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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altcnschwerdt.

und dem Maler ein schleuniges Ende zu machen. Aber der General hatte sich
einmal vorgenommen, sein möglichstes zu thun, um dem liebenden Paare zu
helfen, und er gab es so schnell nicht auf, den Baron umzustimmen.

Wenn ich bedenke, welche Wichtigkeit und Heiligkeit die Ehe hat, sagte er
gelassen, wenn ich bedenke, daß sie nicht allein für die Einzelnen, welche sich
durch ihr Gelübde binden, sondern für die ganze menschliche Gesellschaft von
der höchsten Bedeutung ist, so glaube ich, können wir nicht vorsichtig genug sein,
wo es sich um die Verbindung der Kinder handelt, die wir doch lieben und
glücklich sehen wollen. Ich stelle mir vor, daß ein Paar an den Altar tritt.
Die Kirche hat es für segensreich und notwendig gehalten, die eheliche Ver¬
einigung durch ihre Ermahnung und ihren Segen zu befestigen. Die Kirche
sowohl als der Staat haben alle Vorkehrungen und Maßregeln getroffen, um
in Rücksicht auf die menschliche Schwäche recht deutlich und verständlich zu
machen, welchen Zweck die Ehe hat und welche Bedingungen dazu erforderlich sind.
Es wird die freie Zustimmung, also gegenseitige Liebe und Achtung, bei beiden
Teilen vorausgesetzt und ein feierliches Versprechen der Liebe und Treue an¬
geordnet. Es wird eine Bürgschaft verlangt, daß die leibliche Existenz der zu¬
künftigen Gatten gesichert sei. Es sind schwere Strafen auf die Übertretung
der für die Ehe giltigen Bestimmungen gesetzt. Es ist bei allen Gesetzgebern
die Überzeugung maßgebend gewesen, daß die Ehe die Grundlage aller mensch¬
lichen Gesellschaft, und daß ihre Heilighaltung keine private Sache, sondern viel¬
mehr eine Angelegenheit sei, die unter der Obhut der ganzen Gesellschaft und
unter Aufsicht des Staates und der Kirche stehen müsse. So tritt also Ihre
Tochter in das Gotteshaus, und in feierlicher Stille nach Anrufung des all¬
mächtigen Schöpfers Himmels und der Erde legt sie vor menschlichen und gött¬
lichen Zeugen das Bekenntnis ab, daß sie aus freien Stücken dem Manne, den
sie liebe, ihre Hand reiche, um einen neuen Hausstand zu gründen, dessen Funda¬
mente die Treue, die Wahrhaftigkeit, die Frömmigkeit sein sollen. Ich fürchte,
mein Verehrtester Freund, wir lassen uns im Getriebe gewohnheitsmäßiger An¬
schauungen nur zu sehr über den Ernst dieses Gelübdes täuschen und verfallen
in eine Gedankenlosigkeit, die sich schwer rächen muß. Denn all dieser feierliche
Apparat der kirchlichen Zeremonie und des bürgerlichen Gesetzes ist doch nicht
willkürlich erdacht, sondern entspricht der innern Wichtigkeit und Heiligkeit der
Ehe. Werden die Bedingungen verletzt, welche der Gesetzgeber forderte, so kann
Wohl der Richter auf Erden, aber niemals der Richter im Himmel betrogen
werden, und der Meineid, der am Altare geschworen wurde, trägt wohl nicht
oft die Strafe menschlichen, aber immer die Strafe göttlichen Gesetzes. Kann
wohl ein unseligeres Verhältnis erdacht werden, als das zwischen zwei Gatten,
die sich nicht lieben? Je inniger das Band ist, welches sie vereinigt, desto tiefer
schneidet es ein, wenn es Unwillige fesselt. Es erfordert nicht allein zu jeder
Stunde und Minute eine gegenseitige Rücksichtnahme und Anbequemung, sondern


Die Grafen von Altcnschwerdt.

und dem Maler ein schleuniges Ende zu machen. Aber der General hatte sich
einmal vorgenommen, sein möglichstes zu thun, um dem liebenden Paare zu
helfen, und er gab es so schnell nicht auf, den Baron umzustimmen.

