Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Franzosen in Tonkin.

so hatte man zu befürchten, daß viele zögern würden, auf den Gedanken an
ganz Altmann einzugehen. Herr Brun hat den Weg, den die Gedanken der
Minister zu dieser Erweiterung des ursprünglichen Projektes zurücklegten, ver¬
schwiegen, obwohl er wissen mußte, daß seine Enthüllung gar manchen über¬
raschen werde. . . Wenn die chinesische Regierung geneigt ist, den Fortschritten
der Franzosen in Tonkin Halt zu gebieten, so wird sie wahrscheinlich keinen
Augenblick versäumen, sich zu energischem Handeln zu entschließen, sobald sie er¬
fährt, daß die gciM Zukunft des Reiches Annalen auf dem Spiele steht."

Wir schließen unsre Betrachtung mit einem Blick auf die Stelle der Ein¬
leitung zu der Kreditforderung der Regierung, wo die Expedition mit folgenden
Worten gerechtfertigt wird: "Ein neues Aufgebe" Tonkins würde in Gegenden des
fernen Ostens, wo unsre Flagge mit Ehre" unter denen der Haupthandelsmächte weht
und wo die Expedition von 1860 uns ein Ansehen verschafft hat, das wir nicht
schwinden lassen dürfen, als eine Abdankung betrachtet werden. Wenn, wie wir zu¬
versichtlich hoffen, diese Auffassung der Frage Ihrer Billigung begegnet, so werden
wir unsre Besitznahme in eine endgiltige und dauernde verwandeln, und außer
der legitimen Steigerung unsers Einflusses, der sich aus einer thatkräftigen und
folgerichtigen Politik ergeben wird, werden wir die Ehre haben, dem Handel
Frankreichs und Europas eins der reichsten Länder der Erde erschlossen zu
haben. Die hart arbeitenden und friedfertigen Einwohner Tonkins sind weit
entfernt davon, Feinde Frankreichs zu sein. Einem Willkürregiment unterworfen
und den Einbrüchen von Räuberbanden ausgesetzt, betrachten sie unser Bleiben
im Laude als Bürgschaft für Gerechtigkeit und Frieden. . . Diese Stimmung er¬
leichtert unsre Aktion, legt uns aber zugleich die Pflicht auf, das Vertrauen
des Volkes nicht zu täuschen und sie vor den Gefahren zu schütze", welche die
Sympathie, die sie für uns an den Tag gelegt haben, über sie heraufbeschwören
würde."

Man weiß, was Behauptungen wie die der letzten Sätze für Wert haben.
Wir brauchen es daher nicht zu sagen. Wir haben aber nur geringes Interesse
daran, ob dort in Hinterindien Recht oder Unrecht geschieht. Und so wünschen
wir den Franzosen guten Erfolg bei ihrer Expedition, wobei wir allerdings
die Ahnung nicht unterdrücken können, daß sie das, was sie jetzt erobern werden,
schließlich einmal für die Nachbarn drüben überm Kanal erobert haben werden.
Die Abrechnung mit dieser Kolonialpolitik kann, wenn letztere Erfolg hat,
britischcrseits kaum ausbleiben.




Die Franzosen in Tonkin.

so hatte man zu befürchten, daß viele zögern würden, auf den Gedanken an
ganz Altmann einzugehen. Herr Brun hat den Weg, den die Gedanken der
Minister zu dieser Erweiterung des ursprünglichen Projektes zurücklegten, ver¬
schwiegen, obwohl er wissen mußte, daß seine Enthüllung gar manchen über¬
raschen werde. . . Wenn die chinesische Regierung geneigt ist, den Fortschritten
der Franzosen in Tonkin Halt zu gebieten, so wird sie wahrscheinlich keinen
Augenblick versäumen, sich zu energischem Handeln zu entschließen, sobald sie er¬
fährt, daß die gciM Zukunft des Reiches Annalen auf dem Spiele steht."

