Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.pompejanische Spaziergänge. Gegenstande nicht vertraut und hat ihn ohne rechte Liebe behandelt. Die Ge¬ Freilich ist manchmal gesagt worden, Pompeji sei mehr eine griechische v. I. Il. Ur. 1261 ist offenbar Parodie einer berühmten Stelle der Verrinen. Die Inschrift **) Edda. Ur. 1746. -- *) Lorxus Insoript. I.sÄi>. IV Ur. 1074. --
pompejanische Spaziergänge. Gegenstande nicht vertraut und hat ihn ohne rechte Liebe behandelt. Die Ge¬ Freilich ist manchmal gesagt worden, Pompeji sei mehr eine griechische v. I. Il. Ur. 1261 ist offenbar Parodie einer berühmten Stelle der Verrinen. Die Inschrift **) Edda. Ur. 1746. — *) Lorxus Insoript. I.sÄi>. IV Ur. 1074. —
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0468" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/153217"/> <fw type="header" place="top"> pompejanische Spaziergänge.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1870" prev="#ID_1869"> Gegenstande nicht vertraut und hat ihn ohne rechte Liebe behandelt. Die Ge¬<lb/> schichte der Dido, die wie geschaffen scheint, einen Maler von Talent anzuziehen,<lb/> ist in Pompeji nur zweimal dargestellt. Das ist wenig, besonders wenn man<lb/> bedenkt, daß ein ganz ähnlicher Stoff, das Abenteuer der Ariadne, mehr als<lb/> dreißig Gemälde veranlaßt hat, darunter mehrere von bedeutender Größe und<lb/> bemerkenswerter Ausführung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1871" next="#ID_1872"> Freilich ist manchmal gesagt worden, Pompeji sei mehr eine griechische<lb/> als eine römische Stadt gewesen, und wenn die Künstler für sie Werke aus¬<lb/> führten, zu denen Griechenlands Sagen und Überlieferungen die Anregung gaben,<lb/> so hätten sie sich damit eben nur nach dem Geschmack dieser Stadt gerichtet.<lb/> Diese Ansicht, obschon recht verbreitet, ist dennoch sehr unbegründet. Die Be¬<lb/> wohner von Pompeji betrachteten sich, seit sie das Bürgerrecht erhalten hatten,<lb/> als Römer. Das Lateinische ist für sie nicht bloß die offizielle Sprache, deren<lb/> sich die Behörden in ihren Verfügungen bedienen, es ist auch die Umgangs¬<lb/> sprache, der Armen wie der Reichen, der Bauern wie der Städter, im Privat¬<lb/> leben wie in der Öffentlichkeit. Die Kinder, die ihre Späße auf die Mauern<lb/> kritzeln, die Jünglinge, die ihrer Geliebten einen Gruß senden, die Müßigen,<lb/> die, wenn sie von den öffentlichen Spielen kommen, ihren Lieblingsgladiator<lb/> preisen, die Stammgäste der Kneipen oder schlechten Häuser, die das Bedürfnis<lb/> haben, ihre Eindrücke kundzugeben, thun das fast immer in lateinischer Sprache;<lb/> Oskisch und Griechisch sind stets nur Ausnahmen. Die Pompejaner sprechen<lb/> nicht nur die Sprache ihrer Herren, sie teilen auch alle Gefühle derselben. Der<lb/> Kaiser hat keine treuem Unterthanen; sie waren die ersten, die den Kultus des<lb/> Augustus bei sich einsetzten. Daß die offiziellen Inschriften von Ausdrücken<lb/> der Verehrung und Liebe zum Herrscher überströmen, kann natürlich nicht über¬<lb/> raschen; viel merkwürdiger ist die Beobachtung, daß auch die von Leuten aus<lb/> dem Volke, gegen die wir den Verdacht der Schmeichelei und Lüge kaum hegen<lb/> können, mit Kohle auf die Wände geschriebenen Kundgebungen dieser Art oft<lb/> ähnliche Versicherungen enthalten. Wir finden mehrfach den Ausruf: „Es lebe<lb/> der Kaiser!" lÄioiwr!), und einer von denen, die ihn auf die Mauer<lb/> schreiben, fügt die Betrachtung hinzu: „Wenn es den Fürsten wohl ergeht, sind<lb/> auch die Völker glücklich" (Vobis sÄvis kslioss sumus xsi-xstuo).*) Ein andrer<lb/> hat das Bedürfnis, Rom, der ehemaligen Feindin, einen Gruß aus der Ferne<lb/> zu senden: RoniÄ vslö!**) Sind in Pompeji die Meisterwerke der griechischen<lb/> Schriftsteller nicht unbekannt, so kennt man die römische Literatur noch viel<lb/> besser. Im Cicero weiß man sogut Bescheid, daß man ihn einmal sogar pa-<lb/> rodirt;***) Properz, Ovid, ja sogar Lucrez werden beständig zitirt, besonders<lb/> aber scheint alle Welt die Aeneide zu studiren und an ihr Gefallen zu finden.</p><lb/> <note xml:id="FID_98" place="foot"> Die Inschrift</note><lb/> <note xml:id="FID_99" place="foot"> **) Edda. Ur. 1746. —</note><lb/> <note xml:id="FID_100" place="foot" next="#FID_101"> *) Lorxus Insoript. I.sÄi>. IV Ur. 1074. — </note><lb/> <note xml:id="FID_101" prev="#FID_100" place="foot"> v. I. Il. Ur. 1261 ist offenbar Parodie einer berühmten Stelle der Verrinen.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0468]
pompejanische Spaziergänge.
