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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Franzosen in Tonkin.

acht Monate Dienst thun, und dafür fordert die Regierung Millionen
Franks. Der Kommandant Riviere ist der Meinung, daß eine Besetzung von
mehr Punkten, als man bis jetzt okkupirt hat, nicht erforderlich sein werde.
Über die letzten Operationen in Tonkin berichtete der Marineminister folgendes.
Am 28. März wurde Hanoi von einem 4000 Mann starken annamitisch-chinesischen
Korps angegriffen. Dieselben wurden mit schweren Verlusten ihrerseits zurück¬
geschlagen und zehn Kilometer weit verfolgt. Die Franzosen verloren dabei nur
15 Mann. Die Gegner versuchten dann die Stadt Bak Ding zu stürmen, er¬
litten aber wieder eine Niederlage, und zu gleicher Zeit setzte sich Riviere in
den Besitz von Nam Ding, wobei mehrere französische Kanonenboote mitwirkten
und das Thor des Forts mit einer Dynamitpetarde aufgesprengt wurde. Man
behauptet, daß die Einnahme von Nam Ding am Hofe von Huc großen
Schreck erregt und daß der König Tuduk sofort zwei Mandarine mit dem
schriftlichen Anerbieten nach Saigon entsandt habe, ans jede Bedingung hin zu
unterhandeln, welche Frankreich ihm stellen werde; doch geschah dieses Anerbietens
in der Deputirtenkammer keinerlei Erwähnung.

Der Minister berichtete ferner, daß er von Bouree erfahren habe, es seien
von Tientsin 2000 Mann Chinesen nach dem Süden abmarschirt. Obwohl
kein Grund zu der Befürchtung vorliege, daß die chinesische Regierung Tonkin
anzugreifen beabsichtige, habe Admiral Meyer, der Befehlshaber des an diesen
Küsten kreuzenden Geschwaders, doch die Weisung erhalten, die Landung dieser
Truppen, falls sie versucht würde, mit Gewalt zu verhindern. Nach den
Äußerungen Bruns nimmt der außerordentliche Gesandte Frankreichs, Graf de
Kergaradec, einen eigenhändigen Brief des Präsidenten Grevy an Tuduk mit,
in welchem demselben auseinandergesetzt wird, daß, da er unfähig sei, die Ord¬
nung in Tonkin aufrecht zu erhalten, Frankreich sich gezwungen gesehen habe,
Vorbeugungsmaßregeln zu treffen und in gewisse Orte endgiltig Garnisonen
zu legen. De Kergaradec ist angewiesen, sein äußerstes zu thun, um den Hof
von Huc zu bestimmen, daß er sich einer französischen Okkupation nicht wider¬
setze, und ferner den König zur Unterzeichnung eines Protokolls zu bewegen,
das auf folgende Hauptpunkte hinausläuft: Tuduk erkennt nicht bloß die fran¬
zösische Besetzung von Tonkin an, sondern auch das Protektorat Frank¬
reichs über Arran; der König übergiebt die Leitung seines Verkehrs mit
fremden Mächten der Regierung der Republik; Frankreich erhält das Recht, in
Arran Zollstätten zu errichten und gewisse Abgaben zur Deckung seiner Aus¬
gaben zu erheben. Andrerseits garantirt Frankreich dem Könige Tnduk die In¬
tegrität seiner Besitzungen und überläßt ihm ungefähr ein Drittel der öffent¬
lichen Einnahmen. Kergaradec soll, wo möglich, eine persönliche Besprechung
mit Tuduk suchen, sich dann mit Riviere beraten und schließlich der Regierung
in Paris von dem Ergebnisse seiner Bemühungen Mitteilung machen. Das auf
die Expedition ausgegebene Geld wird aus deu Erträgen der Zölle Arraus


Die Franzosen in Tonkin.

acht Monate Dienst thun, und dafür fordert die Regierung Millionen
Franks. Der Kommandant Riviere ist der Meinung, daß eine Besetzung von
mehr Punkten, als man bis jetzt okkupirt hat, nicht erforderlich sein werde.
Über die letzten Operationen in Tonkin berichtete der Marineminister folgendes.
Am 28. März wurde Hanoi von einem 4000 Mann starken annamitisch-chinesischen
Korps angegriffen. Dieselben wurden mit schweren Verlusten ihrerseits zurück¬
geschlagen und zehn Kilometer weit verfolgt. Die Franzosen verloren dabei nur
15 Mann. Die Gegner versuchten dann die Stadt Bak Ding zu stürmen, er¬
litten aber wieder eine Niederlage, und zu gleicher Zeit setzte sich Riviere in
den Besitz von Nam Ding, wobei mehrere französische Kanonenboote mitwirkten
und das Thor des Forts mit einer Dynamitpetarde aufgesprengt wurde. Man
behauptet, daß die Einnahme von Nam Ding am Hofe von Huc großen
Schreck erregt und daß der König Tuduk sofort zwei Mandarine mit dem
schriftlichen Anerbieten nach Saigon entsandt habe, ans jede Bedingung hin zu
unterhandeln, welche Frankreich ihm stellen werde; doch geschah dieses Anerbietens
in der Deputirtenkammer keinerlei Erwähnung.