Wenn ich bedenke, welche Wichtigkeit und Heiligkeit die Ehe hat, sagte er
gelassen, wenn ich bedenke, daß sie nicht allein für die Einzelnen, welche sich
durch ihr Gelübde binden, sondern für die ganze menschliche Gesellschaft von
der höchsten Bedeutung ist, so glaube ich, können wir nicht vorsichtig genug sein,
wo es sich um die Verbindung der Kinder handelt, die wir doch lieben und
glücklich sehen wollen. Ich stelle mir vor, daß ein Paar an den Altar tritt.
Die Kirche hat es für segensreich und notwendig gehalten, die eheliche Ver¬
einigung durch ihre Ermahnung und ihren Segen zu befestigen. Die Kirche
sowohl als der Staat haben alle Vorkehrungen und Maßregeln getroffen, um
in Rücksicht auf die menschliche Schwäche recht deutlich und verständlich zu
machen, welchen Zweck die Ehe hat und welche Bedingungen dazu erforderlich sind.
Es wird die freie Zustimmung, also gegenseitige Liebe und Achtung, bei beiden
Teilen vorausgesetzt und ein feierliches Versprechen der Liebe und Treue an¬
geordnet. Es wird eine Bürgschaft verlangt, daß die leibliche Existenz der zu¬
künftigen Gatten gesichert sei. Es sind schwere Strafen auf die Übertretung
der für die Ehe giltigen Bestimmungen gesetzt. Es ist bei allen Gesetzgebern
die Überzeugung maßgebend gewesen, daß die Ehe die Grundlage aller mensch¬
lichen Gesellschaft, und daß ihre Heilighaltung keine private Sache, sondern viel¬
mehr eine Angelegenheit sei, die unter der Obhut der ganzen Gesellschaft und
unter Aufsicht des Staates und der Kirche stehen müsse. So tritt also Ihre
Tochter in das Gotteshaus, und in feierlicher Stille nach Anrufung des all¬
mächtigen Schöpfers Himmels und der Erde legt sie vor menschlichen und gött¬
lichen Zeugen das Bekenntnis ab, daß sie aus freien Stücken dem Manne, den
sie liebe, ihre Hand reiche, um einen neuen Hausstand zu gründen, dessen Funda¬
mente die Treue, die Wahrhaftigkeit, die Frömmigkeit sein sollen. Ich fürchte,
mein Verehrtester Freund, wir lassen uns im Getriebe gewohnheitsmäßiger An¬
schauungen nur zu sehr über den Ernst dieses Gelübdes täuschen und verfallen
in eine Gedankenlosigkeit, die sich schwer rächen muß. Denn all dieser feierliche
Apparat der kirchlichen Zeremonie und des bürgerlichen Gesetzes ist doch nicht
willkürlich erdacht, sondern entspricht der innern Wichtigkeit und Heiligkeit der
Ehe. Werden die Bedingungen verletzt, welche der Gesetzgeber forderte, so kann
Wohl der Richter auf Erden, aber niemals der Richter im Himmel betrogen
werden, und der Meineid, der am Altare geschworen wurde, trägt wohl nicht
oft die Strafe menschlichen, aber immer die Strafe göttlichen Gesetzes. Kann
wohl ein unseligeres Verhältnis erdacht werden, als das zwischen zwei Gatten,
die sich nicht lieben? Je inniger das Band ist, welches sie vereinigt, desto tiefer
schneidet es ein, wenn es Unwillige fesselt. Es erfordert nicht allein zu jeder
Stunde und Minute eine gegenseitige Rücksichtnahme und Anbequemung, sondern


