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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal.

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Die Grafen von Altenschroerdt.

konnte. Aber seine sich erweiternden Augen, die Spannung in seinen Zügen
und die vorgebeugte Haltung seines Körpers redeten verständlich genug für den
alten General, Es dauerte noch eine kleine Weile, bis er seine Gedanken ge¬
sammelt hatte, dann aber brach er in einen Strom von Verwünschungen aus.
Hätte eil? andrer Mann als gerade dieser hochverehrte Freund dem Baron eine
solche Eröffnung gemacht, so würde wohl die Schale des Zorns beim Über¬
fließen auch den unschuldigen Träger der unheilvollen Botschaft mit getroffen
haben. Aber das Ansehen, welches seine Stellung und seine Persönlichkeit dem
Grafen von Franeker verliehen, vermochte den Baron, sich auf solche Äußerungen
zu beschränken, welche allein gegen die pflichtvergessene Tochter und den frechen
Abenteurer, wie Baron Sextus sich ausdrückte, ihre Spitze kehrten. Er war
so ganz in Staunen über das Unerhörte befangen, daß er nur in unzusammen-
hüngenden Sätzen zu sprechen vermochte und gar nicht etwa seinen Willen, dies
Verhältnis zu zerbrechen kundgab, sondern nur seinem Grimm darüber Luft
machte, daß es überhaupt stattfinden könne.

Der General ließ den Sturm vorüberbrausen, ohne ihn auch nur mit einer
Silbe zu hemmen. Als aber der Baron geendet hatte und ihn ratlos und
unruhig mit fragendem Blick ansah, sagte er seufzend: Sie haben sehr Recht,
mein verehrtester Herr Nachbar, und ich wundere mich nicht, daß Sie außer
sich sind, Es ist eine höchst schmerzliche Entdeckung, wenn man sieht, daß ein
langgehegter schöner Plan plötzlich durch ein unvorhergesehenes und unliebsames
Ereignis zerstört wird,

O, was das anbetrifft, entgegnete der Baron Sextus hitzig, so kann davon
gar keine Rede sein. Mein Plan bleibt ganz unverändert bestehen, und
es geht kein Tittelchen davon ab. Ich bin nur über die Frechheit empört,
mit der dieser Mensch das Gastrecht verletzt hat, und ich bin traurig über den
Mangel an kindlicher Liebe und Ehrgefühl, den ich bei Dorothea entdecken muß.

So viel ich weiß, hat Dorothea Ihre Absicht, sie mit dem Grafen Dietrich
zu vermählen, nicht gekannt, warf der Graf ein. Sie möchte deshalb wohl zu
entschuldigen sein. Denn gewiß hat sie nicht Ihrem Vater entgegenhandeln
wollen.

Sie hat es freilich nicht gewußt, und sie weiß es noch nicht, aber das
verringert ihre Schuld nur wenig. Wie ist es möglich, daß sie sich herbeilassen
konnte, mit einem Menschen zu charmiren, einem Farbenkleckser, dessen Herkunft
man nicht kennt und von dem man nur so viel weiß, daß er ihr unebenbürtig
ist? Das ist mir unfaßbar!

Mein bester Herr Nachbar, sagte der General, wir sind beide wohl zu alt
in der Welt geworden, um uns noch so sehr zu Wundern, wie Sie es thun.
Lassen Sie uns die Sache ruhig überlegen, dann werden wir die Ursachen des
Unglücks einsehen und es so am ersten repariren können. Erinnern Sie sich doch,
daß ich selbst Sie gewarnt habe, Herrn Eschenburg gar zu warm aufzunehmen.


Die Grafen von Altenschroerdt.

konnte. Aber seine sich erweiternden Augen, die Spannung in seinen Zügen
und die vorgebeugte Haltung seines Körpers redeten verständlich genug für den
alten General, Es dauerte noch eine kleine Weile, bis er seine Gedanken ge¬
sammelt hatte, dann aber brach er in einen Strom von Verwünschungen aus.
Hätte eil? andrer Mann als gerade dieser hochverehrte Freund dem Baron eine
solche Eröffnung gemacht, so würde wohl die Schale des Zorns beim Über¬
fließen auch den unschuldigen Träger der unheilvollen Botschaft mit getroffen
haben. Aber das Ansehen, welches seine Stellung und seine Persönlichkeit dem
Grafen von Franeker verliehen, vermochte den Baron, sich auf solche Äußerungen
zu beschränken, welche allein gegen die pflichtvergessene Tochter und den frechen
Abenteurer, wie Baron Sextus sich ausdrückte, ihre Spitze kehrten. Er war
so ganz in Staunen über das Unerhörte befangen, daß er nur in unzusammen-
hüngenden Sätzen zu sprechen vermochte und gar nicht etwa seinen Willen, dies
Verhältnis zu zerbrechen kundgab, sondern nur seinem Grimm darüber Luft
machte, daß es überhaupt stattfinden könne.