Gegenstande nicht vertraut und hat ihn ohne rechte Liebe behandelt. Die Ge¬
schichte der Dido, die wie geschaffen scheint, einen Maler von Talent anzuziehen,
ist in Pompeji nur zweimal dargestellt. Das ist wenig, besonders wenn man
bedenkt, daß ein ganz ähnlicher Stoff, das Abenteuer der Ariadne, mehr als
dreißig Gemälde veranlaßt hat, darunter mehrere von bedeutender Größe und
bemerkenswerter Ausführung.
Freilich ist manchmal gesagt worden, Pompeji sei mehr eine griechische
als eine römische Stadt gewesen, und wenn die Künstler für sie Werke aus¬
führten, zu denen Griechenlands Sagen und Überlieferungen die Anregung gaben,
so hätten sie sich damit eben nur nach dem Geschmack dieser Stadt gerichtet.
Diese Ansicht, obschon recht verbreitet, ist dennoch sehr unbegründet. Die Be¬
wohner von Pompeji betrachteten sich, seit sie das Bürgerrecht erhalten hatten,
als Römer. Das Lateinische ist für sie nicht bloß die offizielle Sprache, deren
sich die Behörden in ihren Verfügungen bedienen, es ist auch die Umgangs¬
sprache, der Armen wie der Reichen, der Bauern wie der Städter, im Privat¬
leben wie in der Öffentlichkeit. Die Kinder, die ihre Späße auf die Mauern
kritzeln, die Jünglinge, die ihrer Geliebten einen Gruß senden, die Müßigen,
die, wenn sie von den öffentlichen Spielen kommen, ihren Lieblingsgladiator
preisen, die Stammgäste der Kneipen oder schlechten Häuser, die das Bedürfnis
haben, ihre Eindrücke kundzugeben, thun das fast immer in lateinischer Sprache;
Oskisch und Griechisch sind stets nur Ausnahmen. Die Pompejaner sprechen
nicht nur die Sprache ihrer Herren, sie teilen auch alle Gefühle derselben. Der
Kaiser hat keine treuem Unterthanen; sie waren die ersten, die den Kultus des
Augustus bei sich einsetzten. Daß die offiziellen Inschriften von Ausdrücken
der Verehrung und Liebe zum Herrscher überströmen, kann natürlich nicht über¬
raschen; viel merkwürdiger ist die Beobachtung, daß auch die von Leuten aus
dem Volke, gegen die wir den Verdacht der Schmeichelei und Lüge kaum hegen
können, mit Kohle auf die Wände geschriebenen Kundgebungen dieser Art oft
ähnliche Versicherungen enthalten. Wir finden mehrfach den Ausruf: „Es lebe
der Kaiser!" lÄioiwr!), und einer von denen, die ihn auf die Mauer
schreiben, fügt die Betrachtung hinzu: „Wenn es den Fürsten wohl ergeht, sind
auch die Völker glücklich" (Vobis sÄvis kslioss sumus xsi-xstuo).*) Ein andrer
hat das Bedürfnis, Rom, der ehemaligen Feindin, einen Gruß aus der Ferne
zu senden: RoniÄ vslö!**) Sind in Pompeji die Meisterwerke der griechischen
Schriftsteller nicht unbekannt, so kennt man die römische Literatur noch viel
besser. Im Cicero weiß man sogut Bescheid, daß man ihn einmal sogar pa-
rodirt;***) Properz, Ovid, ja sogar Lucrez werden beständig zitirt, besonders
aber scheint alle Welt die Aeneide zu studiren und an ihr Gefallen zu finden.
Die Inschrift
**) Edda. Ur. 1746. —
*) Lorxus Insoript. I.sÄi>. IV Ur. 1074. —
v. I. Il. Ur. 1261 ist offenbar Parodie einer berühmten Stelle der Verrinen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |