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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Katharina die Zweite als Journalistin.

Journals noch dadurch, daß sie "Besserung der Sitten" von demselben forderte
und versprach ihre thätige Mitwirkung.

Die Fürstin Daschkow übernahm nun Redaktion und Herstellungsarbeiten,
unterstützt von dem Akademierat Kosodawlew (unter Alexander I. Minister des
Innern; er hatte in Leipzig studirt). Vier Wochen vor dem Erscheinen des
ersten Heftes veröffentlichte man das Programm, warb darin um Mitarbeiter,
erklärte, daß nur Originalarbeiten aufgenommen werden würden, und bat um
Zusendung derselben an die genannte Redaktrice. Die Kaiserin aber hielt ihre
Zusage; sie lieferte nicht nur Beiträge, welche dem Unternehmen eine Menge
Leser zuführten, sondern sie sah auch eingesandte Manuskripte durch, welche ihr
die Daschkow zustellte, korrespondirte und beriet mit dieser über die Artikel
und griff in dem Federkriege zwischen Redaktion und Literaten ohne Zaudern
zur Waffe.

An Mitarbeitern war trotz der erst kurz vorher ergnngenen Aufforderung
kein Mangel. Abgesehen davon, daß die russische Journalistik überhaupt erst
wenige periodische Schriften hervorgebracht hatte, war auch die letzte derselben,
der "Petersburger Bote" ein paar Jahre früher eingegangen. Ein großer
Teil seiner Mitarbeiter, zu denen die besten Kräfte gehörten, widmete sich dem
neuen Organe umso bereitwilliger, eben weil es zur Zeit das einzige war und
durch seine Garanten eine bevorzugte Stellung einnahm.

Und doch gehörte trotz des allgemein bekannten Protektorats der Kaiserin
ein gewisser Mut dazu, sür den "Gesprächsgenossen" zu schreiben. Es herrschte
damals in den Regierungskrisen eine abfällige Beurteilung der Schriftstellern;
namentlich zeichnete sich in dieser Ansicht der Generalstaatsanwalt Fürst Wia-
semski aus, welcher diejenigen seiner Beamten, mit denen er unzufrieden war,
verächtlich "Dichter" und "Maler" zu nennen liebte. Sogar Derschawin, welcher
unter ihm stand, hatte von dieser Unduldsamkeit zu leiden; daher sein "Bitt¬
schreiben der russischen Schriftsteller an die russische Minerva" im Augusthefte
des "Gesprächsgenossen." Unter diesen Umständen erklärt es sich, daß die Ver¬
fasser ihre Artikel garnicht unterzeichneten oder nur mit einzelnen Buchstaben
oder endlich mit halben und falschen Namen. Auch Derschawin nannte sich nicht,
obgleich das Journal mit seiner Ode an Feliza eröffnet wurde, jede der fol¬
genden Nummern entweder Verse von ihm oder an ihn brachte und überhaupt
sein Genius dauernd den "Gesprächsgenossen" beeinflußte. Derschawin galt
schon damals für bedeutender als Lomonossow, der bis dahin größte russische
Dichter.

Was nun die Artikel der Kaiserin im "Gesprächsgenosfen" betrifft, so zer¬
fallen sie in zwei wesentlich verschiedne Arten. Eine Reihe von Aufsätzen be¬
handelt Themata aus der russischen Geschichte (die Regierungen Ruriks, Olegs).
Sie hatte dieselben nicht eigentlich für das Journal verfaßt, sondern für eine
Lesebibliothek, welche sie selbst für ihre Enkel, die Großfürsten Alexander und


Katharina die Zweite als Journalistin.

Journals noch dadurch, daß sie „Besserung der Sitten" von demselben forderte
und versprach ihre thätige Mitwirkung.

Die Fürstin Daschkow übernahm nun Redaktion und Herstellungsarbeiten,
unterstützt von dem Akademierat Kosodawlew (unter Alexander I. Minister des
Innern; er hatte in Leipzig studirt). Vier Wochen vor dem Erscheinen des
ersten Heftes veröffentlichte man das Programm, warb darin um Mitarbeiter,
erklärte, daß nur Originalarbeiten aufgenommen werden würden, und bat um
Zusendung derselben an die genannte Redaktrice. Die Kaiserin aber hielt ihre
Zusage; sie lieferte nicht nur Beiträge, welche dem Unternehmen eine Menge
Leser zuführten, sondern sie sah auch eingesandte Manuskripte durch, welche ihr
die Daschkow zustellte, korrespondirte und beriet mit dieser über die Artikel
und griff in dem Federkriege zwischen Redaktion und Literaten ohne Zaudern
zur Waffe.

An Mitarbeitern war trotz der erst kurz vorher ergnngenen Aufforderung
kein Mangel. Abgesehen davon, daß die russische Journalistik überhaupt erst
wenige periodische Schriften hervorgebracht hatte, war auch die letzte derselben,
der „Petersburger Bote" ein paar Jahre früher eingegangen. Ein großer
Teil seiner Mitarbeiter, zu denen die besten Kräfte gehörten, widmete sich dem
neuen Organe umso bereitwilliger, eben weil es zur Zeit das einzige war und
durch seine Garanten eine bevorzugte Stellung einnahm.

Und doch gehörte trotz des allgemein bekannten Protektorats der Kaiserin
ein gewisser Mut dazu, sür den „Gesprächsgenossen" zu schreiben. Es herrschte
damals in den Regierungskrisen eine abfällige Beurteilung der Schriftstellern;
namentlich zeichnete sich in dieser Ansicht der Generalstaatsanwalt Fürst Wia-
semski aus, welcher diejenigen seiner Beamten, mit denen er unzufrieden war,
verächtlich „Dichter" und „Maler" zu nennen liebte. Sogar Derschawin, welcher
unter ihm stand, hatte von dieser Unduldsamkeit zu leiden; daher sein „Bitt¬
schreiben der russischen Schriftsteller an die russische Minerva" im Augusthefte
des „Gesprächsgenossen." Unter diesen Umständen erklärt es sich, daß die Ver¬
fasser ihre Artikel garnicht unterzeichneten oder nur mit einzelnen Buchstaben
oder endlich mit halben und falschen Namen. Auch Derschawin nannte sich nicht,
obgleich das Journal mit seiner Ode an Feliza eröffnet wurde, jede der fol¬
genden Nummern entweder Verse von ihm oder an ihn brachte und überhaupt
sein Genius dauernd den „Gesprächsgenossen" beeinflußte. Derschawin galt
schon damals für bedeutender als Lomonossow, der bis dahin größte russische
Dichter.

Was nun die Artikel der Kaiserin im „Gesprächsgenosfen" betrifft, so zer¬
fallen sie in zwei wesentlich verschiedne Arten. Eine Reihe von Aufsätzen be¬
handelt Themata aus der russischen Geschichte (die Regierungen Ruriks, Olegs).
Sie hatte dieselben nicht eigentlich für das Journal verfaßt, sondern für eine
Lesebibliothek, welche sie selbst für ihre Enkel, die Großfürsten Alexander und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/448>, abgerufen am 24.08.2024.