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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschwerdt.

und dem ernannten Adel und gewöhnte das Volk an den Despotismus. Auch
das altangesehene gräfliche Haus Altenschwerdt bietet ein Beispiel für den un¬
glücklichen Prozeß, der den Adel ruinirte und damit dem Staate seine festeste
Stütze entzog. So viel ich weiß, ist der Grundbesitz jetzt dem Geschlechte völlig
verloren gegangen.

Allerdings ist es so, versetzte die Gräfin mit gesenktem Haupte. Mein
seliger Gemahl hat das letzte Gut verloren.

Umso angenehmer ist mir der Gedanke, sagte der Baron, daß durch die
Verbindung unsrer Kinder wiederum ein großer Grundbesitz in die Hand eines
Altenschwerdt gelangt, der hoffentlich wissen wird, ihn zu bewahren und weiter zu
vererben. Es war eine tiefe Weisheit, oder sagen wir lieber eine göttliche Fügung,
die meinem Ahn jene Bestimmung eingab, die Herrschaft Eichhausen unter einer
solchen Bedingung auch auf die weibliche Deszendenz vererbbar zu machen. Es
ist, als ob er vorausgesehen hätte, daß eine Zeit kommen würde, in der die
Gefahr nahe wäre, daß ein unwürdiger Zweig des Geschlechtes Sextus zur
Erbschaft stünde, während zugleich das Geschlecht Altenschwerdt seines Besitzes
beraubt wäre.

Es würde mich sehr interessiren, das Dokument, welches diese Bestimmung
enthält, mit meinen eignen Augen zu sehen, sagte die Gräfin.

Es wird mir Vergnügen machen, es Ihnen sogleich zu zeigen. Bitte, haben
Sie die Güte, mich in die Bibliothek zu begleiten.

Der Baron bot der Gräfin den Arm und führte sie durch eine Seitenthür
der langen Galerie in einen Gang, dessen Fenster auf den innern Hof mündeten,
und von hier aus durch mehrere große und prachtvoll eingerichtete Zimmer in
das Gemach, welches den größten Teil seiner Bücher und Papiere enthielt und
unmittelbar an sein Arbeitszimmer stieß.

Gräfin Sibylle ging gedankenvoll an seiner Seite. Sie hatte schon von
dem Reichtum der Sextus gehört, aber der Anblick des Schlosses übertraf ihre
Erwartungen. Die Größe und Ausdehnung des Gebäudes, die Zahl und die
innere Ausstattung dieser Räume imponirten ihr. Als sie am Arme des Barons
durch die Halle, durch die Galerie, durch die Flucht von Gemächern dahin-
schritt und ihre Schleppe über so viele Stufen, Teppiche und glatte eichene
Dielen strich, ihr Blick über so viele Gemälde, alte Trophäen und moderne
Kostbarkeiten, geschnitzte und gepolsterte Möbel, altes Porzellan, Bronzen und
Seidenstoffe hinwanderte, ward sie von Bewunderung und Ehrfurcht erfüllt.

Die Bibliothek des Barons war in altdeutschem Stile eingerichtet, bunte
Malereien in den oberen Fensterscheiben gaben ein farbiges Licht, um den mit
einem riesigen vergoldeten Tintenfaß versehenen und mit Schriften bedeckten
mächtigen Tisch standen hochlehnige geschnitzte Stühle mit roten Lederpolstern,
und ringsum an den getäfelten Wänden standen bis zur braunen Decke hinauf
wohl mehrere tausend Bände in ihren Borten. Es waren darunter viele schwere


Die Grafen von Altenschwerdt.

und dem ernannten Adel und gewöhnte das Volk an den Despotismus. Auch
das altangesehene gräfliche Haus Altenschwerdt bietet ein Beispiel für den un¬
glücklichen Prozeß, der den Adel ruinirte und damit dem Staate seine festeste
Stütze entzog. So viel ich weiß, ist der Grundbesitz jetzt dem Geschlechte völlig
verloren gegangen.

Allerdings ist es so, versetzte die Gräfin mit gesenktem Haupte. Mein
seliger Gemahl hat das letzte Gut verloren.

Umso angenehmer ist mir der Gedanke, sagte der Baron, daß durch die
Verbindung unsrer Kinder wiederum ein großer Grundbesitz in die Hand eines
Altenschwerdt gelangt, der hoffentlich wissen wird, ihn zu bewahren und weiter zu
vererben. Es war eine tiefe Weisheit, oder sagen wir lieber eine göttliche Fügung,
die meinem Ahn jene Bestimmung eingab, die Herrschaft Eichhausen unter einer
solchen Bedingung auch auf die weibliche Deszendenz vererbbar zu machen. Es
ist, als ob er vorausgesehen hätte, daß eine Zeit kommen würde, in der die
Gefahr nahe wäre, daß ein unwürdiger Zweig des Geschlechtes Sextus zur
Erbschaft stünde, während zugleich das Geschlecht Altenschwerdt seines Besitzes
beraubt wäre.

Es würde mich sehr interessiren, das Dokument, welches diese Bestimmung
enthält, mit meinen eignen Augen zu sehen, sagte die Gräfin.

Es wird mir Vergnügen machen, es Ihnen sogleich zu zeigen. Bitte, haben
Sie die Güte, mich in die Bibliothek zu begleiten.