Wir schließen unsre Betrachtung mit einem Blick auf die Stelle der Ein¬
leitung zu der Kreditforderung der Regierung, wo die Expedition mit folgenden
Worten gerechtfertigt wird: „Ein neues Aufgebe» Tonkins würde in Gegenden des
fernen Ostens, wo unsre Flagge mit Ehre» unter denen der Haupthandelsmächte weht
und wo die Expedition von 1860 uns ein Ansehen verschafft hat, das wir nicht
schwinden lassen dürfen, als eine Abdankung betrachtet werden. Wenn, wie wir zu¬
versichtlich hoffen, diese Auffassung der Frage Ihrer Billigung begegnet, so werden
wir unsre Besitznahme in eine endgiltige und dauernde verwandeln, und außer
der legitimen Steigerung unsers Einflusses, der sich aus einer thatkräftigen und
folgerichtigen Politik ergeben wird, werden wir die Ehre haben, dem Handel
Frankreichs und Europas eins der reichsten Länder der Erde erschlossen zu
haben. Die hart arbeitenden und friedfertigen Einwohner Tonkins sind weit
entfernt davon, Feinde Frankreichs zu sein. Einem Willkürregiment unterworfen
und den Einbrüchen von Räuberbanden ausgesetzt, betrachten sie unser Bleiben
im Laude als Bürgschaft für Gerechtigkeit und Frieden. . . Diese Stimmung er¬
leichtert unsre Aktion, legt uns aber zugleich die Pflicht auf, das Vertrauen
des Volkes nicht zu täuschen und sie vor den Gefahren zu schütze», welche die
Sympathie, die sie für uns an den Tag gelegt haben, über sie heraufbeschwören
würde."