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[0429] Die Grafen von Altcnschwerdt. und dem Maler ein schleuniges Ende zu machen. Aber der General hatte sich einmal vorgenommen, sein möglichstes zu thun, um dem liebenden Paare zu helfen, und er gab es so schnell nicht auf, den Baron umzustimmen. Wenn ich bedenke, welche Wichtigkeit und Heiligkeit die Ehe hat, sagte er gelassen, wenn ich bedenke, daß sie nicht allein für die Einzelnen, welche sich durch ihr Gelübde binden, sondern für die ganze menschliche Gesellschaft von der höchsten Bedeutung ist, so glaube ich, können wir nicht vorsichtig genug sein, wo es sich um die Verbindung der Kinder handelt, die wir doch lieben und glücklich sehen wollen. Ich stelle mir vor, daß ein Paar an den Altar tritt. Die Kirche hat es für segensreich und notwendig gehalten, die eheliche Ver¬ einigung durch ihre Ermahnung und ihren Segen zu befestigen. Die Kirche sowohl als der Staat haben alle Vorkehrungen und Maßregeln getroffen, um in Rücksicht auf die menschliche Schwäche recht deutlich und verständlich zu machen, welchen Zweck die Ehe hat und welche Bedingungen dazu erforderlich sind. Es wird die freie Zustimmung, also gegenseitige Liebe und Achtung, bei beiden Teilen vorausgesetzt und ein feierliches Versprechen der Liebe und Treue an¬ geordnet. Es wird eine Bürgschaft verlangt, daß die leibliche Existenz der zu¬ künftigen Gatten gesichert sei. Es sind schwere Strafen auf die Übertretung der für die Ehe giltigen Bestimmungen gesetzt. Es ist bei allen Gesetzgebern die Überzeugung maßgebend gewesen, daß die Ehe die Grundlage aller mensch¬ lichen Gesellschaft, und daß ihre Heilighaltung keine private Sache, sondern viel¬ mehr eine Angelegenheit sei, die unter der Obhut der ganzen Gesellschaft und unter Aufsicht des Staates und der Kirche stehen müsse. So tritt also Ihre Tochter in das Gotteshaus, und in feierlicher Stille nach Anrufung des all¬ mächtigen Schöpfers Himmels und der Erde legt sie vor menschlichen und gött¬ lichen Zeugen das Bekenntnis ab, daß sie aus freien Stücken dem Manne, den sie liebe, ihre Hand reiche, um einen neuen Hausstand zu gründen, dessen Funda¬ mente die Treue, die Wahrhaftigkeit, die Frömmigkeit sein sollen. Ich fürchte, mein Verehrtester Freund, wir lassen uns im Getriebe gewohnheitsmäßiger An¬ schauungen nur zu sehr über den Ernst dieses Gelübdes täuschen und verfallen in eine Gedankenlosigkeit, die sich schwer rächen muß. Denn all dieser feierliche Apparat der kirchlichen Zeremonie und des bürgerlichen Gesetzes ist doch nicht willkürlich erdacht, sondern entspricht der innern Wichtigkeit und Heiligkeit der Ehe. Werden die Bedingungen verletzt, welche der Gesetzgeber forderte, so kann Wohl der Richter auf Erden, aber niemals der Richter im Himmel betrogen werden, und der Meineid, der am Altare geschworen wurde, trägt wohl nicht oft die Strafe menschlichen, aber immer die Strafe göttlichen Gesetzes. Kann wohl ein unseligeres Verhältnis erdacht werden, als das zwischen zwei Gatten, die sich nicht lieben? Je inniger das Band ist, welches sie vereinigt, desto tiefer schneidet es ein, wenn es Unwillige fesselt. Es erfordert nicht allein zu jeder Stunde und Minute eine gegenseitige Rücksichtnahme und Anbequemung, sondern

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/429>, abgerufen am 03.07.2024.