aller Künste, der Holzschnitt, zu Luthers Zeiten seine höchste Entwicklung und Blüte erreichte, und daß diese Kunst, indem sie sich in den Dienst des Reformators stellte, außerordentlich viel zur Popularisirung seiner Persönlichkeit und zur Verbreitung seiner Gedanken beitrug. Es ist bekannt, mit welcher Begeisterung Dürer, !mit welcher innigen Liebe Lucas Cranach an dem Gottesmanne hing, und mit vielen minder berühmten Künstlern, deren Äußerungen uns nicht über¬ liefert worden sind, wird es sich nicht anders verhalten haben. Die Künstler beschränkten sich allerdings überwiegend aus das Porträt einerseits und auf das politisch-religiöse Tendenzbild andrerseits, welches man mit unsrer heutigen Karikatur vergleichen kann, nur daß den Künstlern des sechzehnten Jahrhunderts das subjektive Moment des modernen Witzes abging, daß sie aus jener unbe¬ kümmerten Naivetät Heransschilfen, welche die charakteristische Eigentümlichkeit der ganzen Renaissnneekunst ist. Im 17. und 18. Jahrhundert trat die Gestalt Luthers sür die bildenden Künste ganz in den Hintergrund. Der dreißigjährige Krieg und die widerlichen Streitigkeiten zwischen den Lutheranern und den Reformirten, welche letzteren sich in dem Eiferer Calvin einen Privatluther zurechtgemacht hatten, mögen die Hauptursachen gewesen sein. Andre Ursachen wird man aber in der allgemeinen Lage der Kunst zu suchen haben, welche in jenen beiden Jahrhunderten in deutschen Landen fast ausschließlich die Dienerin katholischer Fürsten war. Erst das Nefvrmationsjubiläum von 1817 und die dadurch er¬ weckte Begeisterung der protestantischen Fürsten von Nord- und Mitteldeutsch¬ land führte die Kunst von neuem auf Luther hin. Aus der Düsseldorfer Schule gingen trotz ihrer vorzugsweise romantisch-katholischen Richtung jene umfang¬ reichen Historienbilder hervor, mit denen insbesondere die Namen Lessings und Julius Hübners verknüpft sind. Die Wandmalerei nahm ebenfalls an der Ver¬ herrlichung Luthers Teil. Aber das waren am Ende nur künstliche Blüten, welche ihren Duft und ihren Farbenglanz nicht auf die Dauer behaupten konnten. Die pvpularisirende und agitatorische Rolle des Holzschnitts übernahm in unserm

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/519>, abgerufen am 24.08.2024.