Der General ließ den Sturm vorüberbrausen, ohne ihn auch nur mit einer
Silbe zu hemmen. Als aber der Baron geendet hatte und ihn ratlos und
unruhig mit fragendem Blick ansah, sagte er seufzend: Sie haben sehr Recht,
mein verehrtester Herr Nachbar, und ich wundere mich nicht, daß Sie außer
sich sind, Es ist eine höchst schmerzliche Entdeckung, wenn man sieht, daß ein
langgehegter schöner Plan plötzlich durch ein unvorhergesehenes und unliebsames
Ereignis zerstört wird,

O, was das anbetrifft, entgegnete der Baron Sextus hitzig, so kann davon
gar keine Rede sein. Mein Plan bleibt ganz unverändert bestehen, und
es geht kein Tittelchen davon ab. Ich bin nur über die Frechheit empört,
mit der dieser Mensch das Gastrecht verletzt hat, und ich bin traurig über den
Mangel an kindlicher Liebe und Ehrgefühl, den ich bei Dorothea entdecken muß.

So viel ich weiß, hat Dorothea Ihre Absicht, sie mit dem Grafen Dietrich
zu vermählen, nicht gekannt, warf der Graf ein. Sie möchte deshalb wohl zu
entschuldigen sein. Denn gewiß hat sie nicht Ihrem Vater entgegenhandeln
wollen.

Sie hat es freilich nicht gewußt, und sie weiß es noch nicht, aber das
verringert ihre Schuld nur wenig. Wie ist es möglich, daß sie sich herbeilassen
konnte, mit einem Menschen zu charmiren, einem Farbenkleckser, dessen Herkunft
man nicht kennt und von dem man nur so viel weiß, daß er ihr unebenbürtig
ist? Das ist mir unfaßbar!

Mein bester Herr Nachbar, sagte der General, wir sind beide wohl zu alt
in der Welt geworden, um uns noch so sehr zu Wundern, wie Sie es thun.
Lassen Sie uns die Sache ruhig überlegen, dann werden wir die Ursachen des
Unglücks einsehen und es so am ersten repariren können. Erinnern Sie sich doch,
daß ich selbst Sie gewarnt habe, Herrn Eschenburg gar zu warm aufzunehmen.


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[0427] Die Grafen von Altenschroerdt. konnte. Aber seine sich erweiternden Augen, die Spannung in seinen Zügen und die vorgebeugte Haltung seines Körpers redeten verständlich genug für den alten General, Es dauerte noch eine kleine Weile, bis er seine Gedanken ge¬ sammelt hatte, dann aber brach er in einen Strom von Verwünschungen aus. Hätte eil? andrer Mann als gerade dieser hochverehrte Freund dem Baron eine solche Eröffnung gemacht, so würde wohl die Schale des Zorns beim Über¬ fließen auch den unschuldigen Träger der unheilvollen Botschaft mit getroffen haben. Aber das Ansehen, welches seine Stellung und seine Persönlichkeit dem Grafen von Franeker verliehen, vermochte den Baron, sich auf solche Äußerungen zu beschränken, welche allein gegen die pflichtvergessene Tochter und den frechen Abenteurer, wie Baron Sextus sich ausdrückte, ihre Spitze kehrten. Er war so ganz in Staunen über das Unerhörte befangen, daß er nur in unzusammen- hüngenden Sätzen zu sprechen vermochte und gar nicht etwa seinen Willen, dies Verhältnis zu zerbrechen kundgab, sondern nur seinem Grimm darüber Luft machte, daß es überhaupt stattfinden könne. Der General ließ den Sturm vorüberbrausen, ohne ihn auch nur mit einer Silbe zu hemmen. Als aber der Baron geendet hatte und ihn ratlos und unruhig mit fragendem Blick ansah, sagte er seufzend: Sie haben sehr Recht, mein verehrtester Herr Nachbar, und ich wundere mich nicht, daß Sie außer sich sind, Es ist eine höchst schmerzliche Entdeckung, wenn man sieht, daß ein langgehegter schöner Plan plötzlich durch ein unvorhergesehenes und unliebsames Ereignis zerstört wird, O, was das anbetrifft, entgegnete der Baron Sextus hitzig, so kann davon gar keine Rede sein. Mein Plan bleibt ganz unverändert bestehen, und es geht kein Tittelchen davon ab. Ich bin nur über die Frechheit empört, mit der dieser Mensch das Gastrecht verletzt hat, und ich bin traurig über den Mangel an kindlicher Liebe und Ehrgefühl, den ich bei Dorothea entdecken muß. So viel ich weiß, hat Dorothea Ihre Absicht, sie mit dem Grafen Dietrich zu vermählen, nicht gekannt, warf der Graf ein. Sie möchte deshalb wohl zu entschuldigen sein. Denn gewiß hat sie nicht Ihrem Vater entgegenhandeln wollen. Sie hat es freilich nicht gewußt, und sie weiß es noch nicht, aber das verringert ihre Schuld nur wenig. Wie ist es möglich, daß sie sich herbeilassen konnte, mit einem Menschen zu charmiren, einem Farbenkleckser, dessen Herkunft man nicht kennt und von dem man nur so viel weiß, daß er ihr unebenbürtig ist? Das ist mir unfaßbar! Mein bester Herr Nachbar, sagte der General, wir sind beide wohl zu alt in der Welt geworden, um uns noch so sehr zu Wundern, wie Sie es thun. Lassen Sie uns die Sache ruhig überlegen, dann werden wir die Ursachen des Unglücks einsehen und es so am ersten repariren können. Erinnern Sie sich doch, daß ich selbst Sie gewarnt habe, Herrn Eschenburg gar zu warm aufzunehmen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_152756/427>, abgerufen am 24.08.2024.