Der Minister berichtete ferner, daß er von Bouree erfahren habe, es seien
von Tientsin 2000 Mann Chinesen nach dem Süden abmarschirt. Obwohl
kein Grund zu der Befürchtung vorliege, daß die chinesische Regierung Tonkin
anzugreifen beabsichtige, habe Admiral Meyer, der Befehlshaber des an diesen
Küsten kreuzenden Geschwaders, doch die Weisung erhalten, die Landung dieser
Truppen, falls sie versucht würde, mit Gewalt zu verhindern. Nach den
Äußerungen Bruns nimmt der außerordentliche Gesandte Frankreichs, Graf de
Kergaradec, einen eigenhändigen Brief des Präsidenten Grevy an Tuduk mit,
in welchem demselben auseinandergesetzt wird, daß, da er unfähig sei, die Ord¬
nung in Tonkin aufrecht zu erhalten, Frankreich sich gezwungen gesehen habe,
Vorbeugungsmaßregeln zu treffen und in gewisse Orte endgiltig Garnisonen
zu legen. De Kergaradec ist angewiesen, sein äußerstes zu thun, um den Hof
von Huc zu bestimmen, daß er sich einer französischen Okkupation nicht wider¬
setze, und ferner den König zur Unterzeichnung eines Protokolls zu bewegen,
das auf folgende Hauptpunkte hinausläuft: Tuduk erkennt nicht bloß die fran¬
zösische Besetzung von Tonkin an, sondern auch das Protektorat Frank¬
reichs über Arran; der König übergiebt die Leitung seines Verkehrs mit
fremden Mächten der Regierung der Republik; Frankreich erhält das Recht, in
Arran Zollstätten zu errichten und gewisse Abgaben zur Deckung seiner Aus¬
gaben zu erheben. Andrerseits garantirt Frankreich dem Könige Tnduk die In¬
tegrität seiner Besitzungen und überläßt ihm ungefähr ein Drittel der öffent¬
lichen Einnahmen. Kergaradec soll, wo möglich, eine persönliche Besprechung
mit Tuduk suchen, sich dann mit Riviere beraten und schließlich der Regierung
in Paris von dem Ergebnisse seiner Bemühungen Mitteilung machen. Das auf
die Expedition ausgegebene Geld wird aus deu Erträgen der Zölle Arraus


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[0492] Die Franzosen in Tonkin. acht Monate Dienst thun, und dafür fordert die Regierung Millionen Franks. Der Kommandant Riviere ist der Meinung, daß eine Besetzung von mehr Punkten, als man bis jetzt okkupirt hat, nicht erforderlich sein werde. Über die letzten Operationen in Tonkin berichtete der Marineminister folgendes. Am 28. März wurde Hanoi von einem 4000 Mann starken annamitisch-chinesischen Korps angegriffen. Dieselben wurden mit schweren Verlusten ihrerseits zurück¬ geschlagen und zehn Kilometer weit verfolgt. Die Franzosen verloren dabei nur 15 Mann. Die Gegner versuchten dann die Stadt Bak Ding zu stürmen, er¬ litten aber wieder eine Niederlage, und zu gleicher Zeit setzte sich Riviere in den Besitz von Nam Ding, wobei mehrere französische Kanonenboote mitwirkten und das Thor des Forts mit einer Dynamitpetarde aufgesprengt wurde. Man behauptet, daß die Einnahme von Nam Ding am Hofe von Huc großen Schreck erregt und daß der König Tuduk sofort zwei Mandarine mit dem schriftlichen Anerbieten nach Saigon entsandt habe, ans jede Bedingung hin zu unterhandeln, welche Frankreich ihm stellen werde; doch geschah dieses Anerbietens in der Deputirtenkammer keinerlei Erwähnung. Der Minister berichtete ferner, daß er von Bouree erfahren habe, es seien von Tientsin 2000 Mann Chinesen nach dem Süden abmarschirt. Obwohl kein Grund zu der Befürchtung vorliege, daß die chinesische Regierung Tonkin anzugreifen beabsichtige, habe Admiral Meyer, der Befehlshaber des an diesen Küsten kreuzenden Geschwaders, doch die Weisung erhalten, die Landung dieser Truppen, falls sie versucht würde, mit Gewalt zu verhindern. Nach den Äußerungen Bruns nimmt der außerordentliche Gesandte Frankreichs, Graf de Kergaradec, einen eigenhändigen Brief des Präsidenten Grevy an Tuduk mit, in welchem demselben auseinandergesetzt wird, daß, da er unfähig sei, die Ord¬ nung in Tonkin aufrecht zu erhalten, Frankreich sich gezwungen gesehen habe, Vorbeugungsmaßregeln zu treffen und in gewisse Orte endgiltig Garnisonen zu legen. De Kergaradec ist angewiesen, sein äußerstes zu thun, um den Hof von Huc zu bestimmen, daß er sich einer französischen Okkupation nicht wider¬ setze, und ferner den König zur Unterzeichnung eines Protokolls zu bewegen, das auf folgende Hauptpunkte hinausläuft: Tuduk erkennt nicht bloß die fran¬ zösische Besetzung von Tonkin an, sondern auch das Protektorat Frank¬ reichs über Arran; der König übergiebt die Leitung seines Verkehrs mit fremden Mächten der Regierung der Republik; Frankreich erhält das Recht, in Arran Zollstätten zu errichten und gewisse Abgaben zur Deckung seiner Aus¬ gaben zu erheben. Andrerseits garantirt Frankreich dem Könige Tnduk die In¬ tegrität seiner Besitzungen und überläßt ihm ungefähr ein Drittel der öffent¬ lichen Einnahmen. Kergaradec soll, wo möglich, eine persönliche Besprechung mit Tuduk suchen, sich dann mit Riviere beraten und schließlich der Regierung in Paris von dem Ergebnisse seiner Bemühungen Mitteilung machen. Das auf die Expedition ausgegebene Geld wird aus deu Erträgen der Zölle Arraus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/492>, abgerufen am 03.07.2024.