Man weiß, was Behauptungen wie die der letzten Sätze für Wert haben.
Wir brauchen es daher nicht zu sagen. Wir haben aber nur geringes Interesse
daran, ob dort in Hinterindien Recht oder Unrecht geschieht. Und so wünschen
wir den Franzosen guten Erfolg bei ihrer Expedition, wobei wir allerdings
die Ahnung nicht unterdrücken können, daß sie das, was sie jetzt erobern werden,
schließlich einmal für die Nachbarn drüben überm Kanal erobert haben werden.
Die Abrechnung mit dieser Kolonialpolitik kann, wenn letztere Erfolg hat,
britischcrseits kaum ausbleiben.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0494" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153243"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Franzosen in Tonkin.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1948" prev="#ID_1947"> so hatte man zu befürchten, daß viele zögern würden, auf den Gedanken an<lb/>
ganz Altmann einzugehen. Herr Brun hat den Weg, den die Gedanken der<lb/>
Minister zu dieser Erweiterung des ursprünglichen Projektes zurücklegten, ver¬<lb/>
schwiegen, obwohl er wissen mußte, daß seine Enthüllung gar manchen über¬<lb/>
raschen werde. . . Wenn die chinesische Regierung geneigt ist, den Fortschritten<lb/>
der Franzosen in Tonkin Halt zu gebieten, so wird sie wahrscheinlich keinen<lb/>
Augenblick versäumen, sich zu energischem Handeln zu entschließen, sobald sie er¬<lb/>
fährt, daß die gciM Zukunft des Reiches Annalen auf dem Spiele steht."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1949"> Wir schließen unsre Betrachtung mit einem Blick auf die Stelle der Ein¬<lb/>
leitung zu der Kreditforderung der Regierung, wo die Expedition mit folgenden<lb/>
Worten gerechtfertigt wird: &#x201E;Ein neues Aufgebe» Tonkins würde in Gegenden des<lb/>
fernen Ostens, wo unsre Flagge mit Ehre» unter denen der Haupthandelsmächte weht<lb/>
und wo die Expedition von 1860 uns ein Ansehen verschafft hat, das wir nicht<lb/>
schwinden lassen dürfen, als eine Abdankung betrachtet werden. Wenn, wie wir zu¬<lb/>
versichtlich hoffen, diese Auffassung der Frage Ihrer Billigung begegnet, so werden<lb/>
wir unsre Besitznahme in eine endgiltige und dauernde verwandeln, und außer<lb/>
der legitimen Steigerung unsers Einflusses, der sich aus einer thatkräftigen und<lb/>
folgerichtigen Politik ergeben wird, werden wir die Ehre haben, dem Handel<lb/>
Frankreichs und Europas eins der reichsten Länder der Erde erschlossen zu<lb/>
haben. Die hart arbeitenden und friedfertigen Einwohner Tonkins sind weit<lb/>
entfernt davon, Feinde Frankreichs zu sein. Einem Willkürregiment unterworfen<lb/>
und den Einbrüchen von Räuberbanden ausgesetzt, betrachten sie unser Bleiben<lb/>
im Laude als Bürgschaft für Gerechtigkeit und Frieden. . . Diese Stimmung er¬<lb/>
leichtert unsre Aktion, legt uns aber zugleich die Pflicht auf, das Vertrauen<lb/>
des Volkes nicht zu täuschen und sie vor den Gefahren zu schütze», welche die<lb/>
Sympathie, die sie für uns an den Tag gelegt haben, über sie heraufbeschwören<lb/>
würde."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1950"> Man weiß, was Behauptungen wie die der letzten Sätze für Wert haben.<lb/>
Wir brauchen es daher nicht zu sagen. Wir haben aber nur geringes Interesse<lb/>
daran, ob dort in Hinterindien Recht oder Unrecht geschieht. Und so wünschen<lb/>
wir den Franzosen guten Erfolg bei ihrer Expedition, wobei wir allerdings<lb/>
die Ahnung nicht unterdrücken können, daß sie das, was sie jetzt erobern werden,<lb/>
schließlich einmal für die Nachbarn drüben überm Kanal erobert haben werden.<lb/>
Die Abrechnung mit dieser Kolonialpolitik kann, wenn letztere Erfolg hat,<lb/>
britischcrseits kaum ausbleiben.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0494] Die Franzosen in Tonkin. so hatte man zu befürchten, daß viele zögern würden, auf den Gedanken an ganz Altmann einzugehen. Herr Brun hat den Weg, den die Gedanken der Minister zu dieser Erweiterung des ursprünglichen Projektes zurücklegten, ver¬ schwiegen, obwohl er wissen mußte, daß seine Enthüllung gar manchen über¬ raschen werde. . . Wenn die chinesische Regierung geneigt ist, den Fortschritten der Franzosen in Tonkin Halt zu gebieten, so wird sie wahrscheinlich keinen Augenblick versäumen, sich zu energischem Handeln zu entschließen, sobald sie er¬ fährt, daß die gciM Zukunft des Reiches Annalen auf dem Spiele steht." Wir schließen unsre Betrachtung mit einem Blick auf die Stelle der Ein¬ leitung zu der Kreditforderung der Regierung, wo die Expedition mit folgenden Worten gerechtfertigt wird: „Ein neues Aufgebe» Tonkins würde in Gegenden des fernen Ostens, wo unsre Flagge mit Ehre» unter denen der Haupthandelsmächte weht und wo die Expedition von 1860 uns ein Ansehen verschafft hat, das wir nicht schwinden lassen dürfen, als eine Abdankung betrachtet werden. Wenn, wie wir zu¬ versichtlich hoffen, diese Auffassung der Frage Ihrer Billigung begegnet, so werden wir unsre Besitznahme in eine endgiltige und dauernde verwandeln, und außer der legitimen Steigerung unsers Einflusses, der sich aus einer thatkräftigen und folgerichtigen Politik ergeben wird, werden wir die Ehre haben, dem Handel Frankreichs und Europas eins der reichsten Länder der Erde erschlossen zu haben. Die hart arbeitenden und friedfertigen Einwohner Tonkins sind weit entfernt davon, Feinde Frankreichs zu sein. Einem Willkürregiment unterworfen und den Einbrüchen von Räuberbanden ausgesetzt, betrachten sie unser Bleiben im Laude als Bürgschaft für Gerechtigkeit und Frieden. . . Diese Stimmung er¬ leichtert unsre Aktion, legt uns aber zugleich die Pflicht auf, das Vertrauen des Volkes nicht zu täuschen und sie vor den Gefahren zu schütze», welche die Sympathie, die sie für uns an den Tag gelegt haben, über sie heraufbeschwören würde." Man weiß, was Behauptungen wie die der letzten Sätze für Wert haben. Wir brauchen es daher nicht zu sagen. Wir haben aber nur geringes Interesse daran, ob dort in Hinterindien Recht oder Unrecht geschieht. Und so wünschen wir den Franzosen guten Erfolg bei ihrer Expedition, wobei wir allerdings die Ahnung nicht unterdrücken können, daß sie das, was sie jetzt erobern werden, schließlich einmal für die Nachbarn drüben überm Kanal erobert haben werden. Die Abrechnung mit dieser Kolonialpolitik kann, wenn letztere Erfolg hat, britischcrseits kaum ausbleiben.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/494
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/494>, abgerufen am 22.07.2024.