Der Baron bot der Gräfin den Arm und führte sie durch eine Seitenthür
der langen Galerie in einen Gang, dessen Fenster auf den innern Hof mündeten,
und von hier aus durch mehrere große und prachtvoll eingerichtete Zimmer in
das Gemach, welches den größten Teil seiner Bücher und Papiere enthielt und
unmittelbar an sein Arbeitszimmer stieß.

Gräfin Sibylle ging gedankenvoll an seiner Seite. Sie hatte schon von
dem Reichtum der Sextus gehört, aber der Anblick des Schlosses übertraf ihre
Erwartungen. Die Größe und Ausdehnung des Gebäudes, die Zahl und die
innere Ausstattung dieser Räume imponirten ihr. Als sie am Arme des Barons
durch die Halle, durch die Galerie, durch die Flucht von Gemächern dahin-
schritt und ihre Schleppe über so viele Stufen, Teppiche und glatte eichene
Dielen strich, ihr Blick über so viele Gemälde, alte Trophäen und moderne
Kostbarkeiten, geschnitzte und gepolsterte Möbel, altes Porzellan, Bronzen und
Seidenstoffe hinwanderte, ward sie von Bewunderung und Ehrfurcht erfüllt.

Die Bibliothek des Barons war in altdeutschem Stile eingerichtet, bunte
Malereien in den oberen Fensterscheiben gaben ein farbiges Licht, um den mit
einem riesigen vergoldeten Tintenfaß versehenen und mit Schriften bedeckten
mächtigen Tisch standen hochlehnige geschnitzte Stühle mit roten Lederpolstern,
und ringsum an den getäfelten Wänden standen bis zur braunen Decke hinauf
wohl mehrere tausend Bände in ihren Borten. Es waren darunter viele schwere


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[0051] Die Grafen von Altenschwerdt. und dem ernannten Adel und gewöhnte das Volk an den Despotismus. Auch das altangesehene gräfliche Haus Altenschwerdt bietet ein Beispiel für den un¬ glücklichen Prozeß, der den Adel ruinirte und damit dem Staate seine festeste Stütze entzog. So viel ich weiß, ist der Grundbesitz jetzt dem Geschlechte völlig verloren gegangen. Allerdings ist es so, versetzte die Gräfin mit gesenktem Haupte. Mein seliger Gemahl hat das letzte Gut verloren. Umso angenehmer ist mir der Gedanke, sagte der Baron, daß durch die Verbindung unsrer Kinder wiederum ein großer Grundbesitz in die Hand eines Altenschwerdt gelangt, der hoffentlich wissen wird, ihn zu bewahren und weiter zu vererben. Es war eine tiefe Weisheit, oder sagen wir lieber eine göttliche Fügung, die meinem Ahn jene Bestimmung eingab, die Herrschaft Eichhausen unter einer solchen Bedingung auch auf die weibliche Deszendenz vererbbar zu machen. Es ist, als ob er vorausgesehen hätte, daß eine Zeit kommen würde, in der die Gefahr nahe wäre, daß ein unwürdiger Zweig des Geschlechtes Sextus zur Erbschaft stünde, während zugleich das Geschlecht Altenschwerdt seines Besitzes beraubt wäre. Es würde mich sehr interessiren, das Dokument, welches diese Bestimmung enthält, mit meinen eignen Augen zu sehen, sagte die Gräfin. Es wird mir Vergnügen machen, es Ihnen sogleich zu zeigen. Bitte, haben Sie die Güte, mich in die Bibliothek zu begleiten. Der Baron bot der Gräfin den Arm und führte sie durch eine Seitenthür der langen Galerie in einen Gang, dessen Fenster auf den innern Hof mündeten, und von hier aus durch mehrere große und prachtvoll eingerichtete Zimmer in das Gemach, welches den größten Teil seiner Bücher und Papiere enthielt und unmittelbar an sein Arbeitszimmer stieß. Gräfin Sibylle ging gedankenvoll an seiner Seite. Sie hatte schon von dem Reichtum der Sextus gehört, aber der Anblick des Schlosses übertraf ihre Erwartungen. Die Größe und Ausdehnung des Gebäudes, die Zahl und die innere Ausstattung dieser Räume imponirten ihr. Als sie am Arme des Barons durch die Halle, durch die Galerie, durch die Flucht von Gemächern dahin- schritt und ihre Schleppe über so viele Stufen, Teppiche und glatte eichene Dielen strich, ihr Blick über so viele Gemälde, alte Trophäen und moderne Kostbarkeiten, geschnitzte und gepolsterte Möbel, altes Porzellan, Bronzen und Seidenstoffe hinwanderte, ward sie von Bewunderung und Ehrfurcht erfüllt. Die Bibliothek des Barons war in altdeutschem Stile eingerichtet, bunte Malereien in den oberen Fensterscheiben gaben ein farbiges Licht, um den mit einem riesigen vergoldeten Tintenfaß versehenen und mit Schriften bedeckten mächtigen Tisch standen hochlehnige geschnitzte Stühle mit roten Lederpolstern, und ringsum an den getäfelten Wänden standen bis zur braunen Decke hinauf wohl mehrere tausend Bände in ihren Borten. Es waren darunter viele schwere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/51>, abgerufen am 03.07.2024.